Ungefähr 20 Stunden
JRPG, Chrono Trigger, Final Fantasy, Paper Mario, schönem Artdesign
amzn.to/33uFFdd WERBUNG
+ wunderschönes Design
+ gut und voll vertont
+ schöne Story für JRPG-Fans
- unzufriedenstellendes Ende
- Zeitmechanik hätte in Kämpfen mehr ausgenutzt werden können
- oft überhasteter Story-Fortschritt und ungenutztes Potenzial
Publisher Modus Games bringt uns zusammen mit den kolumbianischen Entwicklerstudios Dreams Uncorporated und SYCK das Adventure-Action-RPG Cris Tales. Als Liebeserklärung an oldschool JRPGs wie Chrono Trigger präsentiert sich der Indie-Titel in einem wunderschönen 2D-Gewand, das an einen Mix aus Cartoon und Märchenbuch erinnert. Als Zeitmagierin muss Protagonistin Crisbell die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nutzen, um mit ihrem Team aus Helden die böse Zeitkaiserin aufzuhalten.
Lesezeit: 7 MinutenEntwickler Dreams Uncorporated und SYCK haben mit Cris Tales eine Liebeserklärung an alte JRPGs wie Chrono Trigger oder Final Fantasy erschaffen. Das handgezeichnete 2D-Abenteuer hat uns schon auf der gamescom 2019 mit zauberhaften Schauplätzen, einer interessanten Zeitmechanik und sprechenden Amphibien überzeugt. Den Artikel dazu findet ihr hier. Dieses Mal haben wir uns die Zeit genommen und haben den frisch erschienenen kolumbianischen Indie-Titel getestet. Können wir euch Cris Tales für die Zukunft empfehlen?
Zeit für ein Abenteuer
Die Geschichte in Cris Tales ist eine typische Heldenreise. Ein Bösewicht bedroht die Welt und die Helden versuchen diese zu retten. Der Bösewicht in Cris Tales ist die sogenannte Zeitkaiserin, eine mächtige Zeitmagierin, die in der Lage ist, die Zeit zu stoppen oder sie zurückzudrehen. Und wer könnte eine Zeitkaiserin aufhalten? Genau jemand mit ähnlichen Fähigkeiten.
Hier kommt die Protagonistin ins Spiel. Crisbell ist ein junges Mädchen, welches in einem Waisenhaus aufgewachsen ist und keinerlei Erinnerungen an ihre Vergangenheit besitzt. Eines Tages stolpert sie über den sprechenden Frosch Matias. Die zylindertragende Amphibie führt Crisbell in die Kirche der Stadt, wo Matias ihr offenbart, dass sie eine Zeitmagierin ist. Von dort an sieht Crisbell nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Vergangenheit und Zukunft. Langer Rede kurzer Sinn: Crisbell macht sich auf, die Zeitkaiserin aufzuhalten, sammelt dabei ein Team an Helden zusammen und hilft nebenbei den verschiedenen Königreichen dieser Welt.
Charmante Charaktere
Eine große Stärke von Cris Tales sind die Charaktere. Dabei rede ich nicht nur von den spielbaren Charakteren, sondern von fast jedem einzelnen Neben- oder Hintergrund-Charakter im Spiel. Auf der Reise trifft die unbescholtene Heldin Crisbell Charaktere wie den Elementarmagier Christopher oder das Katzen-Mädchen Zas, das auf magische Art und Weise alles Mögliche aus ihrer Zaubertasche ziehen kann. Mit Ausnahme von Soldaten oder Wachen haben die meisten Figuren ein einzigartiges Design. Die Bewohner der einzelnen Königreiche reichen von Robotern, über dämonisch angehauchte Vulkanmenschen, bis hin zu einer riesigen Metall-Dame.
