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Gravity Rush – Völlig losgelöst auf der Vita

von am 14. Juni 2012
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Lesezeit: 7 MinutenSonys Entwicklerteam Project Siren lehrte uns in der Vergangenheit mit ihrer Siren-Reihe ordentlich das Fürchten und machte sich nicht zuletzt deshalb unter Horror-Fans einen Namen. Doch ihr neuester Titel Gravity Rush für die PS Vita schlägt sowohl vom Genre als auch vom Gameplay her in eine völlig andere Richtung – kann das gut gehen oder heißt es am Ende doch: Schuster, bleib bei deinem Leisten?

Kats Reise ins Zauberland

Gleich zu Beginn werdet ihr schnell merken, dass dieses Spiel eine ganz eigene, besondere Atmosphäre ausstrahlt: Ohne Titelbildschirm startet sofort die Geschichte. Die Kamera fährt ruhig auf einen Apfelbaum in schwindelerregender Höhe zu, der Wind rauscht. Direkt vor einem Apfel bleibt die Kamera stehen. Unten erscheint der Untertitel: “Berühre den Apfel”. Nachdem ihr ein paar Mal die Frucht der Begierde begrabscht habt, fällt der Apfel nicht nur weit vom Stamm, sondern in eine gähnende Tiefe – das Intro läuft an, begleitet von einem wunderschönen Orchesterscore. Die Reise des Apfels endet bei einem geheimnisvollen Mädchen, welches ihr von nun an durch die Geschichte führen dürft: Kat.

Die Stadt in den Wolken

Verdutzt wacht Kat in einer für sie fremden Umgebung auf und leidet unter einem bekannten Videospiel-Helden-Problem: Amnesie. Doch eine schwarze, mysteriöse Katze weicht ihr nicht von der Seite und verleiht Kat zudem besondere Kräfte – daher beschließt unsere Heldin, das Tier zu behalten. Verdutzt schreitet Kat durch die seltsame, ihr aber irgendwie sympathisch wirkende Stadt: Willkommen in Hekseville! Als sich jedoch plötzlich ein Schwarm schwarzer Monster über die Bevölkerung hermacht, gibt es für den Gerechtigkeitssinn unserer Heldin kein Halten mehr und Mithilfe ihrer ungeahnten Fähigkeiten will sie der Bedrohung tapfer entgegentreten!

Schwerkraft außer Kraft gesetzt

Im Grunde beschränken sich eure Superkräfte lediglich auf die Schwerkraft. Mit einem Druck auf die R-Taste könnt ihr Kat nämlich frei schweben lassen. Ein weiterer Druck auf die R-Taste lässt Kat dann direkt in die Richtung fliegen, die ihr momentan auf der Bildschirmmitte angepeilt habt. Eigentlich fliegt Kat gar nicht selber, sondern wird vom Spieler umhergeworfen. Das sieht gerade am Anfang etwas unbeholfen aus, wenn ihr noch nicht alle Tricks und Kniffe raushabt und eure Heldin nur so über die Dächer purzeln lasst. Da ihr so effektiv über jedes Hindernis einfach hinwegfliegen könnt, kocht schnell ein tolles Heldengefühl in euch auf. Doch auch auf dem Boden ist Kat schnell unterwegs: Hält man die Daumen in die linke und rechte untere Ecke des Touchscreens, gleitet eure Bestreiterin wie auf Wasserski über den Boden hinweg – dank Neigungssteuerung bestimmt ihr die Richtung. Das klappt nach etwas Übung auch ganz gut. Überhaupt steuert sich Gravity Rush sehr intuitiv, wenn man den Dreh erstmal raus hat.

