1Kommentar

Gargoyle’s Quest / Demon’s Crest – Wenn aus Feinden Videospielhelden werden

von am 16. März 2012
 

Lesezeit: 4 MinutenNeulich hatte ich mal scharf darüber nachgedacht, welche Videospielfiguren schon seit Ewigkeiten kein neues Spiel mehr bekommen hatten, es aber längst verdient hätten. Gut, Kid Icarus hat sich ja in Kürze erledigt, aber da musste es doch noch mehr geben… Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Firebrand!

Capcom, die Spin-Off-Meister

In der Ghosts ‘n Goblins/Ghouls ‘n Ghost-Serie sorgte der rote, geflügelte Dämon noch für Angst und Schrecken – in Gargoyle’s Quest jedoch durftet ihr selber Firebrand kontrollieren und die Sau rauslassen. Capcom gelang mit Teil Eins für den Game Boy, Teil Zwei für das NES und später mit Demon’s Crest auf dem SNES eine der düstersten und interessantesten Spin-Off-Reihen der Videospielgeschichte. Tatsächlich geht es eigentlich in jedem Teil der Serie nur darum, den Obermacker der Dämonenwelt platt zu machen, um selber den Thron zu besteigen und somit das Recht zu erlangen, die Erde zu erobern. Natürlich weiß Firebrand zum Zeitpunkt der Handlung der Spiele noch nicht, das er später innerhalb der Ghouls ‘n Ghosts-Reihe immer wieder von Arthur auf die Fresse kriegt und praktisch die ganze Nummer umsonst ist – aber lassen wir dieses kleine Detail mal außen vor.

Eine teuflisch gute Mixtur: 2D-Level mit Rollenspieloberwelt

In den ersten beiden Teilen für Game Boy und NES ist das Gameplay praktisch identisch. Das eigentliche Spielgeschehen spielte sich als Action-Jump’n’Run in klassischer 2D-Ansicht. Firebrand konnte springen, fliegen, Feuer spucken und sich an Wänden festklammern. Die Kollisionsabfrage war gnadenlos genau und oft haben nur Millisekunden gefehlt, um noch die letzten Zentimeter Stacheln zu überfliegen. Ganz in der Tradition von Capcom waren alle drei Teile zwar Bockschwer, aber stets fair und mit der richtigen Mischung aus Timing und Auswendiglernen zu meistern.

Neben den Action-Passagen gab es aber auch eine ganz klassische Rollenspiel-Oberwelt. In Gargoyle’s Quest I + II konntet ihr hier umherlaufen, Dörfer besuchen und mit Dämonen reden. Natürlich war dies in keinster Weise so anspruchsvoll und umfangreich wie in einem richtigen Rollenspiel, aber es hat den Spielablauf insgesamt schön aufgelockert und durch die Dialoge mehr über die dämonische Unterwelt verraten. In Demon’s Crest hat man sich allerdings nur noch darauf beschränkt, zwischen den einzelnen Levels umherzufliegen – selbst die Dörfer waren wie ein Action-Level aufgebaut.

Um sich ein Bild vom Spielablauf zu machen, seht ihr hier mal die ersten Spielminuten des ersten Teils für Game Boy:

Gargoyle's Quest - Full game part 1

Und hier der zweite Teil für NES – schön bunt:

Gargoyle's Quest II (Capcom, 1992) - NES Gameplay

Schrecklich schöne Präsentation

OK, zugegeben sind die ersten beiden Teile nicht mehr so hübsch anzusehen – dafür hat das Gameplay super funktioniert und wurde in Demon’s Crest schließlich perfektioniert. Auf dem Super Nintendo gab es nur wenig Spiele, die mir so im Gedächtnis geblieben sind wie Demon’s Crest – sowohl visuell als auch vom fordernden Schwierigkeitsgrad her wirkt das Spiel fast schon wie ein 2D-Vorläufer der Demon’s/Dark Souls-Spiele. In dieser Spielewelt gab es einfach nichts zu lachen, alles war düster und zerstört, eine vom Sterben gezeichnete Welt. Hinzu kam ein gothischer Orchester-Soundtrack mit dramatischer Orgelmusik, der das Spielgeschehen perfekt untermalte. Demon’s Crest ist ein hervorragendes Beispiel, warum 2D-Grafik zeitlos gut ist, wenn sie liebevoll gezeichnet wurde – und wenn ihr denkt, God of War hätte damit anfangen, ein Spiel mit einem Riesenbosskampf zu beginnen… falsch gedacht! (scrollt hierzu einfach mal zum Video ganz unten)