Die Persönlichkeiten der Charaktere sind ebenfalls farbenfroh in Szene gesetzt. So ist nicht jeder einfach nur gut oder böse, sondern wird von eigenen Beweggründen angetrieben. Das gestaltet die Welt glaubhafter und lässt uns Charaktere besser verstehen. Die Bösewichte in der Welt von Cris Tales haben zwar nicht so viel Persönlichkeit wie die Helden, die Palette reicht aber von Tieren hin zu Kampfrobotern oder Kanalisationsmonstern.
Die Stimme machts
Ein kleiner Wermutstropfen in ziemlich vielen JRPGs ist das fehlende Voice-Acting. Darum freut es mich um so mehr, wenn ich merke, dass ein Spiel zu großen Teilen oder sogar komplett vertont ist. Cris Tales ist ein solches Spiel. Jeder noch so kleine Dialog ist voll vertont. Die Synchronsprecher machen dabei einen hervorragenden Job. Besonders hervorheben möchte ich hier die kleinen Wortgefechte zwischen den Charakteren. Die schon sehr charismatisch wirkenden Figuren werden durch das eine oder andere Gespräch nur noch besser in Szene gesetzt.
So gerät der draufgängerische Elementarmagier Christopher mehrfach in Konflikt mit dem Zeitmagier Wilhelm, der als Mentor für die Gruppe fungiert, jedoch in der Gestalt eines jungen Kindes steckt. So entstehen witzige Dialog und tiefere Einblicke in die Persönlichkeiten der Charaktere.
Im Weiteren wird noch über die Zeitfunktion gesprochen, denn auch diese gibt uns Interaktion mit Charakteren. Wir können damit miterleben, wie sich Charaktere als Kinder verhalten haben und wie sie sich geändert haben. Auch nur ein kleines Detail, aber – wie ich finde – sehr wertvoll.
Zeit für Entscheidungen
Das wichtigste Feature ist das Nutzen der Zeit. Denn in so gut wie jeder Situation spielt Zeit eine übergeordnete Rolle. Nachdem Crisbell ihre Kräfte bekommt, sieht der Spieler in Städten einen dreigeteilten Bildschirm. Hier sieht man die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Stadt. Somit seht ihr die NPCs nicht nur, wie sie jetzt aussehen, sondern auch wie sie als Kinder ausgesehen haben und wie sie in der Zukunft aussehen werden.
Hier kommen dann auch die bereits erwähnten Entscheidungen ins Spiel. Hilft man den verschiedenen Einwohnern der Städte, kann man effektiv die Zukunft des Charakters oder die von Gebäuden beeinflussen. So kann man zum Beispiel einer in der Zukunft überschwemmten Stadt helfen, diese Katastrophe zu verhindern. Da wir uns jederzeit die verschiedenen Zeiten anschauen können, hat man den Vergleich sofort vor Augen. Letztendlich haben diese Entscheidungen auch Auswirkungen auf die verschiedenen Ending von Cris Tales.
Ein Frosch in allen Lagen
Aber auch einige Aufgaben oder Objekte erwarten uns in der Vergangenheit und der Zukunft. Dafür hilft uns dann Frosch Matias. Wo Crisbell selbst nur die Vergangenheit und Zukunft sieht, kann der modebewusste Frosch auf wundersame Weise durch die Zeiten hüpfen. Lange zerstörte Gegenstände oder verloren gegangene Dinge kann Matias so zurück ins Geschehen holen. Schickt man Matias in eine der beiden Zeiten, wechselt der Bildschirm in diese Zeit und man steuert entweder eine Kaulquappen-Version in der Vergangenheit oder eine dicke alte Kröte in der Zukunft. Hier sei aber gesagt, dass Matias in der Nähe von Crisbell sein muss, um diese Fähigkeit zu aktivieren. Des Öfteren hängt die lahme Amphibie kilometerweit zurück und man wartet eine Zeit lang, bis er aufgeholt hat.
Natürlich wird die Zeitkomponente nicht nur innerhalb der Städte benutzt. Auch in Dungeons könnt ihr unterschiedliche Objekte wie Stützpfeiler oder Brücken in den Zeiten hin und her schieben. Das sorgt für mehrere kleine Puzzle-Elemente innerhalb der, über das Spiel verteilten, Dungeons. Letztlich findet sich die Zeitmechanik aber auch in den Kämpfen wieder.
