Lesezeit: 9 MinutenOkay, es passiert ja nicht oft, dass eine Story damit anfängt, dass wir eigentlich tot sind. Moment, streicht das – in Mass Effect 2 hatten wir das schon, Jack Harkness in Torchwood war bisher auch noch nicht totzukriegen und in Warehouse 13 ist Wiederauferstehung auch schon passiert, sogar in Akte X hieß es damals schon man stirbt immer zweimal. Naja, auch egal, in EA’s Action-RPG Kingdoms of Amalur fängt jedenfalls alles damit an, dass wir das Zeitliche gesegnet haben.
Anders als bei all den anderen aufgeführten Auferstehungs-Storylines können wir uns aber an Nichts vor unserem Tod erinnern, wir wissen also überhaupt nicht, wie und warum wir eigentlich gestorben sind. Da im Intro in die Spielwelt allerdings von einem Krieg die Rede war, bin ich bislang immer davon ausgegangen, wir wären im Kampf gefallen… mittlerweile, nachdem ich schon verdammt viel Zeit in Amalur verbracht habe und nach und nach auch immer wieder Brocken der eigenen Geschichte erfahren habe, bin ich mir da gar nicht mehr so sicher.
Die Steuerung – genau so muss sich Kämpfen anfühlen!
Alles beginnt damit, dass zwei Gnome uns auf einem Leichenkarren durch eine lange Halle schieben und sich über uns unterhalten. Zwischendrin, wenn es darum geht wie wir aussehen und welcher Rasse wir angehören, dürfen wir dann unseren Character erstellen (wir könne aus vier verschiedenen Rassen wählen die jeweils drei unterschiedliche Startstats haben) und schließlich auch benennen, bevor wir ohne großes Trara über eine Art Müllklappe entsorgt werden. Genau, die ersten Szenen die wir erleben bevor wir selbst Hand anlegen dürfen bestehen daraus, dass wir inmitten eines bereits verwesenden Haufens Leichen die Augen aufschlagen. Uagh. Gut, dass es bisher noch keine Möglichkeit gibt auch Gerüche wiederzugeben.
Aber danach geht es auch schon los. Wir müssen uns einen Weg aus den Katakomben des Labors (bzw. der sog. Quelle des Lebens) bahnen, nachdem eben jener Quell von Feinden angegriffen wird, die uns nach dem Leben trachten. Wow, gerade eben noch tot und schon wieder auf irgendeiner most-wanted-Liste gelandet – das nenne ich Karriere. Dieses erste Kapitel innerhalb des Allestar Turmes stellt auch ein Tutorial dar, in dem wir in das Kampfsystem und die Steuerung eingeführt werden.
Ein Wort zum Kampf und der Steurung: geil! So muss sich Kampf in einem Action-RPG anfühlen, da kann die Dragon Age-Serie sich IMHO echt eine Scheibe von abschneiden. Live Action Combat wie er leibt und lebt.
Mit Maus und Tastatur – oder, so wie ich persönlich es angenehmer finde, mit einem XBox360 Gamepad (und man, ich hätte nie gedacht, dass ich das jemals in meinem Leben schreiben würde…) welches nahtlos vom Spiel erkannt und voll unterstützt wird – stürzen wir uns in den Kampf und schnetzeln wild drauflos, dass das Blut bloß so spritzt (ist ja ab 18, da gibt es auch ein paar Gore- und Splattereffekte, auch wenn dir für mich persönlich gar nicht unbedingt notwendig gewesen wären). Wir können dabei quasi on-the-fly zwischen unserer primären und sekundären Waffe (die völlig frei wählbar sind) hin und her schalten und müssen aktiv blocken oder ausweichen (und uh… es gibt so einige Gegnertypen, i.d.R. meine absoluten Liebslings- Gegner, da sind wir eigentlich fast NUR am ausweichen, zumindest in meiner skillung…). Je nachdem wo wir die drei Skillpoints die wir pro Level bekommen verteilen (es gibt Finesse, Sorcery und Might Fähigkeiten, wobei Finesse eher einen Stealth-Assasin macht, Sorcery für all diejenigen mit magischen Ambitionen da ist und Might schließlich die Spezialisierung für all diejenigen ist die in schwerer Rüstung riesige Hämmer schwingen wollen), bekommen wir Zugriff auf weitere Fähigkeiten und “Moves”.
