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Fallout 76 – Das war der Multiplayer nicht wert

von am 19. November 2018
DETAILS
 
Für Fans von:

Fallout, Skyrim, Survival MMOs

Amazon-Link:

amzn.to/2ELvPKL

Pluspunkte

+ Fallout mit Multiplayer
+ Die vermutlich schönste aller Fallout-Welten

Minuspunkte

- Veraltete Engine
- Bugs, Bugs, Bugs, Glitches, Bugs
- Fragwürdige Designentscheidungen (PvP?, Levelbeschränkungen auf Items)
- Leere und leblose Spielwelt (Keine NPCs)
- Karte so weitläufig, dass man selten andere Spieler trifft
- V.A.T.S. ist ein Schatten seiner selbst

Editor Rating
 
GAMEPLAY
4.0

 
GRAFIK
6.0

 
SINGLEPLAYER
3.0

 
MULTIPLAYER
5.0

 
SOUND
7.0

Gesamt-Wertung
5.0

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GAMEPLAY
0.5

 
GRAFIK
7.4

 
SINGLEPLAYER
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MULTIPLAYER
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SOUND
6.0

User-Wertung
1 rating
2.8

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Zusammenfassung
 

Fallout 76 ist das vielleicht ambitionierteste Experiment unter bisherigen Fallout-Titeln. Ein Experiment, dessen Umsetzung allerdings an gravierenden technischen Mängeln und einem Missverständnis darüber, was für eine Art von Multiplayer-Erlebnis sich die Fans der Fallout Serie wünschten, scheiterte.

 

Lesezeit: 14 MinutenEines vorab: Diese Review ist auch ein persönlicher Text, denn unabhängig von meiner Position des „Redakteurs” bei IKYG, bin ich seit nun bald 20 Jahren ein absoluter Fan der Fallout-Reihe. Ich habe wirklich jeden Teil mehrmals durchgespielt. Ich habe Wagenladungen von Wasserchips nach Vault 13 geschleppt, Millionen Radskorpione im Tempel von Arroyo mit der Faust zerkloppt, meinen verschollenen Vater im Wasteland gesucht, meinen verschollenen Sohn im Wasteland gesucht, mein verschollenes Paket im Wasteland gesucht und selbst bei mäßigen Spin-Offs wie Brotherhood of Steel und Fallout Tactics habe ich nicht mit der Wimper gezuckt. Ach, ich habe mir sogar bei Fallout Online beim Betreten der Städte von irgendwelchen Irren gerne sofort ins Gesicht schießen lassen, nur um es dann Stunden später bei anderen Neulingen zu machen und ich hatte in all’ den Jahren immer meinen Spaß dabei.

Das hat sich dieses Jahr geändert und ich sage vorab, dass ich noch nie so bitter von einem Fallout enttäuscht wurde, wie von Fallout 76. Nachfolgend gebe ich mir die größte Mühe, um euch zu erklären, warum das so ist.

Rückeroberungstag

Chronologisch spielt Fallout 76 am Beginn des Franchise. Es ist das Jahr 2102 und seit dem großen Atomkrieg der Supermächte sind 25 Jahre vergangen. Die Überlebenden, die sich im Vorfeld der atomaren Katastrophe in sichere, im Untergrund gelegene Vaults zurückziehen konnten, öffnen nun zum ersten Mal ihre tonnenschweren Türen und machen sich daran die Welt erneut zu besiedeln. Ihr seid einer dieser Pioniere, die jetzt in Scharen aus Vault 76 strömen, um das vom Krieg versehrte West Virginia neu zu besiedeln. Was von den ehemaligen Vault-Bewohnern noch euphorisch als „Rückeroberungstag” zelebriert wird, stell sich bald schon als Euphemismus heraus, denn die Verwüstungen sind schier grenzenlos. Auch fehlt von anderen Überlebenden jegliche Spur und die Aufseherin eures Vaults ist auch irgendwo im verstrahlten West Virginia auf eigener Mission unterwegs. Hier kommt ihr ins Spiel. Eigentlich betreut mit dem Aufbau einer neuen Zivilisation gilt es nicht nur Fuß in der Postapokalypse zu fassen, sondern auch noch zu erkunden, was es mit dem Verschwinden aller Menschen in West Virginia auf sich hat.

