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Kingdom Come: Deliverance – Das Fast-Meisterwerk

von am 22. März 2018
DETAILS
 
Für Fans von:

Dragon Age, Mount & Blade, The Witcher 3

Amazon-Link:

amzn.to/2mKEQr9

Pluspunkte

+ große, wunderschöne Welt
+ toller Soundtrack
+ absolute Freiheit
+ gute Sprecher
+ viel zu tun
+ dichte Atmosphäre

Minuspunkte

- noch viele Bugs und Glitches
- unausgereiftes Kampfsystem
- Kameraprobleme
- schwache Story
- Tiere schlecht animiert
- lange Ladezeiten (PS4)

Editor Rating
 
GAMEPLAY
7.0

 
GRAFIK
9.0

 
SINGLEPLAYER
8.0

 
MULTIPLAYER
10

 
SOUND
9.0

Gesamt-Wertung
8.0

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GAMEPLAY
8.0

 
GRAFIK
9.0

 
SINGLEPLAYER
8.4

 
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8.1

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Lesezeit: 5 MinutenGott, ist das lange her – Ende 2013 wurde Kingdom Come: Deliverance angekündigt und damals noch durch eine Kickstarter-Kampagne unterstützt, bevor Koch Media als Publisher einstieg. Warhorse Studios, das tschechische Entwicklerstudio hinter dem Mittelalter-Epos hatte bereits damals seine Ambitionen hoch gesteckt und viel versprochen. Was davon erfüllt werden konnte, erfahrt ihr in den nächsten Zeilen.



Das Mittelalter lebt!

Wir beginnen unser Abenteuer im malerischen Mittelalter als der Schmiedesohn Heinrich, welcher sich auf die epische Reise begibt… um ein Schwert zurück zu bringen. Hm. Na gut, man muss ja nicht immer in den ersten fünf Minuten von einem Drachen angegriffen werden – Grüße an Skyrim und Dragon Age – es kann auch erstmal etwas ruhiger losgehen. Eine unserer ersten epischen Aufgaben ist es, mit unseren Freunden den lokalen Säufer wegen Schulden zu vertrimmen und das Haus eines Deutschen, der schlecht über unseren unnützen König spricht, mit Kot zu bewerfen. Ähm, okay.

KCD geht das Fantasy-RPG-Genre vollkommen anders an. Zuallerst streicht es den “Fantasy”-Aspekt. Hier gibt es keine Drachen, Magie, Hexen, Orks, Superkräfte oder Riesen. Man steckt im 15. Jahrhundert fest und erlebt den damals herrschenden Konflikt in Böhmen fast detailgetreu mit. Vom unbedeutenden Lehrling zum wahren Ritter ist es ein langer, beschwerlicher und (leider) verbuggter Weg.

Was als Erstes auffällt, ist die fantastische Inszenierung dieser Epoche: man fühlt sich wirklich wie ein Bewohner dieser Grafschaft, läuft durch das Dorf, wird von jedem noch so unwichtigen NPC gegrüßt und kann ein Schwätzchen halten. Man erfüllt, wie anfangs beschrieben, simple Aufträge, lernt das Kampfsystem anhand von Holzschwertern kennen, besucht seine Geliebte in der örtlichen Taverne und verliert sich in der wunderschönen Welt Skalitz… welches noch im (relativ langen) Prolog überfallen und abgefackelt wird. Na ja, einige RPG-Klischees mussten dann doch sein. Von da an bestreitet der Spieler mit der Hauptfigur viele große und sehr viele kleine Momente, die das Mittelalter-Feeling einfangen wie kein Spiel zuvor. Wenn das Spiel problemlos läuft, ist die Immersion immens.

Mittelalter bedeutet Pest

Wenn da nur dieses “wenn” nicht wäre. Kingdom Come: Deliverance ist nämlich trotz zwei relativ großen Patches immer noch stellenweise eine bugverseuchte Baustelle. Dass die Gespräche nicht immer lippensynchron sind – geschenkt. Dass die Gespräche mittendrin und ohne unser Zutun abbrechen – weniger gut. Immer wieder begegnen dem Spieler verschiedene Glitches. Nicht selten versuchen NPCs oder Pferde eins mit den Zäunen und Mauern zu werden, zuweilen plagen das Spiel auch diverse Clippingfehler. Größere Schnitzer wie fehlerhafte Quest-Auslöser wurden aber mittlerweile behoben, daher ein relativ problemloses Durchspielen möglich – auch wenn die Performance, sowie die Ladezeiten auf der PS4 definitiv besser sein könnten.