Man siehst du alt aus!
Der Kampfbildschirm ist, ähnlich wie in den Städten, in drei Bereiche unterteilt. Unsere Helden stehen in der Mitte und können von links und rechts von Gegnern attackiert werden. Crisbell kann die Gegner auf der linken Seite in die Vergangenheit befördern und die auf der rechten Seite in die Zukunft. So wird der Ritter in der Gegenwart zu einem Kadetten in der Vergangenheit und einem General in der Zukunft. Ein ziemlich interessanter Ansatz meiner Meinung nach.
Gleich zu Beginn des Spiels lernt man diese Zeitkomponente zu nutzen. Wird eine Rüstung in der Gegenwart mit Wasser durchnässt und in die Zukunft geschickt. ist diese dort verrostet und wird marode. Gleiches Spiel mit einem Gift-Zauber. Der Gegner erleidet in der Zukunft sofort den Schaden, den das Gift ansonsten über eine gewisse Zeit gemacht hätte. Die zu Beginn erlernten Tricks behalten wir dann für den Rest des Abenteuers bei.
Timing ist alles
Der Rest des rundenbasierten Kampfsystems würde ich als eine Mischung aus Paper Mario und Persona beschreiben.
In einem an Persona 5 erinnernden Menü wählt der Spieler die Aktion des Charakters, der an der Reihe ist, aus. Die Lebensanzeigen der Gegner sind vorerst nicht zu sehen. Erst wenn ihr die Gegner analysiert habt, könnt ihr dessen Leben aber auch Stärken und Schwächen erkennen.
Greifen wir den Gegner dann nun endlich an oder er uns, können wir mit einem aktiven Knopfdruck für zusätzliche Effekte sorgen. Drücken wir im richtigen Moment, können wir dem Gegner mehr Schaden zufügen oder bevorstehenden Schaden Parieren. Das sorgt für mehr Aufmerksamkeit bei den Kämpfen. Das Timing ist aber manchmal etwas knifflig herauszufinden.
Dazu kommt das jeder Charakter seinen eigenen Kampfstil hat. Crisbell kämpft mit ihrem Schwert und hilft mit Regerationsmagie aus. Der Cyborg JKR-721 besitzt kein Mana, kann aber starke Attacken einsetzen, solange er nicht überhitzt.
Cris Tales ist was für die Augen
Die größte Stärke von Cris Tales ist ganz klar die Aufmachung und das Aussehen des Spiels. Kurzgesagt. In Cris Tales ist einfach alles verdammt hübsch. Die handgezeichnete 2D-Grafik erinnert an ein Pop-up-Kinderbuch. Menüs und UI an alte, aber auch neue JRPG-Titel.
Alles bis auf den kleinsten Nebencharakter ist eindrucksvoll entworfen und könnte direkt aus einem neumodischen Märchenbuch kommen. Gerade der Cast an Hauptcharakteren wird dadurch noch einprägsamer. Die typischen Fantasy-Aspekte werden mit moderner Technik oder einfach nur einem modernen Aussehen aufgefrischt. In diesem Aspekt kann Cris Tales kaum einer das Wasser reichen.
Das Indie-Spiel schafft es Hintergrund und Strukturen nicht wie 08/15-Ware aus irgendeinem Fantasy-Universum wirken zu lassen. Das liegt daran, dass die kolumbianischen Entwickler von ihrer Heimat Kolumbien inspiriert wurden. So besitzen viele der Figuren oder Gebäude kolumbianische Vorbilder. Zum Beispiel ist die Kathedralen aus der ersten Stadt Narim angelehnt an der Santuario de Las Lajas im Süden Kolumbiens. Auch Frosch Matias ist nicht nur irgendeine Amphibie, sondern basiert auf dem “Schrecklichen Pfeilgiftfrosch“, der ebenfalls in Kolumbien lebt.