Bevor es aber zu all’ dem kommt, erstelle ich mir erst einmal einen Charakter.

Fallout 76, (2018)

Während ich so an den verschiedenen Slidern ziehe, Wangenknochen anpasse und die Haarfarbe überdenke, höre ich es auf einmal Rauschen. Dann ein Fernseher: „Französische Nachrichten?” denke ich mir und auf einmal dröhnt es in nasalem Englisch: „You guys can all suck d**ks!” gefolgt von hektischem Tastaturgehämmer. Was war geschehen? Offene Mikrofone, die ganze Zeit. Während ich also in stiller Andacht meinen Charakter gebaut habe, war der obige Satz das wirklich allererste, was ich in der auf Multiplayer ausgerichteten Spielwelt von Fallout 76 gehört habe. Ich habe noch nie so schnell jegliche Stimmübertragung stumm geschaltet und bis dato auch nicht wieder angemacht. Da stand ich nun also im Vault. So ganz allein. Ihr wacht also allein in einem gänzlich verlassenen Vault 76 auf und bis auf ein paar Roboter, Konfetti und Hinweisschildern, haben alle Bewohner den sicheren Unterschlupf verlassen. Bereits hier fühlte ich mich unglaublich einsam, denn während ich mich auf den Weg zum Ausgang machte, fehlte mir das immersive Fallout-Feeling. Sonst, wenn ihr den Vault verlassen habt, dann war das immer ein ganz besonderer Moment. Man erinnere sich nur an die Flucht aus Vault 101 in Fallout 3. Das war einfach absolut genial, denn man hatte bereits im Vorfeld das Leben eines Vaultbewohners über mehrere Etappen nachgespielt und richtig mit den Charakteren mitgefiebert. In Fallout 76 steht bloß ein dämlicher Roboter vor der Schleuse, sagt “Auf Wiedersehen” und dann kommt ein Ladebildschirm.

Landschaft

Nach unmittelbarem Verlassen des Vaults war ich aber noch recht positiv gestimmt, denn die Welt, die sich da vor mir aufbaute, sah auf den ersten Blick ganz gut aus. West Virginia hat es im Atomkrieg nicht so schwer getroffen, wie beispielsweise das Capitol Wasteland von Fallout 3. Ein Unterschied, den man deutlich an der intakten Flora und so und so intakten Fauna sieht.

Fallout 76, (2018)

So lange ihr nicht wirklich genau hinseht, können die dichte Flora und durch die Blätter huschender Wind von den andererseits matschigen Texturen ablenken. Besonders auf größere Distanzen verkommt die Szenerie zu Brei und warum Fallout 76 noch immer eine aufgebohrte Variante der Gamebryo Engine verwendet, ist mir ein absolutes Rätsel. Die Engine ist so alt, damit wurde Elder Scrolls III – Morrowind gemacht. Es ist daher wenig überraschend, dass eine solche Engine, unabhängig von ihrer Adaption, in 2018 einfach als nicht mehr zeitgemäß gilt. Warum man sich aber doch dafür entschied, sollte mir erst an späterer Stelle klar werden. Bis es allerdings so weit war, stapfte ich von Quest zu Quest und störte mich nur recht wenig an der matschigen Grafik. Denn immerhin waren ältere Fallout-Titel auch keine grafischen Überflieger. Andererseits mussten sie das auch nicht wirklich sein, da eine lebendige Spielwelt, interessante NPCs und der ureigene Fallout-Humor genug waren, um grafische Mängel mehr als aufzuwiegen.

Einsamkeit

Fallout 76, (2018)

