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The Perks of being a Hero – Extra – Interview mit Stephan Hazizowic

von am 4. Februar 2018
 

Lesezeit: 6 MinutenDas The Perks of being a Hero Interview Nummer Trés für euch. Diesmal mit Stephan Hazizowic. Seines Zeichens ausgebildeter Combat-Medic bei der Bundeswehr, erzählt er uns etwas über die Welt der Verbände, Verletzungen und wie man diese verhindert, bzw. wieder richtet.

DISCLAIMER

Auch dieses “Perks of being a Hero”-Interview wurde der Klarheit halber vom Autor bearbeitet, nachdem er das Gespräch aufgezeichnet und wurde dem Interviewpartner zur Einsicht vorgelegt.

MEDIC!

Stephan Hazizowic ist ein guter Freund und Schüler von Marco Schneider. Zudem ist er beim Bund als Militärpolizist und im Personenschutz tätig. Zusätzlich hat er den Lehrgang für “Combat-Medics” abgeschlossen. Das ist für uns interessant, weil ich ihn gefragt habe, was man beachten sollte, wenn man in einer Kampfsituation verletzt wird und was man im Ernstfall tun kann, bzw. welche Ausrüstung mitgeführt werden sollte, um einen “permanenten Game Over” zu vermeiden. Ich spreche an dieser Stelle noch eine kurze Warnung aus, da es hier teilweise schon etwas zur Sache geht und über verschiedene Verletzungen und Körperflüssigkeiten gesprochen wird. Wer einen empfindlichen Magen hat, sollte darauf vorbereitet sein.

Christian: So. Dann frag ich mal direkt: Worauf muss man achten, wenn man unterwegs verletzt wird? Welche Ausrüstung, sollte man immer dabei haben und wie gehe ich eigentlich im Falle einer Verletzung vor?

Stephan: Also grundsätzlich hast du immer erst mal Verbandszeug dabei, sprich Israeli-Bandages. Das ist im Prinzip ein großer Verband mit einer Wundauflage, die du schnell rumwickeln kannst, und auch eigene Häkchen hat, um diesen festzumachen. Dies ist wichtig, sollte dein Buddy angeschossen werden. Dein Buddy deswegen, weil es einfach sinnvoller und auch realistischer ist, zu zweit unterwegs zu sein. Jedenfalls, wenn er angeschossen wird, packst du ihn dir als erstes und schleifst ihn und dich in Sicherheit. Oft hast du nämlich nur ein paar Minuten um das Schlimmste zu verhindern. Der Feind schießt, du schießt zurück, dann sollte sich eine Möglichkeit bieten und du ziehst deinen Buddy weg. Bringt euch in Sicherheit so gut und schnell es geht.
Danach musst du die Blutung stillen. Dafür legst du ein sogenanntes Tourniquet an. Damit ist so ein ganz einfaches Gestell gemeint, an dem eine Schlaufe mit Knebel befestigt ist, um die Blutung vernünftig abzubinden. Danach wird gecheckt, was dein Partner hat. Kann ich das Tourniquet lösen? Wichtig, erst Druckverband setzen, dann Tourniquet lösen, um zu sehen, ob die Blutung stoppt oder ob es weitergeht. Wenn die Blutung nicht stoppt, Tourniquet wieder zudrehen. Bei größeren, etwa arteriellen Verletzungen im Beinbereich, brauchst du meistens zwei Tourniquets. Das hat folgenden Grund. Die Arterie im Beinbereich ist ungefähr so groß wie ein Gartenschlauch. Du kannst dir also vorstellen, was da für Mengen an Blut durch- und rausschießen können. Und deswegen setzt du ca. zehn cm voneinander entfernt zwei Tourniquets. Dann hast du schmerzstillende Mittel. In dem Fall Morphin in Auto-Injektoren (die kann man sich vom Aufbau ein wenig wie Stimpaks vorstellen *Anm. des Autors). Ich selbst halte von denen aber nicht ganz so viel. Nicht, weil die nicht funktionieren, sondern weil die oft einfach unterdosiert sind. Übrigens, gut zu wissen: Wenn die Verletzung rechts ist, gibst du alle Medikamente, Injektionen usw. in die LINKE Seite. Da rechts ja abgebunden ist, würde sonst eben nichts mehr durchkommen.
Dann kümmerst du dich darum, das Herz-Kreislauf-System am Laufen zu halten. Um etwa Volumen zu schaffen, brauchst du Kochsalzlösung. Das ganze Material dafür wie Kanülen, Desinfektionstupfer, etc. muss dementsprechend auch dabei sein. Dann bräuchtest du, um die Atmung aufrecht zu erhalten Güdel- und Wendetubus. Den Güdeltubus benutzt du bei Bewusstlosen, um die Zunge daran zu hindern nach hinten zu fallen und die Atemwege zu verstopfen. Allerdings auch nur bei wirklich Bewusstlosen, da sonst die Gefahr besteht, dass Würgereize einsetzen, weil der Körper ja versuchen würde den Tubus da raus zu bekommen. Und wenn dann alles hochkommt, hast du richtig Spaß. Das Erbrochene bekommst du ohne passendes Werkzeug nämlich schwer bis kaum raus.

