Lesezeit: 6 MinutenIn unserer neuen Rubrik “Alte Liebe rostet nicht” erfüllen wir einen Bildungsauftrag. Keine Angst, hier wird nicht mit Klugscheißerwissen geglänzt (zumindest nicht mit Absicht) und auch kein dröges Wissen vorgekaut. Nein, es dreht sich alles um Spiele, die zu Recht (oder weil ich mir das so zurecht gelegt habe), in die Kategorie „Klassiker“ fallen. Titel, die ich oder die Gamermehrheit früher Spitze fand und die jetzt noch einmal auf dem PC installiert werden.
Warum machen wir das? Zum Einen, um vergessene Perlen und von der Presse zurecht hochgejubelte Titel einer neuen Generation von neugierigen Gamern vorzustellen und um selbst herauszufinden, ob die Spiele nach all den Jahren noch immer so sind, wie man sie in Erinnerung hat. Eine Antwort auf die Frage: Alte Liebe, die nicht rostet…oder verklärte, sentimentale Erinnerung?
Der erste Kandidat ist in diesem Monat Psychonauts. Ein Spiel aus dem Hause Double Fine, gegründet von Branchen-Urgestein Tim Schafer, der gerade zusammen mit Ron Gilbert mit The Cave ein neues Adventure veröffentlicht hat. Beide kennt man auch durch die alten Monkey Island-Spiele. Während The Cave mit durchwachsenen Ergebnissen bei der Presse zu kämpfen hat, war im Jahre 2005 die Medienwelt von Psychonauts jubelschreiend begeistert. Nur leider schien der durchschnittliche Kunde die Lobhudeleien wohl nicht gehört zu haben. Die Verkaufszahlen blieben unter den Erwartungen. Der “Electronic Gaming Monthly 2005 Award” in der Kategorie „Best Game No One Played“ ist nur ein Zeichen hierfür. Das Studio gab die Schuld daran dem Publisher, der „keine Ahnung hat, wie man ein solches Spiel vermarkten muss“. Gut, da kann man jetzt nicht viel dazu sagen, denn THQ hat wohl in letzter Zeit aus einigen Fehlern lernen müssen.
Worum gehts?
Razputin will ein Psychonaut werden. Sein Vater, der die sogenannten PSI-Kräfte des Sohnes nicht anerkennen will, verhindert das erfolgreich…bis Raz von zuhause ausbüchst und heimlich am Psychonauten Sommerlager teilnimmt. Seine Lehrer erkennen schnell sein Potenzial, denn er kann ziemlich einfach in die Gehirne anderer Menschen eintreten. Die Sache wird allerdings rasch ernst, als die anderen Kinder plötzlich zu gehirnlosen Robotern werden, die nicht mehr für das Gute kämpfen, sondern ihr Faible für das Fernsehprogramm entdeckt haben. Raz muss sich nun auf die Suche nach den Gehirnen und dem Bösewicht, der dahinter steckt, machen.
Sentimentale Erinnerungen
Wenn ich an Psychonauts denke, dann erinnere ich mich vor allem an den Humor, der auch in der deutschen Übersetzung gut umgesetzt war, an kunterbunte Levelwelten, denen es an Abwechslung sowohl im Setting, wie auch im Ablauf nie fehlte. Eine Mischung aus Jump’n’Run, Adventure und Einschlägen aus dem Rollenspiel. Damals, wie auch heute, waren Jump’n’Run für den PC nicht gerade im Überfluss vorhanden. Es gibt Level, an die erinnere ich mich, als ob ich sie gestern gespielt habe, ich weiß noch genau, welche ich nervig fand (Glorias Theater ist ein gutes Beispiel hierfür, nervige Sprungeinsätze und ein noch nerviger Endgegner) und welche mich an besonderen Stellen begeistern konnten (Lungenfisch-City, eine Stadt voller Fische auf zwei Beinen, deren Widerstand sich gegen das Böse revoltiert und deren Anführer ein hässlicher Fisch namens Linda ist – das versteht man nur, wenn man den Fisch gesehen hat und die Geschichte kennt). Das ist selten. Oft spielt man Spiele durch, ohne alle Einzelheiten wahrzunehmen. Psychonauts ist das absolute Gegenteil davon. Ich weiß aber auch nur zu gut, dass die Steuerung auf dem PC mich damals schon mehr als ein paar Nerven gekostet hat, ungenaue Sprünge, die nervige Kamera (obwohl frei justierbar nie wirklich überzeugend). Eigentlich litt Psychonauts damals wie viele andere Spiele genau an diesen Punkten und viele der heutigen Titel können sich da noch einreihen.