Ein Aspekt, auf den Fallout 76 nicht zurückgreifen kann. Die Welt von Fallout 76 hat nämlich keine NPCs. Anstelle von organischen Charakteren, wurden alle Questgeber oder überhaupt jegliches metamenschliche Leben durch zwei verschiedene Arten von Robotern, Computerterminals und Holotapes ausgetauscht. Dadurch sehen Quests häufig so aus: „Triff X in Stadt Y”, „Oh, X ist tot, aber daneben liegt ein Holotape mit Anweisungen”, „Gehe nach dem Hören des Holotapes zum Terminal A”, „Sprich nach der Benutzung des Terminals mit Roboter R” und man ey. Was soll das denn? Spätestens nach genau zwei Quests habt ihr jede Hoffnung aufgegeben, dass ihr irgendwann noch einmal mit irgendwem anderes, als einem Terminal oder Roboter sprechen werdet. Stattdessen wird euer Inventar vor Holotapes nur so überflutet. Irgendwann verliert ihr dann den Überblick darüber, welche ihr schon gehört habt und welche nicht und weil man die Dinger auch nicht pausieren oder vor- und zurückspulen kann, werdet ihr beim Hören dieser Hörbücher gerne mal von einer Ratte oder einem räudigen Köter angegriffen und kriegt dann zwischen Knurren und Geballer nur die Hälfte mit. Ich habe es dann einfach aufgegeben, da ich mir weder 17 Tagebucheinträge an einem Computerterminal durchlesen möchte, noch mich durch einen Turm von Holotapes klicken will, die mich immer nur daran erinnern, dass es in West Virginia nicht eine lebende NPC-Seele gibt. Wobei, da fällt mir gerade genau eine Ausnahme ein. Ich habe einen Super Mutanten getroffen, der mit seiner dicken Kuh als Händler fungierte. Aber eine Quest bekam ich von dem auch nicht. Stattdessen bekam ich nur wieder einen zuviel. Denn auch in 2018 müsst ihr euch noch mit einem Inventarsystem auseinandersetzen, dass an Nutzerunfreundlichkeit kaum zu überbieten ist. Es ist einfach nur grausig, wie man sich durch unzählige Reiter schaufeln muss, um eine dämliche Kartoffel auf den Boden zu werfen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie viel graue Haare ich schon hätte, würde mir das Mausrad zum frenetischen Kurbeln fehlen. Nun mag der gewitzte Leser sagen: „Aber Henrik! Warum bist du denn schon wieder so!? Es gibt doch all die anderen Spieler! Mach doch mal was mit denen!” Da sage ich dann: „Ja, aber nein.”
Die Spielwelt in Fallout 76 ist riesig, also wirklich riesig und das ist etwas, das mir auch wirklich an dem Spiel gefällt. Andererseits können pro Spielwelt scheinbar nur 20 Spieler unterwegs sein und bei einer solch weitläufigen Welt, gepaart mit einem Levelsystem, das bis weit über Level 50 skaliert, gibt es wirklich nur wenige Überschneidungen mit anderen Spielern. Die meiste Zeit werdet ihr einfach alleine rumlaufen. Einzige Ausnahme – ihr bringt Freunde mit in die Welt von Fallout 76.

Freunde

Fallout 76, (2018)

Wer allein in Fallout 76 durch die Welt rennt, den wird die Langweile holen. Bringt ihr allerdings Freunde, dann sieht die Sache etwas anders aus. Ich sage bewusst „etwas”, denn der Mehrwert des Erlebnisses wird nicht unbedingt vom Spiel beigetragen. Ich habe also Illi (Wer meine Streams hin und wieder schaut, der wird Illi kennen) zu mir in die Welt geholt und wir sind gemeinsam auf Erkundungstour gegangen. Ich kann es nicht leugnen – ich hatte auch meinen Spaß mit Fallout 76. Gemeinsam Dinge erleben ist einfach interessanter und Illi kreischend von einer Todeskralle weglaufen zu sehen ist einfach immer gut. Ich glaube, das ist es auch, was sich wirklich viele Fans von Fallout gewünscht haben. Ein ordentliches Multiplayer-Erlebnis. Die Betonung liegt auf „ordentlich”. Wie schön wäre es gewesen, hätte man eine Kampagne, wie beispielsweise die von Fallout: New Vegas zu zweit erleben können. Mit Dialogen, in denen sich beide Charaktere einbringen können, mit Talentproben, in denen man sich gegenseitig aushelfen kann und überhaupt mit einer Neuinterpretation dessen, was jeder an Co-Op liebt und wie es AAA-Studios wie Bethesda eigentlich liefern könnten. Stattdessen kriege ich mich mit Illi an Terminals und Werkbänken in die Wolle, weil die immer nur von einer Person benutzt werden können und auch wenn sammelbare Objekte in Containern und Schubladen individuell zu looten sind, so sind es verwertbare Gegenstände in der Spielwelt nicht. Begehrter Krimskrams, wie Telefone, Kleber und Zahnräder wandern immer nur in das Inventar eines einzigen Spielers. Spielt ihr also gar zu viert, dann gehen drei Spieler zwangsläufig leer aus. Wer also mit dem Gedanken spielt eine komplexere Basis oder aufwendigere Waffenmodifikationen zu bauen, der wird um das selbstständige Farmen besagter Gegenstände nicht umherkommen.

