Lesezeit: 5 MinutenNachdem Nintendo im Juni 2011 auf der E³ die Wii U vorgestellt hatte, rechnete wohl kaum noch jemand damit, dass für die Wii noch irgendein großer Titel erscheinen wird. Von dem ebenfalls bald erscheinenden Zelda einmal abgesehen. Doch dann kam plötzlich das JRPG Xenoblade Chronicles wie aus dem Nichts um die Ecke gebogen. Warum es möglicherweise eines der besten Rollenspiele der letzten Jahre ist, erfahrt ihr in diesem Test.
Xenoblade Chronicles Test
Als JRPG Fan und Nicht-Handheld-Besitzer konnte man in den letzten Jahren so schon ein wenig verzweifeln. Zum Einen schienen die klassischen japanischen Rollenspiele fast nur noch auf Handhelds statt zu finden und zum anderen enttäuschten die letzten großen Vertreter des Genres à la Final Fantasy XIII viele Fans maßlos. Dass nun zum Ende der Wii Ära hin gerade Nintendo höchst persönlich mit Xenoblade Chronicles noch einmal ein episches und eher klassisch wirkendes JRPG auf den Markt geworfen hat überraschte dann doch irgendwie. Hatte das Spiel doch selbst in der Fachpresse kaum jemand so richtig auf dem Schirm.
Grafikpracht auf der Wii?
“Sieht für ein Wii Spiel echt ganz gut aus”. So oder so ähnlich lautet wohl eins der von Spieleredakteuren meistgehassten Phrasen, wenn es um die Rezension von grafisch ganz nett dreinblickenden Wii-Titeln geht. Denn eigentlich ist dieser Satz so ausgelutscht, dass man mit ihm ohne weiteres einen Flächenbrand entfachen könnte. Und doch kommt man scheinbar irgendwie trotzdem nicht ganz darum herum. Warum ich das hier erwähne fragt ihr euch? Nun ja, weil eben jener Satz auch auf Xenoblade Chronicles zu trifft. Das Spiel ist grafisch stimmig und sieht alles andere als hässlich aus. Im Gegenteil, begeistert es doch durch überraschend weitläufige Landschaften, stimmungsvolle Tag- und Nacht-Wechsel, sowie tolle Hintergründe, vor allem wenn es um Abschnitte geht die unter freiem Himmel spielen. So blickt man bei seinen Streifzügen auf schöne Sternenhimmel oder schaut von Felsen auf Gebiete hinab durch die man sich eben noch fortbewegt hat. Und das Tolle daran, Ladezeiten gibt es so gut wie keine. Schon gar nicht, wenn man sich mittels Map zu bereits erkundeten Gebieten teleportiert!
Und deswegen heißt es zu Recht:
Xenoblade Chronicles sieht richtig dufte aus, für ein Wii Spiel (!) und Entwickler Monolith Soft hat es geschafft eine Welt zum Leben zu erwecken, die sich so manch ein Rollenspielfan sicherlich schon von Final Fantasy XIII gewünscht hätte: Atmosphärisch, frei begehbar (und nicht schlauchartig) und das alles mit einer unterhaltsamen, bewegenden Story, in die man sich hinein versetzten kann. Da kann SquareEnix noch so stark an der Grafikschraube drehen und mit HD-Optik protzen, wenn der Rest nicht stimmt, hilft das auch nicht wirklich. Von der Begehbarkeit und Freiheit her, könnte man die Welt von Xenoblade Chronicles in etwa mit Final Fantasy XII auf der PS2 vergleichen. Es gibt eine Story, die einen voran treibt und in neue Gebiete führt, aber auch abseits dessen gibt es immer wieder viel zu entdecken und es steht einem jederzeit frei, bereits erkundete Gebiete und Städte zu besuchen.
