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Kommentar – Ich bin Gamer!

von am 29. November 2013
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Lesezeit: 4 MinutenDas Hobby, welchem wir Gamer uns verschrieben haben, scheint seit Anbeginn seiner Existenz an Kontroversität nicht zu verlieren. Und die Debatte, wie sinnig oder unsinnig Videospiele sind, ist schier unermüdlich und bietet Stoff für Populismus und unzählige Studien. Millionen von Wiis in familiären Haushalten weltweit haben zur gesellschaftlichen Toleranz des Ganzen beigetragen. Doch sind damit alle Vorurteile aus dem Weg geräumt?

Viele von uns sind mit Videospielen aufgewachsen und haben sie seither als Teil ihres Lebens angesehen. Ein Hobby, wie es fast jeder dort draußen pflegt. Ob es nun die Eisenbahn im Keller, Musik, Lesen oder eine Ameisenkolonie ist, es gilt das gleiche Gebot wie in der Liebe: Erlaubt ist, was Spaß macht. Warum also wird das Spielen und die damit verbrachte Lebenszeit teilweise verpönt oder belächelt? Unterscheidet sich unser Hobby von anderen Arten der Freizeitgestaltung so stark, dass wir zurecht degradiert werden?

Wer vor der Konsole hockt, verstumpft und vereinsamt

Natürlich schere ich nicht alle über einen Kamm. Hier geht es um Einzelfälle, die mich zum Nachdenken gebracht haben und vor allem ein Wutkloß im Bauch, der sich durch soviel Unverständnis entwickelt hat. Wie oft muss ich noch hören, dass Spiele etwas für ungesund lebende Nerds ohne Freunde oder kindisch sei. Es gibt zu diesem Vorurteil einiges, was klargestellt werden sollte.

Gamer sind nicht zwangsweise Nerds. Nerds sind im Allgemeinen intelligente Wesen, die sich ein hohes Maß an Fachwissen angereichert haben und als isoliert gelten, da durch den starken Fokus auf ihr Hobby die soziale Kompetenz zu kurz gekommen ist. Im Laufe der Jahre ist dieser Stereotypenbegriff auch auf die Gamerschaft und auch in einem gruseligen Ausmaß auf die Modewelt übergeschwappt. Zum Einen verdanken wir den Nerds dieser Welt zahlreiche Erfindungen und Errungenschaften und zum Anderen ist der überwiegende Prozentsatz der Gamer eher Otto-Normalverbraucher und damit nicht automatisch wunderlicher als Nichtgamer. Wir stinken auch nicht ausgeprägter, als so mancher Mensch in einer Großstadt-U-Bahn oder außgerechnet der, der vor dir in der Schlange steht. Aber das sei nur nebenbei erwähnt.

Gamer haben Freunde und zwar eine Menge. Ob nun weltweit im digitalen Sinne oder zuhause auf der Couch für eine gepflegte Muliplayer-Session. Durch Voicechats, Clans und großen Online-Gamingplattformen wird so manch ambitionierter Spieler zum Englischexperten. Denn für das digitale Überleben bedarf es schneller Kommandos und diese müssen im Ernstfall sitzen. In meinem Falle sind es jedoch eher die Freunde auf der Couch, die mein Spieleleben erleuchten. Ich darf, dank talentierter Mitspieler, auf viele bunte Spieleabende zurückblicken und habe mich bester sozialer Unterhaltung erfeuen können. Und ich denke, ich bin nicht die Einzige, die sich so glücklich schätzen darf. Das Einsiedlerdasein von Spielern ist ungerechtfertigt. Man redet ja auch nicht von Abkapselung, nur weil jemand Bücher liest oder lieber zuhause Fernseh guckt, als sich auf Parties einen hinter die Binde zu kippen.