C.A.M.P.

Fallout 76, (2018)

Apropos Basis. Wie schon in Fallout 4, könnt ihr in Fallout 76 auch Gebäude errichten. Das geschieht hier mittels des sogenannten C.A.M.P. Kits. Dabei handelt es sich im Grunde um eine Art Baustation, mit der ihr ein gewisses Maß an Land in Besitz nehmt und dann bebauen könnt. Dazu schmeißt ihr einfach all eure gesammelten Ressourcen in das C.A.M.P. und baut euch dann Stück für Stück euer Traumhaus. Das funktioniert übrigens mit Ausnahme auf das schreckliche User Interface recht gut. Ich mag mir gar nicht die Fingerakkrobatik ausmalen, die man allerdings mit einem Gamepad entwickeln muss, um Objekte zu drehen, heranzuzoomen und genau anzupassen. Was mir hier auch wirklich überaus gut gefiel, war eine andere Neuerung. Überall auf der Weltkarte könnt ihr verschiedene Vorkommen von Ressourcen finden. Zum Beispiel kann es sein, dass ihr auf eine Erzader stoßt, diese dann mittels Extraktor neben eurer Basis belegt und so immer mal wieder seltene Erze einsammeln könnt – einfach so. Leider kam ich aber auch in Sachen Hausbau nicht um Frustration herum. Hatte ich nämlich erst einmal so einen Platz gefunden und bebaut, musste ich mich bei erneutem Login allerdings sehr wundern. Meine Basis war weg und dort wo mein Haus stand, stand auf einmal das Haus von „DogDog1994″. Was ich nämlich nicht wusste und was einem aber auch kein Mensch (und auch kein Roboter) sagt: Eure Basen verschwinden nach dem Logout. Tretet ihr dann einer Session bei, in der bereits jemand anders an genau eurem Bauort ein Haus errichtet hat, dann wird euer Haus einfach als Blaupause ins Inventar verlagert und ihr könnt eure Hütte andernorts aufbauen. Was eigentlich nicht so schlimm klingt, stellte sich aber als absoluter Ungenuss heraus. In meinem Fall hatte ich ein schönes Klumphaus in den Dimensionen 3×3 gebaut und fand dafür eine der seltenen ebenen Flächen. Nun stand ich also da und DogDog1994 hatte mich der Heimat beraubt. So bin ich dann mit der riesigen Blaupause, die ich als Transparent vor mir herschob, durch die Welt gelaufen und habe verzweifelt nach einem Ort gesucht, an dem ich mein Haus neu setzen durfte. „Oh, hier darfst du nicht bauen. Du bist zu nah an einer Stadt”, „Oh, hier darfst du nicht bauen. Ein Objekt hat einen Clipping-Fehler”, „Oh, hier darfst du nicht bauen, weil ein kleiner Ast in die Seite deines Fensters…”. Freunde, meine Zornesfalte war unermesslich. Und das Allerbeste daran ist und ich hoffe, dass ich euch hier viel Frust ersparen kann: Das Spiel scheint neben den Extraktoren nur die von euch auf Fundament gebauten Flächen zu speichern. Meine Farm, meine Generatoren und alles, was nicht auf Fundament stand, wurde mit dem Auftauchen von DogDog1994 in den Nimbus geschickt. Auch wenn ich die Grundidee von der Verlagerung der Basis begrüße, denn immerhin ist Fallout 76 ein Spiel in dem man viel unterwegs ist, ist die Umsetzung derselbigen einfach nur ein Elend vor dem Herrn. Auch ist es unmöglich mit euren Freunden etwas gemeinsam zu errichten, da ihr nicht einfach zwei C.A.M.P.s nebeneinander stellen könnt, um so eure Bauflächen zu verbinden. Nein, Nein. Bei Fallout 76 herrscht mehr Ordnung als in jeder kleinbürgerlichen Schräbergartensiedlung. Jeder muss seine eigene Basis errichten und jeder kann sich auch nur aus den eigenen C.A.M.P.-Ressourcen bedienen. Wer also glaubte gemeinsam Großes erschaffen zu können, der wird eine böse Überraschung erleben.