Christian: Na das klingt ja lecker.

Stephan: Ich habe ja auch nie behauptet, dass das angenehm ist *lacht*.

Christian: Stimmt, geht ja halt auch ums Überleben, nicht um Ästhehtik.

Stephan: Genau. Es gibt ja auch verschiedene Stadien der Bewusstlosigkeit. Wenn er noch auf Schmerzen reagiert, dann benutzt du eher den Wendeltubus. Der kommt direkt durch die Nase rein, weil der flexibel und nicht so dick ist. Außerdem gibt es bei der Bundeswehr so Dreieckstücher. Die sind deswegen praktisch, weil du damit Ringe bilden kannst. Wenn etwa bei Bauchverletzungen der Darm austritt. Den Ring legst du mit einem Brandwundentuch auf den austretenden Darm und befeuchtest das Tuch. Der Darm muss halt auch feucht gehalten werden, sonst bröckelt der wie trockene Wurstpelle.
Dann ganz grundsätzlich immer: Viel Tape, eine Schere. Einen Stift. Einfach weil du, wenn du deinen Buddy an die Sanitäter übergibst, du vorher einfach Dinge auf ihn draufschreiben musst, wie Herzrate, Verletzungen, Behandlungsweisen und so weiter, damit keine Zeit bei zu vielen Erklärungen verloren geht bzw. Du wahrscheinlich gar nicht mitkannst und wieder zurück an die Front oder deinen Platz musst.

Christian: Wie stehen denn die Überlebenschancen, wenn jetzt kein Sanitäter, Krankenhaus, etc. in der Nähe ist? Also generell jetzt, nicht unbedingt auf eine Bauchverletzung bezogen?

Stephan: Also ich sag mal so. Wenn er eine Schusswunde oder ein Schrappnell in die Beinarterie bekommt, hast du vielleicht zehn Sekunden um zu reagieren. Also wegziehen und Tourniquet wirklich fest anlegen. Einfach weil diese Arterie so auf Spannung ist, dass, wenn die platzt oder reisst du zwischen acht und zwölf Sekunden hast um da noch was zu retten. Vor allem weil es auch so ist, dass wenn du im Kampf bist und du verletzt wirst, du vor lauter Adrenalin und Action vielleicht gar nichts mitbekommst und einfach umkippst. Bei Armverletzungen oder solchen an den äußeren Gliedmaßen hast du meist bessere Chancen. Alles unter der Voraussetzung – und das ist wirklich wichtig – wenn du das alles trainiert hast. Gerade bei dir selbst. Bei deinem Buddy, wenn du nichts hast, das ist eine Sache. Du kannst halbwegs klar denken im besten Fall. Wenn du aber selbst verletzt bist, dann muss das alles so in dir drin sein, so eintrainiert, dass der Körper das erst recht automatisch macht. Unter Schmerzen nicht gerade einfach. Zumal, das auch schwierig zu trainieren ist.