Dann bleibt da noch das hartnäckige Argument, dass Spielen etwas für Kinder sei. Man wäre als Erwachsener zu alt für sowas. Wer sowas sagt, dem sieht man gleich an, dass er sich über das Ausmaß dieser Branche nicht im Klaren ist. Es gibt mittlerweile eine überwältigende Vielzahl an Spielegenres, die jeden Geschmack und jede Sehnsucht bedient, die man sich nur vorstellen kann. An dieser Stelle wünschte ich mir oft, dass das gemeine Volk den gleichen Respekt gegenüber der Arbeit von Entwicklern erbringen würde, wie es den Schauspielern Hollywoods, Autoren oder Künstlern zollt. In meinen Augen unterscheidet sich die Arbeit und ihr Ergebnis nicht wesentlich voneinander. Bei dem Einen kommt ein Spiel, bei den Anderen ein Film/Stück/Kunstwerk heraus. In allen kreativen Projekten steckt Herzblut und viel Zeit und das sollte man immer anerkennen können.

Zeitverschwendung – Machst du auch noch etwas sinnvolles in der Freizeit?

Die Zeit, die man mit einem Hobby verbringt, ist selten für Außenstehende sinnvoll verbrachte Zeit. Man hat währenddessen weder ein Mittel gegen Aids entwickelt, noch hat man den Welthunger besiegt. Aber birgt ein Hobby wirklich die Bedingung, eine ertragreiche Beschäftigung zu sein? Nein, dann wäre es kein Hobby, sondern Arbeit, Bestimmung oder Wissenschaft. Spielen ist für mich Freizeit, Entspannung und vor allem Spaß und das ist, was eine Lieblingsbeschäftigung ausmacht. Es darf gerne mal hohl, primitiv oder völlig verrückt sein, denn das ist die Abwechslung, die ich vom Alltag brauche. Ich lebe gerne in Skyrim, im Mushroomkingdom oder bei den Sims und erlebe mehr Geschichten, als ich zählen kann. Diese Beschäftigung ist auch nicht sinnvoller, als sich stundenlang vor der Mattscheibe zu parken.

Es gibt eine Studie, die ergeben hat, dass das regelmäßige Spielen zu einem Volumenwachstum des Gehirnes führt. Ich bin zwar der Meinung, dass alles, was man exzessiv tut, eine Auswirkung auf den Körper haben muss, aber es wurde in dieser Studie zum ersten Mal bewiesen, dass die Vermutungen stimmen: Videospiele trainieren Hirnregionen. Das heißt nicht nur, dass Motorik und Kombinationsfähigkeit geschult werden, sondern die Behandlung von psychischen Krankheiten wie Schizophrenie könnte neue Perspektiven einschlagen können. Das ist jedoch kein Freischein für übermäßigen Videospielkonsum, denn mit ihm ist es wie mit allen anderen Sachen im Leben. Zuviel ist schädlich. Aber allein dieser Fakt sollte zum Verständnis beitragen, dass man mehr aus diesem Hobby mitnimmt, als es auf den ersten Blick scheint.

Killerspiele

Das böse Wort. Zu diesem Begriff ist alles gesagt und ich erwähne es nur noch einmal, damit ich den Populismus aus dem Einleitungstext erklären kann. Politiker und Fernsehsender, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, verteufeln das große ominöse Ding namens Killerspiele. Shooter, die gewaltverherrlichend auf kleine Halbstarke wirken sollen und sie zur aggressiven Haltung ermutigen. Jeder, der über gesunde Menschenkenntnis verfügt, sollte sich im Klaren sein, dass deutlich mehr als ein Aspekt für Gewaltbereitschaft nötig ist, als das Spielen von Shootern. Sonst hätten wir ja eine Welt voller Amokläufern und wenn wir schon bei hanebüchenden Behauptungen sind… Wieviel Prozent der bewaffneten Amerikanern spielen keine Shooter und ballern trotzdem lustig um sich herum?

Ein Herz für Gamer

Das Einzige, was ich mir von meiner Umwelt wünsche, ist ein kleinwenig mehr Akzeptanz gegenüber meinem Hobby. Es ist meine Art, Abenteuer zu erleben und auf Reise zu gehen. Die Gesellschaft hat sich zwar, nicht zuletzt wegen der familienkompatiblen Wii, einen großen Schritt in die richtige Richtung bewegt, jedoch treffe ich noch auf zuviele Widersacher, die der Wahrheit immernoch nicht ins Auge blicken wollen. Videospiele sind eine Bereicherung und keine Bedrohung. Sie sind (meistens) kleine Meisterwerke, in die sich jeder verlieben kann, wenn er es nur zulässt.

