Lesezeit: 8 MinutenAnti-Kriegsfilme gibt es viele, da sind Platoon, Geboren am 4. Juli, Die Brücke und Apokalypse Now. Sie alle haben den Anspruch die Wirklichkeit und den Schrecken eines Krieges aufzuzeigen, egal in welcher Ecke der Welt er stattfindet. Das deutsche Entwicklerstudio Yager aus Berlin hat mit Spec Ops: The Line einen Shooter veröffentlicht, der genau dasselbe Ziel hat: Der Spieler soll nicht einfach nur schießend durch die virtuelle Welt vorankommen und sich als Held fühlen, sondern Entscheidungen treffen und sich dabei vor allem schlecht fühlen. Ob es geklappt hat, erfahrt ihr in unserem Test.
Der Test ist zugegeben etwas verspätet, doch dafür erhaltet ihr zusätzlich die volle Portion Multiplayer und Koop-Modus, der erst kürzlich veröffentlicht wurde.
Die teuerste Ruine der Welt
Dubai ist verloren, Sandstürme haben als Naturkatastophe von der Stadt besitz genommen und tausende Einwohnern getötet. Die US-Evakuierungseinheiten sind verschollen. Colonel Joseph Konrad (genau der Verrückte aus dem Roman Herz der Finsternis, der als Vorlage für Apokalypse Now diente), scheint noch am Leben und mit ihm ein paar Soldaten der 33. Einheit. Nachdem ein Funksignal aus der Stadt gesendet wurde, schickt die US-Army gerade mal drei Soldaten auf eine Rettungsmission, um weitere große Verluste zu vermeiden. Captain Walker und seine beiden Kollegen Adams und Lugo müssen herausfinden, woher das Signal stammt, ob Konrad noch lebt und ob tatsächlich überlebende Einwohner aus Dubai evakuiert werden können. Als Spieler stehen wir vor weitreichenden Entscheidungen und bald weiß niemand mehr so richtig, was wahr, was falsch, was real und was Einbildung ist.
Dieses schlechte Gefühl
Spec Ops: The Line ist von der Mechanik her ein typischer Shooter. In der Person von Captain Walker schießen wir uns vornehmlich durch die Wüstenlandschaft und versuchen uns so zu Konrad vorzukämpfen. Dessen Einheit und einheimische Rebellen haben etwas dagegen, dass weitere Amerikaner in die Stadt kommen, welche Gründe sie dafür haben, erfahren wir erst im Verlauf des Spiels. Für unseren Kampf stehen uns unterschiedlichen Waffen zur Verfügung, die man aus Shootern kennt. Auch zur Verfügung stehen uns die beiden Soldaten Adams und Lugo, was einen kleinen aber meist hilfreichen taktischen Zusatz in das Spiel bringt. Mit der R2-Taste markieren wir einen oder zwei Feinde und unsere Helfer nehmen sich im Anschluss derer an. Wir können ihnen auch den Befehl geben, die Feindgruppe mit einer Blendgranate für kurze Zeit orientierungslos zu machen. Das funktioniert meistens sehr gut, kann aber auch in die Hose gehen, wenn wir Adams oder Lugo anweisen, einen Feind auszuschalten, der entweder sehr stark ist oder der Angriff ohne Deckung abläuft. Die beiden sind allerdings nicht unsterblich und können verletzt werden. Dann ist es an uns, die beiden zu heilen und vor dem Tod zu bewahren.
Die Abschnitte von Dubai führen uns vor allem von einer Deckung zur nächsten. Wer denkt, einfach nur durchlaufen zu können, der wird erheblich oft vom Tod ereilt. Allerdings funktioniert die Deckung (die mit der X-Taste ausgelöst wird) nicht immer reibungslos. Zwas geht Walker in Deckung, doch der Sprung von einem geschützen Ort zum anderen ist manchmal ein Akt der Frustration. Walker steht auf, mit dem Rücken zur Deckung, muss sich erst umdrehen, über die Deckung springen und zur nächsten Sprinten. Während dies passiert, ist der Feind meistens schneller und Walker tot. Wie mittlerweile in Shootern gängige Praxis kracht es an vielen Ecken (obligatorische Hubschrauberabstürze inklusive) und die Gegner geizen nicht mit Anwesenheit, so dass von uns vor allem verlangt wird, die angreifenden Feindesmassen zu beseitigen. Das wird vor allem dann zur Schwierigkeit, wenn uns die Munition ausgeht und die ist auch so schon recht knapp bemessen.