Für mich war damals schon nicht ganz klar, welche Zielgruppe das Spiel eigentlich ansprechen soll. Die Tendenz liegt wohl eher bei Erwachsenen, obwohl es aufgrund der farblichen Gestaltung und Elementen, wie der Zusammenführung einer Sporttasche mit ihrem Sporttaschenanhänger (als geistiger Müll im Spiel deklariert), wohl eher an Kinder als potentielle Spieler erinnert. Die Bösewichter sind größtenteils genauso knuddlig gestaltet, wie die restlichen Charaktere oder haben zumindest Merkmale, die sie als nicht ganz so gefährlich ausweisen. Während man durch die Level jagd, musste man zudem Trugbilder einsammeln, Bilder, die überall verstreut sind und bei denen man ein Level aufsteigt, sobald man 100 Stück gefunden hat. Das alles sind meine Erinnerungen und wie man merkt, sind diese im Grunde alle positiv besetzt.
Und heute?
Wenn ich heute Psychonauts spiele, dann hat sich in den letzten Jahren nichts, aber gar nichts in meiner Meinung verändert. Die Grafik ist erstaunlich gut gealtert (nur den Zwischensequenzen sieht man das Alter wirklich an), der Humor ist heute noch lustig (vergessen hatte ich allerdings, dass Razputin und Bart Simpson sich den Sprecher teilen) und die Milchmannverschwörung gehört definitiv auch im Jahre 2013 noch zu den besten Level, die die Spielewelt gesehen hat. Eine abgedrehte, auf den Kopf gestellte Spielwelt, mit Agenten, die verzweifelt auf der Suche nach dem Milchmann sind und sich deswegen mehr schlecht als recht getarnt haben. Während die eine Gruppe als Bauarbeiter arbeite, die nächste Hecken schneidet, während eine andere Kuchen backt, das sucht schon seinesgleichen. Um an ihnen vorbeizukommen ist Tarnung gefragt und die macht das Ganze noch absurder. Nicht nur dieses Level, sondern das komplette Spiel ist abgedreht, strotzt vor komischen Charakteren und obwohl es auf den ersten Blick eher in Richtung niedlich und kindisch erscheint, ist der Titel eindeutig für Erwachsene gemacht worden. Ich glaube nicht, dass es richtig wäre Kinder auf die Suche nach Gehirnen zu schicken.
Wir hüpfen durch das Sommerlager und die Level, lösen teilweise recht tricky Rätsel und wenn wir ausreichend erfolgreich waren, steigen wir in unseren Fähigkeiten auf. 22 total unterschiedliche Missionen, PSI-Fähigkeiten (von Dinge in Brand stecken, Telekinese hin zur Unsichtbarkeit ist alles dabei) und bis heute verbindet es gekonnt unterschiedliche Genre miteinander. Immer noch sind es die gleichen Abschnitte, die ich hasse und dieselben die ich immer und immer wieder spielen möchte. Also haben entweder meine Gaming-Fähigkeiten keine Spur zugenommen was Sprünge und bestimmte Hand-Augen-Koordinationen angeht oder es liegt einfach am Spiel. Die Kamera habe ich zwar mittlerweile besser im Griff als damals (also kein Controller notwendig), dennoch lebt mein PC hin und wieder gefährlich, weil ein Sprung schon wieder daneben ging, ich deswegen ein wertvolles Leben verloren habe, dass ich nur sehr schwer und mit viel Mühe zurückerhalten werde.
Psychonauts ist über Steam erhältlich, was eine Installation natürlich vereinfacht, den Titel von der Original-CD zu installieren macht zumindest auf Windows 7 keine Probleme. Also ein weiterer Pluspunkt.
Fazit: Rostet oder nicht?
Es ist eindeutig: Hier spielt mir meine Erinnerung keinen Streich. Der Titel kann heute noch genauso gut überzeugen wie im Jahre 2005. Selbst nach mehrmaligem Spielen kommt keine Langeweile auf. Für alle, die den Titel bisher noch nicht in der Sammlung haben, wird es Zeit. Kaufen! Und an Tim Schafer sei die Nachricht vermittelt: Es wird Zeit für ein Psychonauts 2! Egal ob Notch nun die Finanzierung teilweise übernimmt oder nicht. Lieber hiervon einen zweiten Teil, als von The Cave.