Non-Reviews
0 Kommentare

Kommentar – Sony und das Internet

von am 20. Mai 2011
Details
 
Artikel-Kategorie
 

Lesezeit: 4 MinutenIn unserer Artikelrubrik “Kommentar” nehmen wir uns Zeit persönlich zu werden und vor allem einmal Stellung zu einem speziellen Thema zu beziehen, das uns ganz besonders bewegt oder anderweitig wichtig ist. In meinem Fall ist es die derzeit desolate Performance des Elektronik-Konzerns Sony. Denn wie dort derzeit mit einer Krise umgegangen wird, ist die eigentliche Katastrophe.

Inzwischen ist die PlayStation Network-Affäre ein echter Wirtschaftskrimi geworden. Erst werden über 70 Millionen sensibler Kunden-Datensätze durch Hacker geklaut, weil sie im PlayStation Network-System unzureichend gesichert waren. Dann werden Kunden tagelang nicht darüber aufgeklärt, warum die Onlinedienste der PS3 samt und sämtens abgeschaltet wurden. Als nächstes spricht man von einem Hackerangriff, ehe erste Infos durchsickern, dass tatsächlich Kundendaten geklaut wurden. Zunächst sind es keine sensiblen Daten, dann eine ganze Menge – über 70 Millionen Stück – dann wird klar, dass die Hacker nicht nur Vornamen, Nachnamen, Geburtstage und Anschrift erbeutet hatten, sondern unter Umständen auch die Kreditkartennummen und die Gültigkeitsdauer der Karten.

Dann wird es still.

Spuren werden ausgewertet, die Verbrecher werden verfolgt. Sicherheitsexperten suhlen sich im populären “So darf man im 21. Jahrhundert nicht mit Daten umgehen”-Schlamm herum und bewerfen – teilweise zu Recht – Sony mit verbalen Schlammbällen. Dort gelobt man Besserung und schnürt nach Analyse seiner Systeme den enttäuschten und grummelnden Kunden ein Wiedergutmachungspaket, das sehr schnell zu einem Bumerang für den Konzern wird.

Hier mal einige Kommentare aus unserer aktuellen Umfrage:

“Danke, dass die interessanten Spiele in D gegen irgendwelchen lahmen Marktplatz-Schrott ausgetauscht wurden. Zum Glück habe ich LBP noch nicht gekauft!

Das Willkommens Paket ist fast schon eineBeleidigung,ein Schlag ins Gesicht fuer die treue Kundschaft…

Ja wirklich. Das eine gute Game habe ich bereits, den Rest brauch ich nicht. fail

Ganze 5 % unserer User finden das Willkommens-Paket super! Ganze 27 % waren der Meinung, dass dieses Paket lächerlich sei.

Die Sache mit dem Willkommenspaket mag ja für viele PS3-Zocker ärgerlich sein, weil die Auswahl der Gratis-Spiele vielleicht nicht so berauschend ist, aber wirklich ärgerlich dürfte der beinahe einmonatige Ausfall des PlayStation Networks vor allem für die vielen Online-Zocker sein. Und schmerzhaft dürfte er besonders für die Publisher sein. Spiele wie Portal 2 konnten obwohl vor einem Monat auf den Markt gekommen, auf der PS3 online noch gar nicht viel gespielt werden. Oder ein Titel wie BRINK sogar noch gar nicht, bis vor wenigen Tagen zumindest die Möglichkeit wieder geschaffen wurde, online spielen zu können.

Und da haben wir noch nicht von den Firmen gesprochen, die ihre Spiele nur online vertreiben. Denn in der Zeit des Online-Blackouts waren natürlich Releases von Download-Spielen aller Art vorgesehen, konnten aber ja nicht stattfinden. Das ist für den Spieler unschön, für die Studios und Publisher ein finanzielles Problem. Outland beispielsweise ist bisher nur auf Xbox 360, erhältlich, obwohl der Start auch auf der PS3 vorgesehen war. So fehlt den Unternehmen bereits verplanter Umsatz.

Wenn das PSN vollständig wiederhergestellt ist, will Sony einfach zwei wöchentliche Updates des Onlinekataloges anbieten, um in naher Zukunft wieder im ursprünglichen Jahresplan für Download-Titel zu sein. Wie darüber die Publisher denken, kann man sich vorstellen.