Die Feinde gleichen sich wie ein Ei dem anderen, sofern sie die gleichen Eigenschaften haben. Ein angreifender Nahkampfexperte ist so genauso einfach zu identifizieren, wie die sehr gut gepanzerte Einheit oder ein Shotgunner. Das hat den Vorteil, dass der Spieler sofort weiß, welche Waffe er einsetzen sollte und welche Taktik, aber die Abwechslung in den Gegnereinheiten geht flöten. Fahrzeuge stehen im Spiel nicht zur Verfügung, dafür aber der Sand, den wir gegen feindlich gesinnte Soldaten und Rebellen einsetzen können und auch müssen. Leider ist diese Möglichkeit dafür, dass wir eigentlich fast nur Sand sehen, recht selten ein Spielelement. Spec Ops gibt uns zudem vor, wann wir zum Beispiel auf Fenster schießen sollen, um den Sand in Gebäude und auf Feinde fallen zu lassen. Freies Erkunden fällt allgemein weg in diesem linear aufgebauten Shooter, der uns klar von einer Aufgabe zur nächsten führt.
Spec Ops: The Line ist bezogen auf die Handlung alles andere als ein typischer Shooter. Wir sind nicht Walker der Held, sondern Walker der Soldat, der Entscheidungen treffen muss, von denen keine die Richtige ist. Es gibt keine gute oder böse Seite, wir selbst sind nicht gut oder böse, sondern versuchen das Beste aus der Situation zu machen. Es sind eigentlich recht simple und einfache Methoden, denen sich der Titel bedient, um den Spieler in das Geschehen einzubeziehen. Schon bevor das Abenteuer beginnt, werden wir im Intro sehen wir unseren PSN-Namen und werden als Special Guest vorgestellt. Ich bin es also, der eine wichtige Rolle in dem Spiel einnehmen wird. Oder die Ladebildschirme, die immer mehr den Spieler direkt ansprechen, je weiter man in der Geschichte vorankommt. Wir erfahren, dass wir uns nicht als Held fühlen sollten, dennoch aber eine gute Person sind, dass wir Amerikaner getötet haben und es keine richtige Entscheidung in diesem Krieg gibt. Es ist eine Mischung aus dem Aufzeigen meiner Fehler und dem Verständnis, dass es passieren musste.
Entscheidungen trifft Walker erst gegen Mitte der Spielzeit, doch die haben es teilweise echt in sich. So muss sich der Spieler zum Beispiel entscheiden, ob er einen CIA-Agenten rettet, um an notwendige Informationen über Konrad zu gelangen und dafür Zivilisten opfert oder aber die Zivilisten rettet und dafür auf Infos verzichtet. Je nachdem, wie wir uns entscheiden haben wir Adams und/oder Lugo auf unserer Seite oder auch gegen uns. Die beiden bringen zusätzliche Zweifel ins Spiel, vor allem in den Zwischensequenzen, wenn sie uns unsere Vorgehensweise übel nehmen und sich auch gegeneinander aufbringen. Gibt das Spiel uns Entscheidungsfreiheit, wird es plötzlich ruhiger um uns herum und wir warten auf einen Hinweis, was wir zu tun haben, was wir tun können, doch genau diese Hinweise fehlen. Der Entwickler überlässt es uns herauszufinden, was passieren könnte. Insgesamt gibt es vier unterschiedliche Enden des Spiels, die wir natürlich hier nicht spoilern, doch so viel sei verraten: Egal, wie wir uns verhalten haben, bei jedem der Enden bleibt man mit einem flauen Gefühl im Magen zurück.
Koop- und Multiplayer-Modus
Knapp zwei Monate nach Release gibt es für Spec Ops: The Line den ersten DLC. Dieser fügt einen Koop-Modus mit vier neuen Missionen hinzu und er ist kostenlos. Die Missionen, die an die Spec Ops-Missionen aus Call of Duty erinnern, spielen vor der Haupthandlung, direkt nach dem Einsetzen des Sandsturms und mit namenslosen Charakteren. So müssen wir einen Helikopter erreichen, bevor uns ein Sandsturm einen Strich durch die Rechnung macht, Kommunikationssysteme hacken, als Flüchtling lebend aus der Stadt kommen oder eine wichtige Person innerhalb der 33. Einheit lokalisieren und umbringen. Man kann diese Missionen zwar auch alleine angehen, klug ist es allerdings nicht. Ohne Helfer hat man gegen die angreifenden Gegnermassen keine Chance und Munition ist erst recht kaum vorhanden. Teamwork und der richtige Einsatz der angebotenen Waffen sind unbedingt von Nöten, um durch die Missionen zu kommen. Spaß macht das allemal zu zweit und der DLC ist eine lohnenswerte Erweiterung.