Lange Beine treten besser

Neben der Schwerkraft sind Kats Beine euer bester Freund. Die junge Dame scheint wohl besonders in Sachen Taekwondo ziemlich fit zu sein, denn eure Gegner werden ausschließlich mit Tritten ins Jenseits befördert. Besonders ausgefeilt ist das Kampfsystem in Gravity Rush nicht gerade, wirklich störend fällt es jedoch auch nicht auf. Neben klassischen Tritt-Kombos könnt ihr auch einen wesentlich effektiveren Angriff aus der Schwerelosigkeit auf euren Gegner vom Stapel lassen. Wer sich lieber nicht die Hände bzw. Füße schmutzig machen will, kann auch sämtliche Gegenstände in Kats unmittelbarer Nähe durch “die Macht” emporheben und auf Knopfdruck auf eure Widersacher prasseln lassen.

Harder, Better, Faster, Stronger

Einen nicht unwesentlichen Teil des Superheldinnen-Feelings nehmen die zahlreichen Fähigkeiten ein, die ihr hochleveln könnt: Gesundheit, Kampfstärke, Fallgeschwindigkeit, usw. Ihr werdet im Verlaufe des Abenteuers spürbar stärker und auch nicht eher ruhen, bis jedes Skill-Barometer ans Limit gepusht wurde. Regisseur Keiichiro Toyama gab offen zu, dass ein bislang zwei Teile umfassendes, indiziertes Open World-Superheldenspiel für die Xbox 360 eine große Inspirationsquelle für Gravity Rush war und man merkt es im positiven Sinne! In der großen, in mehrere Viertel unterteilten Stadt liegen überall verstreut lila Juwelen – eure Währung, wenn es um Level-Ups geht. Da die Suche auf Dauer etwas mühselig wird, könnt ihr einen ganzen Batzen dieser Juwelen in einer der zahlreichen Nebenmissionen erspielen. Aber Vorsicht: Diese Herausforderungs-Missionen abseits der Story machen verdammt süchtig und lassen euch nicht eher von eurer PS Vita los, bis ihr überall eine Goldauszeichnung verdient habt (was teilweise ganz schön knifflig ist). Hier gilt es meistens, mehrere Checkpoint möglichst schnell zu erreichen – je nach Herausforderung über euer Bodengleiten, den freien Flug oder wie es euch eben am Liebsten ist. Natürlich dürfen auch Punkte-Missionen nicht fehlen, in denen ordentlich gekämpft wird – je nach angestrebter Goldmedaille lohnt es sich also, eure Kampf- bzw. Flug-Fähigkeiten zu steigern. Leider stören gerade in den Nebenmissionen die langen Ladezeiten – ein Neustart nach einem Fehlversuch ist immer mit einer halben Minute Wartezeit verbunden, was schnell lästig wird und für Frust sorgt.

Look and Feel – Ich bin verliebt

Ich möchte ganz offen mit euch sein, dieses Spiel hat mich von der ersten bis zur letzten Minute verzaubert. In Sachen Cel-Shading habe ich zwar schon schönere Werke gesehen, aber das ganze Charakter- und Umgebungsdesign fügt sich harmonisch zusammen und ist schlichtweg wunderschön. Besonders Kat und ihre Zauberkatze sind ein unglaublich sympathisches Duo und ziehen den Spieler unweigerlich auf ihre Seite. Doch auch die anderen Charaktere wirken interessant und geben ein Gefühl von emotionaler Tiefe wieder. Es wird euch zur Welt und wie sie funktioniert nicht viel erklärt – und das macht einen Großteil der Faszination von Gravity Rush aus. Was ist das für eine komische Stadt? Warum hängt alles an einer riesigen Säule? Wer ist Kat eigentlich und wo kommt sie her? Warum rückt ihr die kraftverleihende Katze nicht von der Pelle? Was hat es mit den schwarzen Monstern, den Nevi, auf sich? Soviel vorweg: Nach dem Durchspielen der Hauptstory sind noch viele Fragen offen und lassen auf eine Fortsetzung hoffen, denn ich möchte mehr von dieser Welt sehen.