In Xenoblade Chronicles schlüpft der Spieler in die Haut des jungen Hauptcharakters Shulk der, zusammen mit seinen Begleitern, über eine vom Krieg mit den Mechons zerstörte Welt zieht um mit Hilfe des mysteriösen Schwertes, dem Monado, ein für alle Mal für Frieden zu sorgen. Die Welt setzt sich dabei zusammen aus den Körpern zweier Titanen, die sich vor Urzeiten bekämpften hatten und dabei beide starben. Nach und nach entstand auf ihren Körpern zum Einen organisches Leben (die beiden Völker Bionis und Homs) aber auch eben jene Mechons, maschinenartige Soldaten, denen durch normale Waffen kaum Schaden zu zufügen ist.
Hier kommt wiederum das bereits erwähnte Monado zum Einsatz, ein mächtiges Schwert, dass seinem Träger zahlreiche Fähigkeiten verleiht, unter anderem die, in die Zukunft zu schauen. Allerdings scheint Shulk der Einzige zu sein, der es gefahrlos benutzen kann. Im Laufe des Spiels ergeben sich so immer neue Möglichkeiten im Kampfgeschehen.
Die Kämpfe (mit der Kamera)
Ein Rollenspiel kann optisch noch so beeindruckend sein, wenn das Kampfsystem nicht funktioniert oder einfach nur 08/15 ist, bringt auch die beste Grafik und eine gute Story nicht viel. Das Kampfsystem von Xenoblade Chronicles kann durchaus als umfangreich bezeichnet werden und kann Genre-Einsteiger gerade am Anfang ein wenig überfordern und vielleicht auch abschrecken. Nach einiger Eingewöhnungszeit weiß es doch durchweg zu überzeugen. Die allerdings braucht es auch, um durch das ausgefeilte System aus Angriffsketten, Visionen, Gruppenbefehle, Wutringe und Harmonien zu blicken und es gezielt einzusetzen. Hat man es jedoch erst einmal verinnerlicht geht es irgendwann wie aus einem Guss und sorgt für abwechslungsreiche und manchmal auch ziemlich harte Kämpfe. Das es ein wenig dauert, um sich im Kampfgeschehen zurecht zu finden, daran ist auch die Kamera Schuld, die gerade in Kämpfen, aber auch beim Durchwandern von Höhlen oftmals ungünstig platziert ist und oft manuell nachjustiert werden muss. Das hätte eindeutig besser gelöst werden müssen und kann wohl getrost als größter Kritikpunkt des JRPG gezählt werden.
Der Rest wiederum ist übliche JRPG-Kost. Es werden Gegenstände von besiegten Gegnern gesammelt und entweder verkauft oder ausgerüstet. Juwele geschmiedet, die – einmal eingesetzt – die Ausrüstung verbessern und Techniken erlernt, die neue Fähigkeiten im Kampf freischalten. Durch zahlreiche Nebenmissionen und durch Bezwingung von Gegnern gibt es die üblichen Erfahrungspunkte und die daraus resultierenden Levelaufstiege, die die Charaktere stärker machen. Sobald man nicht alleine sondern in einer Party unterwegs ist, kann man zudem wählen, welche Figur man im Kampf steuert. Auf die Handlung der Anderen kann man dann wiederum nur minimal durch Befehle einwirken.
Fazit:
Mit Xenoblade Chronicles hat Nintendo kurz vor Ende der Wii-Ärea noch einmal ein Spiel auf den Markt geschmissen, dass Rollenspiel-Fans in den letzten Jahren vergeblich gesucht haben. Optisch, trotz Wii-bedingter Hardware-Beschränkungen, beeindruckend und atmosphärisch stark, wartet es mit einer epischen Story und einem ausgefeilten Kampfsystem auf. Einzig die oftmals schlecht positionierte Kamera steht einem uneingeschränkten Spielvergnügen im Weg. Außerdem wirkt die englische Sprachausgabe leicht unpassend, da diese mit britischem Akzent daher kommt. Wer sich daran stört, kann aber immer noch zur Japanischen greifen.