PvP?

Fallout 76, (2018)

Meine persönlich größte Enttäuschung ist allerdings das „PvP”-System in Fallout 76. Man entschied sich bei der Erstellung des Spiels also dafür, dass es möglich ist andere Spieler anzugreifen. „Okay” , dachte ich mir. „Das wird ja spannend.” Ich habe Rust, Ark, Project Zomboid, 7Days2Die und zig andere Survival MMOs gespielt, um zu erahnen, dass ein vollwertiges PvP zu Mord und Totschlag führen würde. Ich habe mich darauf gefreut! Dann las ich, dass Spieler nur einen Bruchteil des normalen Schadens nehmen, so lange sie potentielle Angreifer nicht ebenfalls attackieren. Mein Lächeln verschwand. “Na gut, dann kann ich ihnen immerhin noch die Bude zerbomben! Und wenn das nicht klappt, dann knall ich sie halt so ab und klau all ihren Kram! Mir doch egal, ob ich die dann zehnmal mehr treffen muss!”. Auch das geht nicht, denn bis auf gesammelten Schrott und fünf Kronkorken verliert ihr nichts. Vermutlich muss bei Bethesda irgendwer mal zu irgendeinem Zeitpunkt auf jemanden wie mich bei Rust oder einem ähnlichen Spiel getroffen sein, um in seiner Wut darüber ein „PvP”-System zu entwerfen, das mit PvP so rein gar nichts zu tun hat. Ich kann es nicht anders sagen und eigentlich will ich es auch nicht anders sagen, aber PvP ist in Fallout 76 ein schlechter Witz. Großangelegte Schlachten um riesige Basen wird es so nie geben, da es weder große Basen gäbe und diese beim Logout eben sofort verschwinden. Kämpfe von Spielern gegen Spielern gibt es ebenfalls nicht, da es dort rein gar nichts zu gewinnen gibt. Nach meiner bisherigen Einschätzung kommt es immer nur dann zu Angriffen, wenn ein Spieler dem anderen aus Versehen in die Schussbahn läuft.

Fallout 76, (2018)

Dann bekommt der Aggressor ein Kopfgeld von 10 Kronkorken, wird fünf Minuten später von jemanden der 30 Level höher ist zersägt und es herrscht wieder gähnende Langeweile. Einzig und allein die neuen Workshops konnten hier etwas Abhilfe leisten. Hierbei handelt es sich um Punkte auf der Karte, wie zum Beispiel einen Schrottplatz, die ihr einnehmen könnt. Habt ihr den Punkt eingenommen und wurdet dabei nicht von anderen Spielern zerschossen, erhaltet ihr Zugriffe auf unterschiedlichste Boni, wie Erzadern oder gar einen Vorrat an Powerzellen. Um diese allerdings einzusammeln, müsst ihr erst einmal Extraktoren, Generatoren und am besten noch ein paar Geschütztürme zu Verteidigung bauen.

Diese wiederum kosten recht viel an seltenen Schrottteilen und animieren nur noch zu mehr Überstunden des einsamen Sammelns von Zeug. Und nicht vergessen: Nach einem Logout könnt ihr den ganzen Kram noch einmal sammeln!

Makel

Fallout 76, (2018)