Ein Spiel wie ein wunderschöner Traum

Gerade die vielen ungreifbaren, seltsamen Dinge in Gravity Rush wissen jedoch zu verzaubern. Denn obwohl die Welt irrational erscheint, funktioniert sie wie ein Uhrwerk auch sehr schlüssig. Ich fühlte mich auch oft an den Film Chihiros Reise ins Zauberland aus dem Studio Ghibli erinnert. Dies liegt auch am durchgehend fantastischen Orchestersoundtrack von Kōhei Tanaka, der schon seit 30 Jahren für Anime-Produktionen und Videospiele Musik komponiert und hier vielleicht einige seiner besten Werke abliefert hat. Seien es die ruhigen Töne im Wohnviertel, flotter Jazz im Vergnügungsviertel, heroische Kampfmusik oder melancholische Melodien bei dramatischen Gesprächen – hier wurde alles richtig gemacht. Da in Gravity Rush viel über Texte abläuft und wenig gesprochen wird, wirkt die Musik auch wesentlich prägnanter.

Comics zum Anfassen

Es gibt zwar Ingame-Cutscenes, die meisten Zwischensequenzen und Gespräche erlebt ihr jedoch als interaktiven Comic bzw. Manga. Die Panels sind dabei liebevoll gezeichnet und spielen auch geschickt mit dem Bewegungssensor der PS Vita. Je nachdem, wie ihr euren Handheld ausrichtet, verschieben sich die Panels und die Figuren mitsamt der Sprechblasen darin – das erzeugt einen ziemlich coolen 3D-Effekt und lässt mich nach der nächsten PS Vita-App schreien: E-Comics. Es gibt zwar auch Sprachausgabe, allerdings wird eine leicht japanisch anmutende Fantasie-Sprache gesprochen. Normalerweise bin ich kein Freund von Standbild-Zwischensequenzen, aber der sexy Comic-Look gefiel mir tatsächlich ausgesprochen gut und passt ausgezeichnet zum grafischen Konzept des Spiels.

PS Vita-Features in da House?

Außer der technischen Spielerei in den Comic-Sequenzen dient der Bewegungssensor im Spiel der Feinmotorik. So könnt ihr euer Ziel etwas genauer erfassen und präziser durch die Lüfte gleiten – ihr müsst aber nicht, was ich als äußert angenehm empfand. Denn gerade das Gleiten über dem Boden fällt über den Bewegungssensor oft recht hakelig aus – hier wäre eine traditionellere Steuerungs-Alternative auch wünschenswert gewesen. Insgesamt gefällt mir jedoch die unaufdringliche Implementierung der PS Vita-Features. Der Touchscreen kommt glücklicherweise auch nur selten zum Zuge, da bleibt der Bildschirm schön sauber.

Fazit: Ein neuer Stern am Vita-Himmel

Es ist erfrischend, endlich mal ein völlig neues Spielkonzept auf der PS Vita zu sehen und keine x-te Fortsetzung. Das Spielprinzip ist zwar auch nur eine etwas andere Form des klassischen Superhelden-Open World-Konzepts, aber durch die Anime-Atmosphäre ergibt sich gepaart mit der ungewöhnlichen Spielumgebung mal ein ganz neuer Ansatz. Qualitativ kann Gravity Rush aber auch leider nicht auf ganzer Linie überzeugen, die Ladezeiten sind schon ein dickes Minus und an die schwindelerregende Schwerkraft-Steuerung muss man sich erstmal gewöhnen. Kritisieren könnte man zudem, dass am Ende viele Fragen offen bleiben. Ihr werdet mit allem drum und dran, bis alles erledigt ist, gut 15 Stunden mit Kat unterwegs sein. Als der Abspann lief, fühlte ich mich wie aus einem schönen Traum gerissen: “Wie, es ist vorbei? Och… Schade.” Da ihr selbst mit allen abgeschlossenen Missionen noch einige Kräfte pushen könnt, dürfen wir uns in Zukunft wohl auf weitere Inhalte freuen: Gleich zum Release wird ein erster DLC auf uns losgelassen mit zusätzlichen Herausforderungen. Also, worauf wartet ihr noch? Wer eine PS Vita sein Eigen nennt, darf sich diesen Titel nicht entgehen lassen. Gravity Rush ist bislang eines DER Spiele-Highlights des Jahres! Hier werden selbst Katzenhasser schwach…

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