Lesezeit: 6 MinutenDas ist so eine Sache mit Mario Party. Eigentlich fing diese Beziehung ganz gut an. Es gab jede Menge Feten, wir hatten Spaß. Doch ihr wisst, wie das läuft. Je mehr es zu feiern gab, desto weniger gab es zu entdecken. Es wurde nach einer Weile echt langweilig. Die letzte Feier war lausig. Wir saßen in einem Auto und mussten statt großer, praller Sterne jede Menge Ministerne schlucken. Das war bitter. Und jetzt wurde ich drei Jahre nach dieser vergeigten Fete wieder kontaktiert. “Hey Johannes. Ich weiß, wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Aber es ist verdammt nochmal zehntes Jubiläum. Sogar Bowser kommt vorbei. Würde mich echt freuen. Ciao, dein bester Kumpel Mario.” Ich blickte besorgt auf meinen Terminkalender, denn ich hatte noch nichts vor.
High Definition Party
Es ist in etwa so, wenn euer bester Freund eine echt miese Hochzeitsfeier geschmissen hat und euch Jahre später zur Taufe einlädt. Natürlich ist man da skeptisch. Ich klopfte also vorsichtig auf den Start-Button und das virtuelle Wii U-Fenster mit dem Mario Party 10-Schriftzug öffnete sich. Der erste Eindruck war gar nicht mal so übel. Alles in HD, das gabs noch nie. Schön bunt war es ja schon immer in der Mario-Partymeile, aber so scharf habe ich Rosalina noch nie gesehen. Heiße Schnitte, aber zu hohe Ansprüche für meinen Geldbeutel. Ich schweife ab. Ohne viel Bling-Bling kann ich direkt im Hauptmenü entscheiden, welcher Partyraum es sein darf. Im Mario Party-Modus sehe ich auf den ersten Blick das gleiche Elend wie in Teil neun. Vier schrille Typen auf Achse in einem bunten Gefährt, welches wie aus Marios Drogenfantasien zusammengeschustert worden zu sein scheint. Zum Aufwärmen wage ich mich aber trotzdem in diesen Spielmodus, vielleicht wird dieses Mal bessere Musik gespielt.
Schlichte Menüführung
“Ohne Wiimote kommst du hier nicht rein.” grummelte der dicke Affe mit der roten Krawatte. Ich zückte gelassen meine alte Fernbedienung, die mich seit zehn Jahren begleitete. Stets geladen mit zwei AA-Patronen lieferte sie mir bislang immer gute Dienste. Fühlt sich zwar irgendwie ein wenig Last Gen an, aber was solls. Jeder Gast auf der Party hatte irgendwo noch so ein Teil daheim rumliegen und kam durch die Tür. Ein wenig frech finde ich es aber schon, das der Gastgeber vorraussetzt, dass wir die alten Keulen noch aufgehoben haben. Aber was soll man von einem Hersteller, der 3DS-Netzteile separat verkauft, noch erwarten. Knarzend ertönte der Sound aus der Wiimote, als ich mir einen von zehn Tanzpartnern aussuchen durfte. Zwei geheime Spielfiguren können zusätzlich erspielt werden, was zum Glück gar nicht so schwer ist. Überhaupt freut mich, das praktisch alles Wichtige bereits zur Auswahl steht, bzw. schnell freigekauft werden kann. Alle fünf großen Spielbretter können gleich gespielt werden. Pilzpark, Spukpfad, Bizarro-Riff, Luftschiffhafen und Chaosschloss sollten also die Tanzflächen der kommenden Stunden heißen. Als ich mich durch die ganzen Menüs klicke, fällt mir die unfassbar schlichte Präsentation auf. Ohne Schnörkel, lustige Animationen und dergleichen kommt das neueste Mario Party mit der bislang unspektakulärsten Menüführung der gesamten Serie daher. Hier wurde auf das Essentiellste reduziert, was man auch beim Spielablauf merkt. Die Fahrstuhlmusik pfeife ich trotzdem schon mit. Verdammte Ohrwürmer, das hat Nintendo schon immer gekonnt.
Tut, tut, hier kommt das Partymobil
Krankte Mario Party 9 noch mit nervigen Unterbrechungen wie Wiimote-Bestätigungen, Ladezeiten und langatmigen Sequenzen, schaltet Mario Party 10 gleich mehrere Gänge höher. Alles wirkt hier einfach flüssiger, direkter und besser durchdacht. Über die ganze Konzeptänderung mit dem Auto aus Teil neun kann man sich zwar immer noch streiten, aber insgesamt wurde das erneut angewandte Spielsystem hier sauberer umgesetzt. Die Spielbretter sehen nicht nur besser aus, sie bieten zudem auch mehr Abwechslung und unterscheiden sich in ihrer Art durchaus stärker voneinander, ohne das grundlegende Konzept zu verändern. Mit schlanken 30 Minuten ist eine Runde Mario Party 10 auch schnell durchgespielt und artet nicht in langwierigen Sternschlachten aus wie damals. Die Autos werden abwechselnd befahren und der Spieler am Zug sackt die gewinnbringenden Ministerne auf dem Weg ein. Das Item-Repertoire ist wieder so aufgeräumt wie im Vorgänger: Mehr wie Würfel mit spezieller Augenanzahl gibt es hier nicht zu entdecken. Für Einsteiger sicherlich die bessere Variante. Neu ist, dass Bowser ständig auf dem Gamepad-Screen lauert und ausbricht, sobald jede Augenzahl einmal gewürfelt wurde. Dann gibt´s Ärger, denn haufenweise Bowserfelder erscheinen dann auf dem Spielbrett machen euch das Leben schwer. Ab und zu dürft ihr in gewohnter Mario Party-Manier ein Minispiel gegen eure Mitspieler spielen, um mehr Ministerne zu verdienen.
