Lesezeit: 3 MinutenIhr besucht diese Seite, weil euch Videospiele interessieren. Sie haben eine Bedeutung für uns. Das mag nicht jeder verstehen, aber so ist es mit Hobbies nun mal. Autor und Journalist Tom Bissell hat in seinem Buch Extra Lives: Why Video Games matter auf unterhaltsame Weise die Punkte gesammelt, warum Spiele in die Welt der Kunst gehören, welche Bedeutung sie für ihn und alle anderen enthusiastischen Gamer haben und an welchen Kinderkrankheiten unsere Lieblinge noch leiden.
In Extra Lives geht es nicht um die Geschichte, die Technik oder die Zukunft von Videospielen, sondern Bissell erklärt uns und allen Nicht-Gamern, warum er so begeistert von Videospielen ist, warum er sie spielt und welche Fragen sich bei ihm während des Spielens stellen. Dabei spricht er alle wichtigen Themenpunkte an, mit denen Spiele in den letzten Jahren konfrontiert wurden: Gewalt, ob sie Kunst sind oder warum sie uns so (im positiven Sinne) süchtig machen können. Dabei ist er nicht der kluge Lehrer, sondern einer von uns. Jeder, der sich viel mit Videospielen beschäftigt, kann seine Argumentation jederzeit nachvollziehen und zustimmen. So sehr unser Hobby in ernster Weise dargestellt wird, so sehr vergisst der Autor auch nicht, die richtige Prise Humor in seine Gedanken und Geschichten einzupacken. So beginnt das Buch bereits mit der Geschichte, dass an dem Tag, als Amerika seinen ersten schwarzen Präsidenten gewählt hat, Bissell das Ereignis verpasst hat, da es sich auch noch um den Tag handelte, an dem seine Fallout 3-Bestellung bei ihm ankam. Und so wurden aus den bekannten “nur zwei Stunden” mehrere, so dass er sogar die Rede des neu gewählten Präsidenten verpasste. Im ersten Kapitel erfährt man schon viel von der Grundidee des Buches, Bissell schreibt nicht nur einfach, dass ihm Fallout 3 gut gefällt, sondern auch ausführlich warum. So nimmt er den Leser mit auf eine kleine Reise durch Sandbox-Spiele, bringt Erinnerungen an die eigene Erfahrung mit dem Spiel wieder zurück und macht klar, warum Games unser Hobby ist. Er hätte es als Journalist auch objektiv und abgeklärt schreiben können, hat er aber Gott sei Dank nicht, denn er ist subjektiv, so wie jeder, der das Bucht liest, die Spiele gespielt hat, auch. Das macht ihn nicht nur zum Autor eines wirklich lesenswerten Buches, sondern zu einem von uns. Eine der Voraussetzungen, um das Buch und seine gesammelten Erlebnisse besser verstehen zu können, ist allerdings, dass man sich mit den Titeln der letzten Jahre auseinandergesetzt haben sollte. Hat man das nicht, wird man in manchen Teilen seine “Sucht” nach GTA, Gears of War, Braid, BioShock oder Mass Effect kaum nachvollziehen können.
Bissell beschreibt lebendig, warum das Medium Videospiele existiert und welchen Einfluss es auf die Gamer hat. Er selbst ist begeisterter Gamer und das bemerkt man in jedem Satz. Nicht-Gamer werden eher Probleme haben, seiner Argumentation komplett zu folgen, vor allem wenn er von tage- und nächtelangen Left 4 Dead-Sessions schreibt und Kritikern eher in ihrer Sucht-Argumentation entgegen kommt. Gamer verstehen dies natürlich mehr als Enthusiasmus. Das Buch ist gepaart mit anspruchsvollen Fragen und Antworten und den real gemachten Erfahrungen des Autors. Er vergleicht die Entwicklung der Spiele mit den Erfahrungen der Spieler. Was erwarten die Macher, was die Spieler? Bissell führt Interviews und Gespräche mit den Großen aus der Branche, wie Peter Molyneux, besucht Epic Games, BioWare, spricht mit Mitarbeitern von LucasArts. Damit gibt er einen sehr guten Einblick in die moderne Industrie der Videospiele als wichtiges Medium unser heutiger Zeit. So bekommen wir Leser nicht nur unser eigenes Verhalten und Hobby im Spiegel vorgezeigt, sondern erfahren auch noch intressantes Hintergrundwissen.
Wir alle können die meisten Argumente in dem Buch getrost abnicken, denn jeder Gamer liegt im Zwiespalt mit Gewalt und Spaß, mit Gameplay versus Handlung. Wir alle wissen und diskutieren wahrscheinlich mit Nicht-Gamern über den Anspruch in Videospielen, warum sie Kunst sind, aber dennoch nicht ganz 100prozentig mit Film und Fernsehen verglichen werden können. Da Bissell ausführlich über seine Erfahrungen mit Drogenkonsum spricht, während er tagelang nichts anderes macht, als in Las Vegas GTA IV zu spielen, sei darauf hingewiesen, dass das Buch nicht unbedingt für jüngere Leser geeignet ist. Hinzu kommt, dass die Spiele, die er ausführlich bespricht, selbst in das USK ab 18 Jahren-Gebiet fallen. Für Interessierte noch der letzte Hinweis, dass das Buch bisher nur in Englischer Sprache erschienen ist – scheinbar sind wir Deutschen immer noch nicht als Zielgruppe dieses Genres überzeugend.
Wen es schon immer interessiert hat, wieso die Angestellten von Epic Games sich die teuersten Autos leisten können (übrigens eine sehr lustige Anekdote des Autors, die er bei seinem Besuch beim Entwickler vor Ort erfahren hat), der kann auf amazon.de einen Blick in das Buch werfen und es natürlich auch für wenig Geld käuflich erwerben.