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Kill your Friends – Schluss mit Fortsetzungen!

von am 19. April 2017
 

Lesezeit: 5 MinutenJeder von uns hat doch einen Titel im Kopf, von dem er sich eine Fortsetzung wĂĽnscht. Sei es das eigene Lieblingsspiel, das man am liebsten nochmal erleben wollen wĂĽrde oder ein mittelmäßiger Titel, der mit etwas mehr Polishing auch richtig gut hätte werden können. Eben jene Fortsetzung zu meinem Lieblingsspiel bekam ich letztes Jahr und das sollte meine Meinung zu Fortsetzungen total auf den Kopf stellen…

The Fire fades…

Eigentlich wollte ich an diesem Punkt einen Artikel darüber schreiben, dass die Dark Souls-Serie mit dem finalen DLC für Dark Souls 3 ihr Ende fand und es somit eigentlich keinen Grund mehr gibt weiter zu existieren. Vor dem Release der finalen Inhalte hatte ich wirklich ein ungutes Gefühl im Magen. Dark Souls bedeutet mir so viel, hat mein Spieleverhalten komplett über den Haufen geworfen und hat meine Sicht auf Videospiele nachhaltig verändert. Und nun soll dieses Kapitel meiner Videospielhistorie einfach abgeschlossen werden? Wird überhaupt jemals wieder irgendwas derartige Gefühle in mir auslösen können oder werden ab jetzt alle kommenden Spiele an meiner Erwartungshaltung und am Vergleich mit diesem Meisterwerk zerbrechen?
Ich hatte wirklich Angst davor, dass mit dem Ende dieser Reihe auch irgendwie eine ganze Art von Spielen ausstirbt. Fordernde Spiele, die den Spieler für schlau genug halten, dass er seine Probleme selbst lösen kann. Und wenn nicht, ist es dem Spiel auch egal.

…Or does it?

Doch dann kam der März 2017 und mit ihm ein ganzer Haufen an Spielen, die mir die Augen öffneten. Neben dem letzten Happen Dark Souls spielte ich in diesem Monat nämlich auch noch Horizon: Zero Dawn, NieR: Automata und Hollow Knight. Und auch wenn man diese Titel alle unterschiedlichsten Genres zuordnet, sind sie nicht nur alle fantastisch, sondern haben auch eine große Gemeinsamkeit: Sie fordern den Spieler, halten ihn für schlau genug, dass er seine Probleme selbst lösen kann und es ist ihnen egal, sollte er es nicht schaffen.

Während Horizon: Zero Dawn dem Spieler im Kampf gegen riesige Roboter eine Hand voll verschiedener Bögen in die Hand gibt und die Positionierung im hektischen Kampfgetümmel zu einer essenziellen Spielmechanik macht, die bei Nichtbeachtung zum unweigerlichen Tod führt, fordert NieR: Automata den Kopf des Spielers. Ein Spiel, dass sich zunächst aus zwei Perspektiven erzählt und danach noch die Fortsetzung zu sich selbst ist, Existenzfragen aufwirft und dessen Handlung und Lore aus Dokumenten, Geschichten und Nebenquests zusammengebastelt werden will, ist Nichts, was man mal eben nebenbei spielt. Man muss sich darauf einlassen, mitdenken und seine eigenen Theorien stricken um die Puzzleteile irgendwie sinnvoll verbinden zu können. Im Metroidvania Hollow Knight findet man sich hingegen in dunklen Höhlen zu Recht. Oder eben nicht. Denn die komplette Spielwelt ist ein riesiges Labyrinth und eine Karte will erst gekauft werden. Dazu müssen wir aber zunächst im jeweiligen Gebiet den Kartographen finden, der uns dann aber auch nur eine unvollständige Skizze übergibt. Die Feder, mit welcher wir den Rest der Karte ausfüllen können, kostet nochmal extra und um die eigene Position anzeigen zu können sind auch wichtige Ressourcen nötig. Erschlossene Räume können wir zudem nur an den spärlich gesäten Speicherpunkten auf unsere Karte pinseln.

All’ diese Spiele fĂĽhlten sich ein bisschen nach Dark Souls an. Das Besiegen eines riesigen Bosses durch geschicktes Ausweichen, das Zusammenpuzzeln der Lore aus winzigen Fragmenten und das Durchstreifen neuer, unbekannter Gebiete auf der Suche nach einem rettenden Speicherpunkt sind die GrĂĽnde warum ich Dark Souls so lieben gelernt habe. Dass ich all diese GefĂĽhle in so unterschiedlichen Spielen nun erneut erleben konnte, lässt mich so unglaublich positiv in die Zukunft blicken, dass es fĂĽr mich gar nicht mehr so wichtig ist, ob ich in meinem Regal jemals Dark Souls 4 stehen haben werde oder nicht.

Kein Feuer brennt ewig

Denn eigentlich sind Fortsetzung nur die Manifestation der Angst von Entwicklern und Publishern etwas Neues zu versuchen. Und natürlich ist es einfacher eine bekannte Marke zu bewerben, mit welcher Spieler bereits positive Gefühle verbinden, die man nur wieder ins Bewusstsein rufen muss, um sie zum Kauf zu bewegen. Es ist also klar, warum Fortsetzungen einer Serie existieren und warum Spiele wie die, der Final Fantasy-Serie diesen Namen tragen, obwohl sie völlig eigenständige Geschichten sind.