Man sagte Bethesda ja immer nach, dass deren Spiele nie sonderlich bugfrei wären und mit Hinblick auf Fallout 76 kann ich das nur bestätigen. Ich habe unzählige Bugs, Glitches und manches mal aber auch wirklich ärgerliche Fehler in diesem Spiel gefunden, dass es noch für zehn solcher Absätze reicht. Viele der gefundenen Makel waren zwar eher amüsant, wie beispielsweise irgendwelche Ragdolls, die ihre eigenen Gesetze der Physik in der Spielwelt zu etablieren suchten. Andernorts hatte ich aber auch Bugs, die mir gehörig auf den Zeiger gingen. Wie zum Beispiel eine Ratte, die sich unter das Fundament meines Hauses grub, nur um dort festzuhängen und permanent in meine Türme biss und diese beschädigte. Ich musste dann Teile des Hauses komplett abtragen, um diese dumme Ratte aus meinem Bodenbelag zu kratzen. Mal ganz im Ernst: Ich habe noch nie so viele Glitches in einem Spiel gesehen, wie in Fallout 76. Gegner, die in T-Position in meinem Gesicht aufploppen, eine Gegner-KI, die sich nur schwer von einem komatösen Fasan ohne Beine unterscheidet und überall Ghoule, die ihre Schrotflinten als einen Haufen Einzelteile quer vor der Brust tragen. Und das sind nur die technischen Aspekte! Denn bei bestimmten Designentscheidungen sieht es nur unmerklich besser aus. Zum Beispiel teilen sich alle eure Container in eurer Basis ein Inventar. Selbiges ist aus Gründen der Serverperformance auf ein Gewicht von 400 Einheiten beschränkt. Zum Vergleich: Euer Charakter schleppt in der Regel so ungefähr 200 Einheiten als Obergrenze mit sich rum. Ihr habt also quasi als gesamte Lagerfläche für all euer Zeug etwa nur das doppelte eurer eigenen Tragekapazität. Der Fairness halber: Bethesda hat sich hierzu allerdings bereits geäußert und kündigte baldige Ausbesserungen an. Davon mal ab gibt es so Sachen wie Levelbeschränkungen auf Gegenständen. Ihr findet einen coolen Raketenwerfer? Ja, schade! Ihr seid noch gar nicht Level 30, als könnt ihr den Raketenwerfer nicht benutzten und müsst ihn in euer Inventar legen, was wiederum mit 400 Einheiten sehr knapp bemessen ist. Eine coole Rüstung gefunden? Wieder schade! Du darfst die Lederrüstung nicht anlegen, weil du mit Level 7 noch nicht verstehst, wie eine Level 10 Rüstung zu tragen ist. Während ich mir solche Beschränkungen gut in der realen Welt auf Klamotten von Camp David oder Ed Hardy vorstellen könnte, sind sie in Fallout 76 einfach nur ein Graus. Das Spiel zwingt euch quasi im Dunstkreis der gegenwärtig verfügbaren Waffen zu bleiben und wer auf die Idee käme, sich mit Stärkeren anzulegen oder gar ferne Gebiete zu erkunden, um dafür entlohnt zu werden, der kann es sich direkt abschminken. Und Stärkere gibt es eigentlich auch gar nicht, da 95% der Gegner, die ich bisher traf (~bin ca. Lv. 25 zum Zeitpunkt des Reviews) sind trivial. Ich kann mir dreißig mal von einem Level 20 Ghoul mit der Schrotflinte ins Gesicht schießen lassen und verliere keine Lebensenergie. Bis auf die eine Todeskralle, die ich mal traf, machen Gegner nicht wirklich Schaden und sind daher auch keine Gefahr, sondern vielmehr lästig. Ratten, die außerhalb eures engen Sichtfelds auf dem Boden rum wuseln sind in der Regel eine größere Gefahr als ein Super Mutant mit dicker Knarre. Und habe ich euch schon vom V.A.T.S. in Fallout 76 erzählt?

Fallout 76, (2018)

Das Vault-Tec Assisted Targeting System diente in früheren Fallout Teilen, die anfangs noch rundenbasierte Kämpfe hatten, zur Unterstützung für gezielte Angriffe. Der Kampf wurde unterbrochen und ihr konntet dann bequem zwischen den verschiedenen Trefferzonen eures Gegners ein Ziel für den Angriff auswählen. Tja, was im Singleplayer noch gut klappte, geht im Multiplayer nicht auf. Die Zeit für 20 Spieler anhalten, wenn einer der Spieler sich im Kampf befindet, ist sicherlich keine so gute Idee. Stattdessen ist das Vault-Tec Assisted Targeting System in Fallout 76 eher eine Sache von „Treffer oder kein Treffer”. Anfangs könnt ihr nicht mal bestimmte Trefferzonen anvisieren, sondern seht einfach nur eine prozentuale Trefferchance, die sich aus eurer Entfernung vom Gegner, dem Attribut Wahrnehmung und Schwarzer Magie errechnet. Dann klickt ihr auf die linke Maustaste und entweder ihr trefft oder ihr trefft nicht. Ob ihr dann mit dem Rücken zum Gegner steht ist vollkommen egal. Die Kugeln finden ihr Ziel oder sie finden es nicht. Mit der ursprünglichen Konzeption des V.A.T.S. hat das allerdings aber nichts mehr zu tun. Und jetzt merke ich erst, dass ich vom neuen S.P.E.C.I.A.L.-System noch gar nicht gesprochen habe! Ich will gar nicht groß ins Detail gehen, aber im Grunde könnt ihr nun bis Level 50 jeweils einen Attributspunkt pro Stufenanstieg verteilen und erhaltet dann pro verteilten Attributspunkt ein Set von unterschiedlichen Talentkarten, die die vorher als Perks bekannten Alleinstellungsmerkmale eures Charakters ersetzen und je nach Bedarf variiert werden können. Leider obliegt es aber einer gewissen Chance, ob ihr die gewünschten Talentkarten auch wirklich zum gewünschten Zeitpunkt erhaltet und ich würde mich nicht wundern, wenn man diese Karten einzeln neben kosmetischen Gegenständen schon bald im Echtgeldshop von Bethesda findet.