Unter den Waffen die wir wählen können sind Zweihänder, Hämmer, Zepter, Stäbe, Dolche, Faeblades (Illidan aus Warcraft lässt grüßen) und… Chakrams! That’s right, Xena’s in da house! Und man… Chakrams sind definitiv meine absolute Lieblingswaffen. Schade, dass sie eigentlich zum Magier-Skilltree gehören (was ich irgendwie überhaupt nicht nachvollziehen kann) und damit nicht ganz zu meiner ansonsten puren Bogenschützen-Stealth-Assasin Skillung passen. In jedem Fall bin absolut begeistert!
Der Reckoning Modus, das Skillsystem, Fateweaver und moment mal… wir haben kein Schicksal?!
Eine der ersten Erkentnisse über uns ist… das wir kein Schicksal haben, bzw. das Schicksal selbst manipulieren können, um etwas geschehen zu lassen, das so ursprünglich nicht vorgesehen war. Ihr habt richtig gehört. Normalerweise ist in Amalur das Schicksal eines jeden – also alles zwischen Geburt und Tod – vorherbestimmt und mit Hilfe der sogenannten Fateweaver besteht die Möglichkeit einen Blick darauf zu werfen – aber seien wir ehrlich… wer will schon wissen wie und wann er sterben wird, wenn er sowieso nichts dagegen tun kann? Nicht so bei uns, kein Fateweaver kann unser Schicksal sehen und damit bestimmen wir selbst was wir tun und ob wir nicht auch das Schicksal anderer verändern. Dies gibt uns eine immense gottgleiche Macht, die wir clever einsetzen können und mitunter auch müssen.
Die unmittelbare Möglichkeit unsere Macht über das Schicksal auszuüben ist der Reckoning Modus. Immer wenn wir einen Gegner besiegen bzw. unsere Spezialfähigkeiten einsetzen, bekommen wir dafür Reckoning-Punkte, die langsam einen Balken auffüllen. Ist dieser Balken voll können wir den Reckoning-Modus im Kampf benutzen, und damit für einen kurzen Augenblick – solang bis der Balken wieder leer ist – ziemlich unbesiegbar werden, denn plötzlich bewegen wir uns mehr oder minder außerhalb der Zeit und können unsere Gegner oftmals ohne größere Probleme aus dem Verkehr ziehen, und sie dann am Ende mit einem Finishing Move, der, gepaart mit einem Quicktime-Event, einen bis zu 100prozentigen Erfahrungsbonus einbringen kann, endgültig ins Jenseits befördern. So manch aussichtslos erscheinender Kampf (ich hasse Threshs… ich hasse sie wirklich, vor allen Dingen wenn da mehr als einer ist…) bekommt so eine völlig andere Wendung – vermutlich einer der Gründe warum es heißt wir könnten das Schicksal nach unserem Willen verändern.
Fateweaver bieten außerdem die Möglichkeit gegen einen Obolus unsere Skillpunkte zurückzusetzen. Und wir verteilen nicht nur Punkte für Kampffähigkeiten, sondern auch pro Level einen Fertigkeitenpunkt für Dinge wie Alchemie (zum Tränke brauen und Pflanzen sammeln, und… es gibt verdammt viele Pflanzen in Amalur), Schlösser knacken, entzaubern (das Minispiel dazu hab ich bisher einfach noch nicht geschnallt… ich krieg das nicht hin, nicht mal bei den als “sehr einfach” markierten Schatzkisten), Verstecke auffinden, Schmiedekunst etc.