An alle Spielverderber da draußen, öffnet euch und lasst euch die Angst vor der Zeitverschwendung nehmen, sie macht mehr Spaß, als ihr glaubt.

Kommentare
 
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  • MonkeyHead
    30. November 2013 at 00:22

    Sehr schön geschrieben. Wo kann ich unterschreiben?


  • Erunaenia
    30. November 2013 at 12:56

    Ich unterschreib das auch. Was ich interessant bei dem Thema finde ist, dass der durchschnittliche Gamer keine 14 ist, sondern um die 30 und trotzdem (oder gerade deswegen) wird man nicht ernst genommen. Als ich in den USA war, hat es keinen gestört, in Irland finden das auch alle okay und selbst wenn es jemand nicht versteht, kommt da kein Kommentar, sondern wird einfach akzeptiert. In Deutschland muss ich mir dagegen recht oft anhören, warum ich meine Zeit mit Games verbringe.


  • 30. November 2013 at 14:21

    Eben, was läuft hier in Deutschland verkehrt… Stoff für eine Diplomarbeit.


  • MonkeyHead
    30. November 2013 at 14:58

    Ich glaube, dass liegt daran, dass es in Deutschland generell eher konservativ zugeht. Zumindest ist das mein Gefühl.

    Und wenn man sich Berichterstattungen über Spiele ansieht, abseits von den Gamesaffienen Medien, dann ist das oftmals nur halbgares, widergekäutes Wissen. Doch da Frage ich mich dann, von welcher Seite dort kein Kontakt herrscht? Wenn zum Beispiel ARD oder ZDF einen Bericht zum Thema Gaming zeigen, dann sind es meist Menschen die vom Thema keine Ahnung haben, dabei haben beide entweder mit Pixelmacher oder Reload eigene Gamesformate in petto. Da frag ich mich, was da falsch läuft.
    Für mich formt sich Akzeptanz gegenüber einem Thema auch dadurch, dass es Personen gibt, die Ahnung haben.

    Ein viel interessanteres Thema, oder genauso interessant finde ich das Thema Gamer gegen Gamer, also Casual gegen Core, Männer gegen Frauen usw. Ich habe manchmal das Gefühl, dass “Wir Gamer” nur dann zusammen halten können, wenn es gegen unsere Leidenschaft, das Spielen, geht. Ist aber mal kein Interesse vorhanden, dann sucht man sich Feinde in den eigenen Reihen.
    Das ist jetzt natürlich zugespitzt formuliert und ich erhebe keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder gar empirische Befunde, aber es sind Dinge die mir immer wieder auffallen.
    Es ist so ein wenig wie mit einer Band die jemand toll findet, aber keiner kennt und dann landen sie einen Hit der in der Allgemeinheit gut ankommt. Auf der einen Seite finden sie es Schade und Meckern, dass diese Band keiner kennt und nur der Mainstream stattfindet, auf der anderen Seite wird aber jeder Misstrauisch begutachtet, der vielleicht zum Fan wird, weil er über ein Lied auf diese Band gestoßen ist.

    Das war jetzt ziemlich viel, und ich weiß nicht ob das alles noch Sinn und Verstand hat, was ich soeben geschrieben habe. 😀


  • Erunaenia
    30. November 2013 at 15:37

    oder du hast Berichterstattung von Pro7 und RTL, die Mädels auf die gamescom schicken und dann das Klischee vom pickligen, dicken Gamer vermitteln, der noch nie eine Frau gesehen hat. Dass, die Industrie, die größte im Bereich Entertainment ist und die Gründe werden völlig ignoriert.
    Das Problem mit den sogenannten Experten im Fernsehen ist, dass sich eben jeder Experte nennt, der einmal was gesehen oder gemacht hat.