Fallout 76: Ein mutiges, aber zwangsläufig gescheitertes Experiment

„Ist das noch Fallout?”, fragte ich mich und immer dann, wenn ich wieder mal mit Illi  vom Höcksken aufs Stöcksken kam und lieber eine  nahe gelegene Höhle erkundete, als die Hauptquest zu machen, dann dachte ich:„Ja, so fühlte es sich immer in Fallout an.” Wenn ich dann allerdings in einer Liste von 700 Items nach irgendwelchen bestimmten Gegenständen krame oder meine Base wieder im Nirwana verschwunden ist, dann gehen Wörter über meine Lippen, die mitunter so manchen infernalen Dämon beschwören könnten. Aus technischer Perspektive ist Fallout 76 nämlich ein brennendes Wrack, das so nie hätte das Licht der Welt erblicken dürfen. Von einem AAA-Studio wie Bethesda darf ein Kunde mehr erwarten und das insbesondere dann, wenn es sich um einen solch etablierten Titel mit einem Preisschild von 60,00 EUR handelt. Die Verwendung einer beinahe 20 Jahre alten Engine, die man zwangsläufig in- und -auswendig kennen muss, sollte nicht immer noch dieselben Bugs und Glitches produzieren, die sie seit Jahren produziert. Ohnehin wurden ganze Assets aus früheren Teilen in die Spielwelt von Fallout 76 integriert und wer schon etwas weiter ist, der wird schnell merken, dass sich auch bestimmte Animationen aus Skyrim 1:1 wiederfinden lassen. Vielmehr scheint es mir, als hätte der Aspekt von „Wir müssen unbedingt den Multiplayer Modus reinbringen!” allen anderen Dingen voran gestanden und der Preis, der dafür entrichtet wurde, ist meiner Meinung nach zu hoch. Auch wenn die Welt von Fallout 76 vermutlich die schönste aller Fallout-Welten ist, so ist es auch die leerste und lebloseste. Eine Welt, in der ein Vault in West Virginia zur Einsamkeit verdammte Seelen ausspuckt, die nur über eine schier unendliche Anzahl von Kassetten daran erinnert werden, dass es hier einmal Menschen gegeben haben muss. Wer noch nie Fallout gespielt hat, der kann dieses Spiel durchaus lieben und das meine ich vollkommen ernst. Selbiges gilt für all jene, die noch nie ein Survival MMO gespielt haben. Wer jedoch Fallout seit seiner Entstehung begleitete und weiß, was er an besonderen Charakteren, wechselhaften Dialogen und dem besonderen Fallout-Charme mit diesem Spiel verlor, der wird  höchstwahrscheinlich bitterböse enttäuscht sein. Fallout 76 erinnert im Vergleich eher an einen Multiplayer-Mod von Fallout 4 als an ein eigenständiges Spiel, das von einem AAA-Studio entwickelt wurde.

Und hätte ich einen Wunsch frei, dann hätte ich mir doch lieber das oder das hier gewünscht und sicherlich nicht das oder gar das hier!

Aber was will ich machen? Das Leben ist kein Wunschkonzert und bis es wieder etwas Wünschenswertes gibt, spiele ich halt einsam auf meiner Tuba.

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