Mehr Minispiele für mehr Ministerne
Die Minispiele sind diesmal deutlich einfallsreicher wie in der letzten Episode und machen einen Großteil des Spielspaßes aus. Über Wiimote-Action, Reaktionstests, Glückspiel oder Memory-artigen Varianten wird jeder Spielernatur etwas geboten. Wirklich anspruchsvoll ist keines der Minispiele, aber für eine gepflegte Aufregung unter mir und meinen Mitspielern sorgte bislang jede Runde. Zugegeben hängt über Sieg oder Niederlage auch jede Menge Würfelglück ab, was dem spielerischen Witz einer Runde Mensch-ärgere-dich-nicht gleichkommt. Aber Mario Party wäre nicht Mario Party, wenn der Sieger gleichzeitig der beste Spieler der Runde war.
Bowser is in da house
Mario hatte nicht zuviel versprochen. Im Nebenraum stieg noch die “Bowser-Party”, ein komplett neuer Spielmodus. Sogar fünf Spieler durften eintreten, das konnte ja heiter werden. Hier änderte sich schlagartig das Regelwerk. Einer war Bowser, der Rest suchte das Weite. Blöd nur, das Bowser vier Würfel gleichzeitig würfeln darf und somit gute Chancen hat, allen Spielern eins auszuwischen. Sobald Bowser den Rest vom Schützenfest eingeholt hat, müssen sich die Spieler gemeinsam gegen den Bösewicht behaupten. Hier kommt auch das exklusive Wii U-Feature zum Tragen: Während die Gejagten wie gewohnt auf dem TV-Bildschirm unterwegs sind, sieht der Spieler auf dem Gamepad-Screen die Dinge aus der Sicht der Riesenschildkröte. Unter den Mitspielern wurde schnell deutlich, dass es offenbar eine Menge Spaß macht, ein Bösewicht zu sein. Ziel der Bowser Party ist, lebend ans Ziel zu kommen. Verspielt man alle Herzen in den erbarmungslosen Bowser-Minispielen, ist die Hetzjagd vorbei. Die Bowser Party ist gerade mit fünf Spielern ein großer Spaß und meines Erachtens das größte Highlight von Mario Party 10!
amiibo im Gepäck?
Im Partykeller sah ich noch eine unscheinbare Tür mit aufgeklebten Zettel an der Tür: “amiibo Party”. Vorsichtig öffnete ich die Tür und ein trauriger Mario-amiibo blickte hoffnungsschwanger auf. “Willst du mit mir spielen?” klang es unter seinem Schnauzbart hervor. Verlegen, aber auch bemitleidend durchsuchte ich meine Hosentaschen. Allerdings konnte ich außer meiner Mario-Figur keine weitere ammiibo-Figur finden. Sind ja auch nicht ganz billig, die Dinger. Nun gut, ich tat Mario den Gefallen und spielte mit ein paar “Nicht-amiibo”-Charakteren auf seinem Spielbrett. Abhängig vom ausgewählten amiiboo verändert sich auf dieser Party nämlich das Spielbrett. Hört sich cool an, ist aber bei dem schlichten Design des Spielbretts wohl auch keine große Kunst. In einem großen Rechteck lauft ihr ständig im Kreis die Felder ab und staubt wie in guten Alten Zeiten für 20 Tacken große Sterne ab, welche über Sieg oder Niederlage entscheiden. Ich will ja nichts gegen den Modus sagen. Wenn jeder seine eigene Figur mitbringt und diese zufällig auch noch unterschiedlich sind, kann das schon ganz lustig werden. Aber nervig ist es trotzdem, ständig sein amiibo zum Würfeln oder dergleichen auf das Pad zu stellen.
Der harte Kern
Es war schon nach vier Uhr, in wenigen Stunden dämmerte es bereits. Es gab noch ein paar Drinks, die ich noch nicht probiert hatte. Kleine, nette Minigames und Modi, die sowohl alleine als auch für mehrere Mitspieler gemixt wurden. Aber das sind auch nur Tropfen auf ´nem heißen Stein. Für den Kick für den Augenblick sicherlich gut, aber genauso schnell vergessen wie angewählt. Ich sah die letzten Gäste gehen und denke mir, wie praktisch jetzt ein Online-Modus gewesen wäre. Aber Mario feiert nicht gerne außerhalb der eigenen Couch. Ehrlich gesagt glaube ich, dass er öfters mal die Nähe zu Prinzessin Peach sucht. Sei es ihm gegönnt, dem alten Rohrverleger.
Fazit: Nach der Party ist vor der Party
Ich machte mich auf den Weg nach Hause und dachte über das Erlebte nach. Minispiele sind wie Partygäste, findet ihr nicht auch? Manche sind ganz cool, manche sind nicht so cool. Insgesamt war es aber ein netter Abend und ich schaue zur nächsten Party vielleicht auch wieder rein. Ansonsten bleibt nur zu sagen, dass Mario Party 10 auf keinen Fall was für Solospieler ist. Ein paar Freunde sollten euch zur Feier begleiten. Einige davon werden vielleicht sagen: “Mario Party? Das war doch mal der Club, der einst cool war. Wirklich flott wird da schon lange nicht mehr getanzt.” Keine Panik, zur Not reicht vielleicht auch der Gang in die Videothek und ihr habt alles Wichtige gesehen. Probiert es ruhig selbst mal aus, denn Mario Kart 8 und Super Smash Bros. Wii U alleine machen auch nicht glücklich.