Zeit für Kritik
Cris Tales ist zwar wunderschön, aber auch gibt es ein paar Kritikpunkte. Allen voran im Kampfsystem. Ich persönlich mag rundenbasiertes Kämpfen sehr gerne und finde die Idee, die Feinde in die Vergangenheit oder Zukunft zu schicken, richtig gut. Leider wird nicht sehr viel damit gemacht. Bis auf die zu Beginn erlernten Tricks wie Rost oder Gift benötigt man die Zeitkomponente später recht wenig. Oftmals reicht ein ordentlicher Schlag mit dem Breitschwert, um Gegnern die Hölle heißzumachen.
Von Zeit zu Zeit kamen mir die Plots in den einzelnen Städten ein wenig überhastet vor. Gerade das Ende des Spiels hätte von ein wenig mehr Zeit profitiert. Das ist nämlich für all die Entscheidungen, die getroffen wurden, erschreckend kurz geraten. Das wäre mit einer Welt wie die von Cris Tales noch deutlich mehr drin gewesen.
In Sachen Gegnerdesigns wird wie in den meisten JRPGs, recyceltes Material genutzt. Gegner bekommen einfach ein anderes Element oder Farbe. Gebiete werden recycelt und selbst Bosse tauchen erneut auf. Technisch hatte ich auf der “Nintendo Switch-Version” hier und da ein paar kleine FPS-Einbrüche und einen Spielabsturz. Das ist in meinen Augen aber nicht der Rede wert.
Cris Tales: Ein Fazit
Cris Tales will eine Liebeserklärung an alte JRPGs sein und das haben die Entwickler wirklich gut hinbekommen. Sowohl in den guten als auch in den schlechten Aspekten. Die Story und die Charaktere erzählen eine nette Geschichte, die durch die wunderschöne Optik von Städten, Charakteren und Dungeons untermalt wird. Die Eigenheiten der Geschichte machen Cris Tales zu einem wirklich schönen Story-Spiel.
Das Kampfsystem kommt mit interessanten Ideen daher, die allerdings nicht mehr wirklich präsent sind, ist man erst mal stark genug, Gegner mit einem Schlag zu erledigen. Trotzdem sind die steuerbaren Charaktere so unterschiedlich das die typischen JRPG Elementen wie grinding oder Gegner-Recycling nicht notgedrungen etwas Schlechtes sind.
JRPGs gibt es wie Sand am Meer. In dieser riesigen Menge an Titeln ist es schwer hervorzustechen. Um aber genau das zu tun, hat sich Cris Tales die Zeit als Alleinstellungsmerkmal ausgesucht. Die Zeit ist hierbei Story- und Gameplay-Element zugleich. Neben der Zeit behandelt Cris Tales aber auch anderer Themen wie Rassismus, Gier und den Schaden, der daraus entstehen kann. Ganz klar erfindet Cris Tales damit das Rad nicht neu, aber im Zusammenspiel mit dem Element der Zeit kommt eine interessante Mischung dabei heraus.
Mit mehr als 20 Stunden Spielzeit hat man hier ein klassischen RPG in zauberhaften, aber auch modernen Gewand. Ich selbst habe beim Spielen von Cris Tales oft gemerkt, wie gerne ich in der Welt herumgelaufen bin. Das es hier aber maßig ungenutzes Potenzial gibt muss ich aber auch eindeutig hervorheben. Spiele wie Cris Tales oder das von uns getestete Bravely Default II gehören trotz ihrer Schwachpunkte immer noch zu Spielen die ich einfach nur empfehlen kann. Zumindest JRPG-Fans werden an Cris Tales vermutlich Spaß haben und durch das markante Aussehen und die einwandfreie Synchro sogar noch mehr geboten bekommen, als sie vermuten. Also nehmt euch die Zeit und probiert Cris Tales aus. Es ist keine Zeitverschwendung!