Doch vergessen wir für einen Moment die Bugs. Was gibt es in Böhmen zu tun? Eine Menge, wenn man sich darauf einlässt. Neben den stimmigen Hauptquests gibt es einen Haufen mehr oder weniger interessante Nebenaufgaben, wovon die wenigsten kampfbasiert sind. Was im ersten Moment befremdlich klingen mag, ist auf Grund des wirklich unglücklich geratenen Kampfsystems sogar als Glücksfall zu sehen. Im Gegensatz zu vielen anderen RPGs kloppt man nicht in Hack-and-Slay-Manier auf die Gegner ein bis sie umfallen, sondern bekommt ein Kampfsystem serviert, welches an eine verhunzte Version von Chivalry: Medieval Warfare erinnert. Mit dem rechten Analogstick wählt man die Körperstelle des Gegners aus, die angegriffen werden soll und vollführt entweder einen leichten oder schweren Angriff mit den Schultertasten. Was gegen einen einzelnen Gegner mit etwas Übung zu bewerkstelligen ist, verfällt bei mehreren Feinden zu chaotischem Buttonmashing und führt nicht selten zum Ableben des Protagonisten. Dabei hilft nicht, dass die Gegner unfaire Vorteile zu haben scheinen: beim Schwertkampf vollführen sie in späteren Kämpfen einen undurchdringbaren Block und bei Faustkämpfen (welche häufiger vorkommen, als man denken mag) schaffen sie es trotz des Skilllevels des Spielers diesen immer wieder zu Boden zu strecken. Das mag die ersten fünf Male nicht unbedingt stören, frustriert aber nach dem zwanzigsten Versuch dann doch. Hier hätte eine Third-Person-Ansicht für Abhilfe gesorgt.

Absolute Freiheit, schwache Story

Daher kann man wirklich froh sein, dass man den Großteil des Spiels nicht kämpfend verbringen muss. Unser Held Heinrich lernt nämlich mit der Zeit, sich auch durch Charme, Fingerspitzengefühl oder eine bedrohliche Aura aus verzwickten Situationen rauszureden oder ganze Quests in friedlicher Manier abzuschließen – eine willkommene Abwechslung zur Standard-RPG-Lösung a la “Kopf abtrennen und danach erst Fragen stellen”. Aber natürlich gibt es fast immer die Option bis zum Einbruch der Nacht zu warten und die (vermeintlichen) Feinde im Schlaf zu meucheln. Die spielerische Freiheit ist einer der großen Pluspunkte von Kingdom Come: Deliverance und kann stellenweise über die vielen kleinen Ungereimtheiten hinwegtäuschen.

Über was diese Freiheiten nicht ganz hinwegtäuschen, ist die Tatsache, dass die Story im Grunde nichts Besonderes ist. Klar – wenn man den Fantasy-Aspekt weglässt, wird man mit langweiligem Realismus konfrontiert, mögen Einige sagen. Doch das entschuldigt nur bis zu einem gewissen Grad, denn auch mit vermeintlich realistischen Figuren und Settings kann man eine ergreifende Story basteln. Fairerweise muss man hier betonen, dass die Entwickler definitiv den Fokus auf eine immersive und detailverliebte Welt gelegt haben. Und wenn man sich einmal in mittelalterlichen Böhmen verloren hat, stört die seichte Story im Endeffekt wenig. Heinrich ist zwar nicht der interessante Held, doch er ist sympathisch genug und seine Motivation ist nachvollziehbar. Zudem lockern einige interessante Nebenfiguren das Ganze wieder auf.

Und was gehört noch zum Mittelalter? Genau – das Gefühl, dass es einem permanent schlecht geht. Heinrich muss abseits der teilweise unglücklich verlaufenden Kämpfe auch stets auf sein Wohlbefinden achten, d.h. der Bauch muss gefüllt werden und Schlaf ist ebenfalls absolut notwendig. Ein tolles Detail ist ebenfalls, dass es darauf ankommt wie bequem Heinrich schläft. Ein Federbett entspannt ihn weitaus mehr, als der Boden in der Küchenstube. Zudem reagieren die Figuren teilweise auf Heinrichs Erscheinungsbild: kommt er blut- und kotverschmiert zu einem Adeligen, kann dieser ihm einige Gesprächsoptionen verwehren. Außerdem empfinden die Dorfbewohner ein gezogenes Schwert aus offensichtlichen Gründen als nicht sehr beruhigend. Zeitgleich kann selbiger Move bei Wegelagerern dafür sorgen, dass sie es sich zweimal überlegen, einen Ritter in voller Montur zu überfallen.

Wenn Ambition auf Realität trifft

Oh man, wie sehr mich Kingdom Come: Deliverance aufregt. Einerseits würde ich es gerne durchweg preisen, denn die Welt ist wunderschön und einnehmend, der Soundtrack passt perfekt und sorgt für wohlige Ohrwürmer; selbst nachdem man das Spiel beendet hat und die Atmosphäre ist mit die dichteste, die ich jemals in einem Videospiel erleben durfte. Hier sammelt das Mittelalter-Abenteuer durch die Bank volle Punktzahl und muss von anderen Entwicklern als Maßstab gesehen werden. Andererseits verfluche ich Warhorse Studios dafür, dass sie sich nicht doch noch drei bis sechs Monate mehr Entwicklungszeit genommen haben – denn diese hätten sie bitter nötig gehabt. Neben den vielen Bugs und Glitches ist das Kampfsystem zwar in der Theorie interessant, verliert sich aber in der Praxis in der fummeligen Steuerung und sorgt für eine gewaltige Portion Frust. Auch wurden andere interessante Ansätze wie die Ausdauer nicht sinnvoll zu Ende gedacht und behindern immer wieder den Spielfluss. Ich bin mir sicher, hätte man den Entwicklern die nötige Zeit gegeben, wäre Kingdom Come: Deliverance ein fantastisches Spiel, ein wahres Meisterwerk geworden. So ist es “nur” ein sehr gutes Mittelalter-RPG geworden, welches dennoch von interessierten (und frustresistenten) Gamern ausprobiert werden sollte.

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