  • MonkeyHead
    30. November 2013 at 15:55

    Naja, dass diejenigen die bisher zum Thema immer befragt werden und wurden (wie ein gewisser Herr Pfeiffer) keine Experten sind. Aber es gibt Menschen die sich professionell mit dem Thema außeinandersetzen, schließlich gibt es ja so etwas wie Gamingjournalismus.


  • Erunaenia
    1. Dezember 2013 at 14:48

    Ich möchte hier gerne zwei Meinungen von Spiegel Online zum Thema neue Konsolen zitieren:
    a) Ich verstehe nicht, wie Menschen, Ihre Lebenszeit, mit solchen Spielen, verschwenden, anstatt das einzige Leben, echte Leben, was sie geschenkt bekamen, zu leben.
    b) Ich kann Ihnen da nur zustimmen. Aber noch weniger begreife ich, dass SPON auch noch Werbung für diesen Müll macht. Anscheinend sind die verantwortlichen Redakteure ähnlich minderbemittelt, wie die Käufer solcher Idiotenspiele.
    Gut, die Rate ist 3 aus 50, aber warum muss man denn was kommentieren, von dem man keine Ahnung hat? Zumindest ich würde das nicht machen…


  • MonkeyHead
    1. Dezember 2013 at 14:56

    Solche Kommentare kann ich nicht ernst nehmen, und somit ignoriere ich sie. Das ist nämlich einfach nur blasphemisch. Wenn es wenigstens einen Grund gäbe, die diese beiden Personen haben, weswegen sie so sehr dem Thema Spiele abgeneigt sind, dann könnte man ja noch die Meinung verstehen. Aber das ist einfach komplett unreflektiert.


  • Andre
    1. Dezember 2013 at 18:13

    Das Thema ist ein Fass ohne Boden. Ich denke zwar schon, dass das Medium Videospiel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung schon Fortschritte gemacht hat. Im Spiegel oder in der Welt gibt es mittlerweile ernst zunehmende Rezensionen von Videospielen (Die es teilweise sogar besser verstehen Videospiele als Kunst anzusehen als einschlägige Journalisten in der Branche.). Selbst Arte oder 3sat zeigen oft anspruchsvolle oder unterhaltsame Berichte über das Medium und ich denke vor 10 Jahren wäre das so noch nicht möglich gewesen.
    Leider tut man sich in Deutschland allgemein etwas schwierig mit dem Thema Videospiel. Lisschen Müller von neben an denkt halt immer noch (weil sie vermutlich keinen Spiegel liest oder Arte schaut) : “Das wäre ja für Kinder”. Diese fatale Annahme führt dann in der Folge dazu, dass Diskussionen über Gewalt in Videospielen meist ins populistische abdriften, das ist aber nochmal ein anderes Thema.

    Auf der anderen Seite denke ich aber auch das man den Begriff “Gamer” nicht verallgemeinern kann. Bei Filmen gibt es ja auch unterschiedliche Konsumenten und es gibt nicht den “Filmschauer” oder den”Cineasten”, nur weil jemand gerne Filme schaut. Wenn ich mir Abends zuhause sage: “Ach. im TV kommt nichts. Ich spiele es jetzt lieber noch etwas anstatt mir einen Film anzuschauen”, dann werde ich vermutlich eine hörere Akzeptanz erfahren als wenn ich rund um die Uhr spiele. Wenn ich Leuten, die von Videospielen gar keine Ahnung haben, Heavy Rain oder Walking Dead zeige, werden die vermutlich auch anders reagieren, als wenn ich ihnen gerade zeige wie ich sinnlos 10000 Monster abschlachte . Das ist ja auch bei Büchern, Comics, Musik oder Filmen nicht anders.

    Also ich persönlich habe in meinem Umfeld in den letzten Jahren sehr gute Erfahrungen gemacht . Selbst wenn es nur die Antwort war “Ja das Game XY habe ich früher mal mit einem Bruder gezockt”. An meiner Uni wird mittlerweile in Geschichtskursen kontrovers aber fair und sachlich über das Geschichtsverständnis in Videospielen diskutiert . In einem anderen Uni Kurs wird das Videospiel “The Last of US” behandelt.


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