Die Skilltrees sind dabei ziemlich umfangreich und man kann sich genau das zusammenstellen was man für seinen eigenen individuellen Playstyle braucht. In Amalur gibt es kein richtig oder falsch was Fähigkeiten angeht, es kann jeder genau so spielen wie er will. Je nachdem wieviele Punkte wir in Sorcery, Finesse oder Might stecken, werden außerdem Schicksalskarten freigeschaltet die zusätzliche Boni bringen. Zusätzlich bietet das absolvieren bestimmter Quests (vor allen Dingen von Fraktionsquests) auch noch die Möglichkeit “Twist of Fate” Karten zu verdienen die dauerhafte Boni mit sich bringen.
Fertigkeiten ermöglichen wie schon angedeutet neben dem vereinfachten knacken von Schlössern, oder der erhöhten Chance sich unbemerkt an sein nächstes Opfer anschleichen zu können, auch das sammeln von Pflanzen und brauen von Tränken (und es gibt nicht nur verdammt viele verschiedene Pflanzensorten, sondern auch unzählige Zaubertränke, die inem mal ganz schnell das Inventar verstopfen können), oder das Zerlegen und Schmieden von Waffen und Rüstungen. Außerdem können wir auch noch Kristalle herstellen, die dann in Sockel in Waffen oder Rüstungen passen und zusätzlich Boni bringen. Je mehr Fähigkeitenpunkte wir investieren umso mächtiger sind die von uns geschaffenen Waffen, Rüstungen und Kristalle. Und holla die Waldfee gibt es da unzählige Kombinationsmöglichkeiten – es ist so ohne größere Probleme möglich Waffen herzustellen, die weitaus mächtiger sind als alles was wir bei einem Händler kaufen oder in der Wildnis in Schatztruhen finden können.
Amalur ist grafisch zum Teil wirklich atemberaubend
Selbst wenn man wie ich das Spiel nur mit geringsten Grafikdetails spielt, damit einem die Grafikkarte bei längeren Spielsessions kein Loch ins Laptopgehäuse schmilzt, wird man im Verlauf des Spieles immer wieder an Orte gelangen die einfach nur schön sind. Die Lichteffekte sind mitunter einfach atemberaubend und die Landschaften detail- und abwechslungsreich. Die Charaktere selbst sind dabei auch ganz ansehnlich, auch wenn ich mir für meinen eigenen Charakter noch ein paar mehr Auswahlmöglichkeiten gewünscht hätte, vor allen Dingen auch was die Statur angeht.
Die Story – umfangreiche Fantasy vom Feinsten
Was erwartet man auch anderes wenn R.A. Salvatore persönlich daran mitgearbeitet hat? Die Hauptstoryline ist definitiv komplexer und facettenreicher als ich ursprünglich erwartet hatte (und es gibt so viele verschiedene Aspekte über Hintergründe und Geschichte, dass es den Rahmen einer Review absolut sprengen würde – aber denkt zum Vergleich einfach so ein Bisschen an Herr-der-Ringe-umfangreich) und es gibt nahezu unendlich viel Hintergrundinformationen über Amalur zu entdecken – zum Teil in Konversationen (die übrigens ganz nach Mass Effect Vorbild ein Auswahlrad bieten, und bis auf den Spielercharakter, der leider komplett stumm bleibt, auch voll vertont sind), aber auch durch die sogenannten “Lore-Stones”, die unter anderem auch alle “Jäger und Sammler” ansprechen sollen, die sich Exploration der weitgehend offenen Welt zum Ziel gesetzt haben.
Über einen Mangel an Quests oder Langeweile kann man sich auch nicht beschweren. Es gibt dutzende Nebenquests zu erledigen – manche sind rechtschaffen, andere eher weniger – und Dungeons aufzusuchen. Die Dungeons dabei zwar überwiegend ähnlich aufgebaut, aber doch mit genügend Details ausgestattet, dass man nicht das Gefühl hat: ugh, hier bin ich doch schon dutzende Male gewesen (wie zum Beispiel in den Nebenmissionen von Mass Effect 1). Dazu kommen noch unterschiedliche Fraktionen denen man sich anschließen kann – darunter sogar die unsterblichen Fae (ich würde ja sagen Feen, aber dabei denkt immer jeder an sowas Tinkerbell, und das wäre absolut unangebracht).