Überhaupt ist die Stimmung da draußen sehr angespannt. Hier ein paar mahnende Worte eines Vertreters der Publisher-Seite der Branche:

Nun, natürlich ist es Besorgnis erregend, wenn sensible Daten, dabei spielt die Größenordnung eigentlich keine Rolle, an die Oeffentlichkeit gelangen. Dass wir immer wieder allen Versuchen, Sicherheitsmechanismen zu umgehen, ausgesetzt sind, sollte insbesondere unsere Industrie ganz besonders genau wissen und hier nicht nur ihr geistiges Eigentum schuetzen, sondern eben auch das Eigentum Anderer. Dass die “Datenpanne” zudem zu einem Wochenlangen Ausfall bzw. einer bewussten Abschaltung des Netzes führt ist umso mehr Besorgnis erregend. Auf der anderen Seite dürfen natürlich keine voreiligen Schlüsse gezogen und Schuldzuweisungen getätigt werden. Denn insbesondere unsere Branche weiss auch, dass es 100 %igen Schutz in der digitalen Welt nicht gibt. Und schließlich hätte Derartiges auch in jedem anderen Netzwerk passieren können oder noch passieren kann. Darauf sollte man sich gefasst machen.

Hier auch einige sehr interessante Stimmen aus Gaming-Redaktionen zur PlayStation Network-Affäre:

Vio Tensil, Redakteurin/Moderatorin PLAY’D
www.playd-magazin.com

“Ich bin kein großer Datenschutz-Fanatiker, aber die PSN-Affäre ist natürlich vor allem wegen ihres Ausmaßes und den offenbar viel zu laschen Sicherheitsmaßnahmen beängstigend. Was Sony zu Recht die meiste Kritik einbringt, ist aber die mangelhafte Aufklärung gegenüber den Kunden: Erst wurden die Nutzer viel zu spät benachrichtigt und dann hat man weiterhin das Gefühl, nicht alle Informationen über den Stand der Dinge zu bekommen. Da liefert das Unternehmen einfach eine ganz schlechte Performance ab.”

Christian Leuenberg, Chefredakteur Press A Button
www.pressabutton.de

“Da nutzen Spieler auf der ganzen Welt seit Jahren ohne große Bedenken den Onlineservice PSN von Sony und vertrauen dem Unternehmen teils sensible Daten an, wie etwa Kreditkarteninformationen. Kein Grund zur Sorge, Sony ist schließlich ein großer Konzern – die wissen schon, wie sie mit Kundendaten umzugehen haben. Seit einigen Wochen ist klar, sie wissen es möglicherweise nicht, haben sogar grob fahrlässig gehandelt. Veraltete und somit anfällige Serversoftware, unverschlüsselte Passwörter in der Datenbank und öffentlich zugängliche Kundendatensätze lassen Zweifel in mir aufkommen. Dazu eine Hinhaltetaktik und unzureichende Kommunikation gegenüber den Kunden – ich habe bis heute noch keinerlei Informationen über die Datenprobleme von offizieller Seite erhalten sondern darüber lediglich in den Medien gelesen. Froh bin ich, dass ich keine Kreditkarteninformationen hinterlegt hatte – und meine deckungsgleichen Passwörter habe ich nun vorsorglich geändert. Aus diesem Datengau kann man nur hoffen, dass sowohl Sony als auch andere Unternehmen zukünftig deutlich gewissenhafter handeln. Fraglich ist jedoch, ob wir Kunden zukünftig überhaupt noch unsere Daten so freiwillig an Unternehmen weitergeben wollen wie bislang. Sony wird durch diesen Vorfall möglicherweise an Ansehen verloren haben – bei rund 100 Millionen betroffenen Kunden ist dies jedenfalls zu erwarten. Und ob das angesprochene „Welcome Back“-Geschenk so einfach die Wogen wieder glätten kann, wage ich doch arg zu bezweifeln. Ich persönlich werde zukünftig definitiv noch vorsichtiger mit meinen Daten umgehen, leider hat man die technischen Bedingungen allerdings nicht selbst in der Hand und muss sich letztlich doch wieder auf den Anbieter verlassen.

Michael Günther, Stellvertretender Chefredakteur Onlinewelten
www.onlinewelten.de

“Die “Sony-Datenaffäre” hat weltweit branchenübergreifend für Empörung und Angst gesorgt. Sie ist ein einziges Desaster, das Argwohn auf Kundenseite, Imageschäden bei Sony aber auch in der Hackerszene hinterlässt. Als positiven Ausgang können wir allerdings mit sehr genauer Überprüfung der Sicherheit rechnen und selbst einmal mehr darüber nachdenken, wie gemütlich wir im Umgang mit unseren personenbezogenen- und aber auch mit Kontodaten sind bzw. sein sollten.”

Was bleibt, ist ein ganz fader Beigeschmack.
Wird Sony aus seinen Fehlern gelernt haben und das Thema Datensicherheit in Zukunft mit dem nötigen Ernst angehen? Und was ist eigentlich mit den Klagen und Regressansprüchen von Banken, Kunden, Publishern und Entwicklern? Ich persönlich glaube nicht, dass die PlayStation Network-Affäre ausgestanden ist. Das dicke Ende könnte noch kommen. Und dann sollte Sony eine prall gefüllte Kriegskasse haben.

Sei der Erste, der kommentiert!
 
Kommentiere »

 

Du musst eingeloggt sein zum kommentieren