Christian: Glaub ich dir.

Stephan: Was auch immer scheisse ist, sind Einblutungen um Bauchbereich. Da kannst du einfach nichts machen auf dem Schlachtfeld. Und was du auch immer brauchst, ist eine lange Nadel, um Spannungen vorzubeugen bzw. zu lösen. Beispielsweise wirst du angeschossen. Durch die Brust. Also durch deine Platte durch oder was immer du auch an Schutzausrüstung trägst. Und jetzt zieht die Lunge um es mal einfach auszudrücken, durch die Wunde Luft. Also sie expandiert. Sie ist ja, blöd gesagt, unter nem Vakuum und zieht jetzt Luft. Und mit jedem Atemzug, zieht die Lunge Luft in den Bereich wo eigentlich keine Luft hingehört. Nämlich außerhalb von ihr. Dadurch wird alles in dir ziemlich unangenehm zur Seite oder weggepresst, ohne dass die Luft wirklich entweichen kann. Das heisst, diese Luft musst du wieder entweichen lassen. Dazu brauchst du eine ca. 20 – 30 cm lange Nadel. Je nachdem wir massig die Person ist, in die du einstechen musst. Diese jagst du ihm dann ungefähr auf Höhe / unter der dritten Rippe rein um diese ganze überschüssige Luft langsam entweichen zu lassen.

Christian: Wie lange müsste man lernen, um sowas halbwegs drauf zu bekommen?

Stephan: Es gibt einen vier bis sechs Wochenlehrgang dafür. Nennt sich auch “Bravo-Lehrgang“. Aber du musst halt trotzdem im ständigen Training sein. Und dann gibt’s noch den „Combat-Medic“ den ich gemacht habe und nach oben gibt es eigentlich fast keine Grenzen. Dann brauchst du noch Halos (nein Leute nicht das Spiel 😉 *anm. des Autors), das sind Pflaster, die, wenn du z.B. einen Schuss in die Brust bekommst und die Spannungspromotorik gelöst hast, benutzt. Das Halo klebst du da einfach auf das Loch drauf. Dann ist das verschlossen und es kann keine weitere Luft mehr eindringen.

Christian: Und das sind alles so Sachen, die könnte ich mir als Privatperson einfach so besorgen, oder bekommt man die nur beim Militär?

Stephan: Also die kannst du auch so kaufen. Im Internet z.B. Kostet aber auch dementsprechend. Und beim Bund bekommst du die eben zu wesentlich besseren Konditionen.

Christian: Ja kann ich mir vorstellen. Und was kann das wiegen? Ich meine, man schleppt dann ja so viel Zeug „nur“ für den Notfall mit, oder?

Stephan: Also, wenn du wirklich ALLES dabei haben willst, kannst du 10 bis 15 Kilo rechnen. Es gibt aber auch so kleine Pakete, wo nur das ALLERNÖTIGSTE für leichtere Verletzungen drin ist. Dann sind da nur so paar Tourniquets, Verbände, Pflaster, Morphin Auto-Injektoren drin und das wars dann auch schon. Ist halt ein Ein-Mann Paket, und das ist eigentlich viel zu wenig, wenn man ehrlich ist.

Christian: Verstehe. Ok. Gut, ich gehe aber auch davon aus, dass man jetzt nicht unbedingt auf nem Kriegsfeld unterwegs ist, sondern halt alleine, man wird angeschossen, Streifschuss oder ähnliches. Ansonsten… puhh. Das ne Menge Zeug. Aber gut, deswegen sollte man auch lieber zu zweit unterwegs sein.

Stephan: Ganz genau. Wobei bei Streifschüssen, reichen auch paar Mullbinden und fertig.

Christian: Gut zu wissen. Dann vielen Dank für die Zeit die du dir hier genommen hast.

Stephan: Kein Problem.

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