Die Spielwelt sieht auf der Karte auf den ersten Blick verdammt klein aus – aber lasst euch gesagt sein: sie ist es nicht. Nach fast 40 Spielstunden habe ich immer noch nicht jeden Winkel freigelegt. Eines der besten Features in diesem Zusammenhang ist übrigens das Schnell-Reise-System, mit dem ich jederzeit einfach einen wichtigen auf der Karte verzeichneten Ort den ich bereits besucht habe wieder aufsuchen kann, ohne dahin zurücklatschen zu müssen. Einfach super.
Das Menu – Fail Leute, einfach nur Fail
Nachdem ich mich bisher in purer Lobhudelei ergossen habe, komme ich jetzt zu dem Punkt der mir schier die Haare hat zu Berge stehen lassen. Das Menu. Es ist ein Alptraum. Allein um eine Waffe auszurüsten, muss ich mich durch fünf Menüpunkte quälen. Eine schnelle Übersicht über all mein Equiment – so wie man es aus fast allen RPGs und MMORPGs gewohnt ist – gibt es nicht. Ich kann zwar Dinge aus meinem Inventar (welches immerhin sortiert nach Waffen, Rüstung, Accesoires, etc.) direkt mit den Dingen vergleichen mit denen mein Charakter ausgerüstet ist, aber übersichtlich geht definitiv anders.
Okay, viele werden jetzt vielleicht sagen, das Spiel wurde eigentlich hauptsächlich für Konsolen entwickelt, das heißt aber noch nicht, dass das Menü derart – man verzeihe den Ausdruck – scheiße und umständlich sein muss. Wobei ich ja sagen muss, mit dem Kontroler nervt einen das nicht mehr ganz so, weil man, anstatt jedes Mal Esc drücken zu müssen um ein Menü zu verlassen (alternativ kann man auch auf “zurück” klicken, was aber noch mehr Zeit kostet), einfach nur wild auf den B-Knopf drückt – aber es ist trotzdem absolut unangebracht. Ich habe läuten gehört, dass das irgendwann vielleicht gepatcht werden soll – und das hoffe ich auch verdammt stark.
Fazit:
Kingdoms of Amalur macht über weite Strecken einfach nur Spaß. Wer Spaß an actionlastigen RPGs mit live-action combat hat und Fantasy mag, macht bei Kingdoms of Amalur absolut nichts falsch – solange er über die Fehlleistungen des Interfaces hinwegsehen kann. Der Kampf is actionreich und geht gut von der Hand ohne allzu frustrierend zu sein (okay gelogen, manchmal will man einfach nur den Kontroller gegen die nächste Wand pfeffern, weil die eigene Blödheit einen schon wieder umgebracht hat).
Die Story ist interessant genug um einen soweit zu fesseln, dass man in jedem Fall herausfinden möchte wie es ausgeht (und wer die attracktive Alyn Shir eigentlich ist, die uns immer wieder auf unserer Reise begegnet). Auch wenn ich es schade fand, dass wir irgendwie etwas einsam sind. Zwar gelangen im Verlauf des Spieles mehrere Grundstücke/Häuser (bzw. sogar eine ziemlich große Villa) in unseren Besitz, aber anders als zum Beispiel in Dragon Age besteht hier nicht die Möglichkeit zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen – auch wenn meiner Meinung nach mehr als nur einmal mit dem Hauptcharakter geflirtet wird.
Sehr schön fand ich auch die Namensgebung der Gegner und Orte was den Einbau der keltischen/irischen/schottischen Mythologie angeht. So treffen wir zum Beispiel Fae der Summer und Winter Courts – die auch als Seelie Court und Unseelie Court bezeichnet werden -, es gibt eine Region die Sidhe heißt und unsere Feinde sind die Tuatha (abgeleitet von Tuatha de Danann schätze ich mal). Als Fantasy Freund, oder wenn man sich ein Bisschen mit Mythologie beschäftigt hat, fühlt man sich da als würde man nach hause kommen.