Das ist es auch, was Spiele in meinen Augen sein sollten. Eigenständige Geschichten und Erfahrungen, die eben keine weitere Iteration eines durch und durch bekannten Konstrukts aus Spielmechaniken und Figuren sind, sondern abgeschlossene, für sich stehende Erlebnisse. (Klassische) Fortsetzungen erfüllen diese Eigenständig allerdings fast nie. Stattdessen sind sie auf Grund der Erwartungshaltung der Spieler, welche durch oben beschriebene Vermarktung nochmal verstärkt wird, fast schon dazu gezwungen auf ihre Vorgänger aufzubauen. Das bietet natürlich die Möglichkeit eine Welt enorm auszubauen und deutlich größer zu erzählen, als es in einem einzelnen Spiel möglich wäre, da man sich auf das Wissen, der Spieler durch den Vorgänger berufen kann. Gleichzeitig ist das aber auch oft die größte Schwäche einer Fortsetzung, denn was ist, wenn es nichts mehr zu erzählen gibt? Wenn die Spielmechanik im ersten Teil völlig rund war und es keine Möglichkeit gibt, diese sinnvoll zu erweitern ohne aus dem Korsett auszubrechen, welches man sich durch den Vorgänger selbst angelegt hat?

Und so kommen wir zurück zu Dark Souls, dessen spiritueller Vorgänger Demon’s Souls zwar durchaus ein Kultklassiker war aber mit Sicherheit nicht die Entwicklung einer nachfolgenden Trilogie rechtfertigen sollte. So entstand Dark Souls mit samt seiner Lore als alleinstehendes Produkt und genau so fühlt es sich auch an. Handlung und Welt werden zunächst etabliert und dann komplett erzählt, bis sie schließlich kohärent zu einem Ende finden.

Der Funke springt ĂĽber

Selbst Schöpfer Hidetaka Miyazaki sträubte sich vor einer Fortsetzung, sollte aber – nachdem er bei Dark Souls 2 nur eine beratende Funktion hatte – aufgrund von geschäftlichen Entscheidungen einige Jahre später die Entwicklung des dritten Teils leiten. Das Ergebnis davon ist mit Sicherheit kein schlechtes Spiel, jedoch schöpft es die Erfahrungen, die man während des Spielens macht, aus dem selben Fass wie bereits die ersten beiden Teile, statt ein Neues aufzumachen. Das Gameplay wurde eher krampfhaft um einige Funktionen erweitert, die man getrost ignorieren kann und die bereits im ersten Teil geschlossene Welt musste wieder geöffnet und unnötig aufgeblasen werden, um Platz für die Fortsetzung zu schaffen. Im Vergleich dazu sind Demon’s Souls und Bloodborne, die allgemein als geistiger Vorgänger und Nachfolger von Dark Souls bezeichnet werden völlig eigenständige Erfahrungen. Der Kern des Gameplays wird übernommen und um eigene Aspekte erweitert, die im vorherigen Setting keinen Platz fanden. Beide können völlig unabhängige, eigene Geschichten erzählen und uns in unbekannte Welten entführen, die sich frisch und neu anfühlen. Weil sie genau das sind. Eigenständig, frisch und neu.

Einen ähnlichen Weg geht auch Final Fantasy, dass sich mit jeder Iteration neu erfindet, neue Welten öffnet und sogar das Genre wechselt. Neben dem Namen verbindet die Spiele nur ein sehr grober geschichtlicher Rahmen, welcher von jedem Teil der Reihe anders gefüllt wird. Metal Gear bleibt sich seiner Handlung und Welt hingegen treu, erweitert mit jeder Fortsetzung aber sowohl die spielerische, als auch die geschichtliche Erfahrung so massiv, dass es hier ebenfalls eine Ausnahme darstellt. Es gibt also durchaus großartige zweite, dritte und fünfzehnte Teile, der Großteil verschwimmt allerdings zu einem Sumpf immer gleicher Wiederholung der selben, einst großartigen Momente. Die fünfte Fahrt in der selben Achterbahn ist aber auch nicht mehr so aufregend wie die erste.

So fand Dark Souls in meinen Augen bereits im ersten Teil das perfektes Ende fĂĽr die Serie. Denn ein gutes Spiel braucht keinen direkten Nachfolger, der nur mehr vom Gleichen bietet. Stattdessen sollte es als Basis fĂĽr geistige Nachfolger dienen oder im besten Fall andere Entwickler dazu inspirieren, ihre Version dieser Gamedesign-Philosophien zu einem neuen Spiel zu machen.

Denn das ist es, was Videospiele so aufregend macht. Neue Welten, neue Abenteuer und neue Erlebnisse.

Artikel der Rubrik “Kommentare” sind persönliche und subjektive MeinungsäuĂźerungen unserer Redakteure. Darin geäuĂźerte Meinungen geben nicht unbedingt die Meinung von IKYG oder der Redaktion wieder.
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