0 Kommentare

EA zieht gegen die USK vor Gericht

von am 6. November 2010
 

Lesezeit: 3 MinutenIn Deutschland kann man derzeit zwei verschiedene Versionen des Kriegs-Shooters Medal of Honor kaufen. Die deutsche Version, die von der USK ab 18 Jahren freigegeben wurde und die PEGI-Version, die man unterm dem Ladentisch bekommt. Letztere bekommt man auch im europäischen Ausland. Bis hierhin eigentlich alles normal. Publisher Electronic Arts auch die europäische Version der USK zur Prüfung vorgelegt hätte. Und die Konsequenz daraus? EA zieht gegen die USK vor Gericht.

Martin Lorber, PR Director und Jugendschutzbeauftragter bei Electronic Arts fasst den Fall zusammen:
“Parallel zu der deutschen Version von Medal Of Honor hatten wir bei der USK auch eine Alterskennzeichnung ‘freigeben ab 18 Jahren’ der PEGI-Version von Medal Of Honor beantragt. Heute wurde die Entscheidung gefällt, die PEGI-Version nicht zu kennzeichnen. Wir können diese Entscheidung nicht nachvollziehen und werden nun rechtlich dagegen vorgehen.”

Weiter sagt er im Gespräch mit den Kollegen von GamesMarkt.de:
“Bei der Entwicklung des Spiels haben wir großen Wert auf eine möglichst realistische, filmartige Darstellung gelegt. Die filmähnliche Grafik präsentiert sich detailreich und beschönigt den Kriegsalltag in keiner Weise. Die Hintergrundgeschichte, in die der Spieler in besonderer Weise eingebettet ist, problematisiert vielmehr das Kriegsgeschehen. Zunehmend zweifeln die Soldaten am Sinn der Befehle, die sie auszuführen haben. Das Spiel folgt der Tradition filmischer Umsetzungen der Kriegsthematik wie beispielsweise ‘Soldat James Ryan’ oder ‘Inglorious Bastards’, die mit teilweise sehr drastischen Gewaltdarstellungen arbeiten. Vor diesem Hintergrund ist die Nichtkennzeichnung in unseren Augen nicht nachvollziehbar. Hier wird schlicht mit zweierlei Maß gemessen.”

Warum geht es hier eigentlich?
Um “freien Handel” sicherlich nicht. Denn die PEGI-Version von Medal of Honor verkauft sich in Deutschland ziemlich gut. Man darf vermuten, dass jedes dritte in Deutschland verkaufte Exemplar eine PEGI-Version ist. Und verboten ist daran auch nichts, denn in Deutschland dürfen nicht gekennzeichnete Spiele genauso an Erwachsene verkauft werden, wie indizierte Spiele. (Siehe Infobox am Schluss des Artikels).

Selbst dann, wenn die PEGI-Version von Medal of Honor in Deutschland indiziert wird, hat Electronic Arts keinerlei finanzielle Einbußen zu befürchten. In der Regel vergehen mehrere Wochen bis Monate, bis ein Indizierungsverfahren eingeleitet wird. Bis dahin ist der Markt längst gesättigt.

Wenn es also darum nicht gehen kann, warum zieht Electronic Arts nun vor Gericht?
Eine eher unwahrscheinliche Möglichkeit ist, dass Electronic Arts auf Publicity aus ist, um im Weihnachtsgeschäft noch ein paar Exemplare mehr an den Mann zu bringen. Das wäre allerdings ein gefährliches Vorhaben, da der Schuss auch nach hinten losgehen könnte.

Wahrscheinlicher hingegen ist, dass Electronic Arts mit diesem Schritt einen Präzedenzfall schaffen will. Bisher ging nämlich noch kein Publisher gerichtlich gegen eine Kennzeichnung, oder in diesem eine Nicht-Kennzeichnung vor. Dafür gibt es eigentlich das Widerspruchsverfahren im USK-Prüfungsprozess, dass einem Publisher die Möglichkeit bietet, ein Spiel, dem eine Alterseinstufung verweigert wurde zu verändern und erneut vorzulegen. So kann ein und derselbe Titel bis zu drei Mal vorgelegt werden. Die selben Instrumente können auch der Beirat des Prüfungsverfahrens, sowie der ständige Vertreter der obersten Landesjugendbehörden, der stellvertretend für alle Bundesländer der USK vorsitzt, wahrnehmen.

Der jetzige Gang vor das Verwaltungsgericht könnte Konsequenzen nach sich ziehen. Gewinn Electronic Arts den “Medal of Honor-Fall” könnte das die Altersfreigabe durch die USK dahingehend verändern, dass Kriegsspiele zukünftig unter dem Deckmantel der “dokumentarischen” Erzählweise geringer eingestuft werden. Außerdem würde wohl jeder Publisher sofort vor Gericht ziehen, sobald die USK einem Spiel eine Alterseinstufung verweigert. Das wiederum hätte Auswirkungen auf die Indizierungsverfahren.
Spinnt man den Gedanken weiter, müsste eine vom Gericht erzwungene, nachträgliche Kennzeichnung auch eine Indizierung rückgängig machen.

INFOBOX
Eigentlich ist unser Jugendschutzsystem ganz einfach. Hersteller X reicht Spiel Y bei der USK ein, damit es eine Alterseinstufung erhält. Dann wird das Spiel dort getestet und dem Prüfungsgremium vorgestellt, bevor es seinen USK-Aufkleber erhält. Wird einem Spiel eine Alterseinstufung verweigert sieht das Prüfgremium, das nach einem präzisen Regelwerk arbeitet, die Gefahr, dass das Spiel indiziert werden könnte.
Die Indizierung erfolgt nicht durch die USK, sondern durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (kurz BPjM). Wurde ein Spiel dort eingereicht, um ein Indizierungsverfahren eingeleitet, wird es eingehend auf bestimmte Sachverhalte geprüft. Werden im Spiel verfassungsfeindliche Symbole verwendet? Und wie steht es mit dem Gewaltgrad? Liegen menschenverachtende oder die Würde des Menschen herabsetzende Handlungen vor? Wird dem Antrag stattgegeben, landet das Spiel auf dem Index und ist somit immer noch in Deutschland käuflich zu erwerben. Allerdings unter dem Ladentisch, denn indizierte Ware darf nicht öffentlich beworben werden oder offen ausliegen. Aber sie ist nicht verboten.

Geht ein Prüfungsverfahren so aus, dass das Spiel nicht indiziert wird, kann Hersteller X Spiel Y wieder bei der USK einreichen.
Da nun die Indizierungsgefahr nicht mehr besteht kann es sein, dass ein Spiel nun eine Altersfreigabe erhält.
Ein Spiel, welches bereits eine USK-Einstufung hat kann nicht auf dem üblichen Weg indiziert werden.

Sei der Erste, der kommentiert!
 
Kommentiere »

 

Du musst eingeloggt sein zum kommentieren