Wer nicht nur alleine oder zu zweit spielen möchte, der hat den Multiplayer-Modus. Dieser hält sich an die mittlerweile von Call of Duty und Battlefield festgelegten Regeln des Onlinespiels. Neuerung ist hier aufgrund der Hintergrundgeschichte und Umgebung, dass auch in hier Sand und -stürme Einfluss nehmen. Die Stürme schränken nicht nur die Sicht sehr stark ein, sondern stören auch unsere Technik und die Karte. Wie im Hauptspiel haben wir zudem die Möglichkeit Fenster zu zertrümmern und den Sand auf unsere Gegner regnen zu lassen. Das bringt mehr Abwechslung und Taktik in die großen verwinkelten Karten. Seilrutschen bringen uns in untere Stockwerke, werfen wir eine Granate sehen wir immer die Flugbahn und das Deckungssystem aus dem Hauptspiel wurde ebenfalls übernommen. Die Karten sind recht groß, erinnern in der Gestaltung an den Einzelspielermodus in und außerhalb von Gebäuden. Leider ist es nicht für alle Spieler so einfach einem Spiel beizustreten. In den Foren gibt es viele die (wie ich auch) das Problem hatten, dass das Matchmaking-System nicht funktionierte und man so alleine in der Lobby auf andere Spieler und aktive Spiele wartete und wartete. Das darf heutzutage eigentlich nicht mehr passieren, es sollte Standard sein, online einem Multiplayerkampf beizutreten, ohne vorher die Einstellungen der PS3 und des Rooters anpassen zu müssen (das Zauberwort ist hier meistens das NAT-System und UpnP). Hat man es geschafft, warten abwechslungsreiche Karten und Spielmodi auf uns, die zwar das Genre nicht neu erfinden, aber allemal Spaß machen.
Grafik und Sound
Grafisch sieht Spec Ops: The Line auf der Playstation3 gut aus, zeigt aber verwaschene oder sich erst langsam aufbauende Texturen. Das fällt allerdings kaum ins Gewicht, wenn man die Sonne über den Gebäuden der Stadt aufblitzen sieht und durch die recht abwechslungsreichen Gebäude wandert. Je weiter der Spieler fortschreitet, desto mehr verändert sich Dubai und damit auch der Hintergrund im Hauptmenü – eine gute Idee. Die deutschen Sprecher machen gute Arbeit, werden aber in der englischen Version noch einmal übertroffen (und man mag es bald nicht mehr verstehen, aber Nolan North ist mittlerweile wohl tatsächlich in jedem Spiel vertreten). Sehr gut ist der Soundtrack, den das Spiel bietet. Von Jimmy Hendrix‘ Version der amerkaischen Hymne hin zu The Black Angels, deren Sound mir beinahe das Gefühl gegeben hat, während des Spielens selbst Teil von Apokalypse Now zu sein.
Fazit
Spielerisch ist Spec Ops: The Line ein Shooter, der alles bietet, was man heutzutage von Titeln des Genres kennt. Was das Spiel aus der Masse definitiv hervorhebt, ist die Handlung und wie sie uns präsentiert wird. Kein anderer Titel hat es bisher geschafft, mich mit einem so dermaßen schlechten Gewissen zurückzulassen und meine Freunde mit den Geschichten, die ich gesehen habe, zu nerven. Koop- und Multiplayer sind gut, halten sich an die mittlerweile wohl stillschweigend festgelegten Regeln des Genres. Wer nicht nur Shooter mag, sondern einen Titel sucht, der vor allem in der Handlung seine Stärken hat und nicht nur wie ein Michael Bay Film wirkt, der muss auf jeden Fall hier zugreifen.
wow, muss ich mir kaufen glaube ich, wenn billiger wird
Gibts zum Beispiel bei Amazon z.B. neu für die PS3 schon für 37 Euro. Das ist ein guter Preis für ein Konsolenspiel.
Das Spiel lebt wirklich von den Kulissen, der Musik und der bizarren Kriegsmoral. Den Spieler beschleicht die ganze Zeit das Gefühl “Was für eine verdammte Scheisse läuft hier eigentlich gerade ab?”
Ein durchweg tolles Spiel, dass einen bedeutenden Nachhall hat.