Auf dem Super Nintendo ist die Hölle los

Selbst heute sind Leute immer wieder beeindruckt, wenn ich ihnen Demon’s Crest auf dem Super Nintendo zeige. Man merkt einfach sofort, dass dieses Spiel alles richtig macht. Umso trauriger ist es, dass der Titel so untergegangen ist. Dabei hatte das Gameplay so viel zu bieten – wie in den Vorgängern konnte man fliegen, klammern und Feuer speien. Doch Firebrand hatte diesmal wesentlich mehr auf dem Kasten als das. In bester Mega Man-Manier konnte man Firebrand im Verlaufe des Spiels ständig aufrüsten und weiterentwickeln, sogar verschiedene Gargoyle-Formen annehmen. Die Level waren auch nicht mehr bloßes Durchlatschen, sondern boten versteckte Pfade, die weitere Bereiche zum Spielen offenbarten. Wer wirklich alles in Demon’s Crest erkundet hatte, durfte sich nicht nur über ein verlängertes Spielerlebnis mit neuen Stages freuen, sondern konnte gegen Ende sogar nach dem vermeintlichen Endgegner weiterspielen und eine weitere Stage mitsamt Obermotz zocken. Aber selbst hier war noch nicht Schluss – wer alles, also wirklich ALLES richtig machte, hatte noch die Ehre einen mörderschweren zusätzlichen Bosskampf zu absolvieren und somit das richtige Ende des Spiels zu genießen. Insgesamt vier Endsequenzen konntet ihr erspielen.

Verdammt lang her – wo bleibt ein 3D-Firebrand?

Gargoyle’s Quest erschien 1990 für den Game Boy. Der zweite Teil erschien 1992 für das NES – leider viel zu spät, denn die Welt war inzwischen längst im 16bit-Zeitalter angekommen. Als dann endlich im Jahre 1994 Demon’s Crest für das Super Nintendo erschien, waren die Leute eher heiß auf 3D und vorgerenderte Affen im Dschungel. Die Verkaufszahlen waren wohl dermaßen mies, dass Capcom entgültig die Reißleine gezogen hat. Nichtmal auf der Wii konnte man einen der Titel über den Wii Shop beziehen. Wenigstens Gargoyle’s Quest kann über den Nintendo eShop auf dem 3DS bezogen werden – an die Qualiät von Demon’s Crest kommt der Titel aber weder spielerisch noch audiovisuell ran. Das Spielkonzept würde sich hervorragend als 3D-Neuauflage machen und Batman wie eine armselige Fledermaus aussehen lassen. Statt dem x-ten Street Fighter-Aufguss und einem (oh Gott wie es mich schmerzt dies zu sagen) neuen Resident Evil wäre ein neues Gargoyle’s Quest / Demon’s Crest-Spiel ein absoluter Traumkandidat für meine Wünsch-dir-Was-Spieleliste.

Wenigstens Demon’s Crest sollte jeder einmal gespielt haben. Also, worauf wartet ihr? Auf zum nächsten Flohmarkt – aber bringt ordentlich Zaster mit, denn der Titel ist eine Rarität und wird auf Online-Börsen um die 60 Euro gehandelt. Lasst euch gesagt sein, das Spiel ist jeden Cent Wert. Und falls die Kohle doch zu knapp wird, gibt’s hier als Entschädigung den kompletten Walkthrough zum anschauen – Vorsicht, massive Spoilergefahr – wer neugierig geworden ist, sollte nur die ersten 10 Minuten ansehen.

Demon's Crest Video Walkthrough

Kommentare
 
Kommentiere »

 

Du musst eingeloggt sein zum kommentieren