Lesezeit: 6 MinutenSin and Punishment ist sicherlich nicht jedem Zocker und jeder Zockerin unter der Sonne geläufig. Das liegt zum einen daran, dass das erste Spiel dieses Namens für das N64 nur über wenige Importhändler den Weg nach Europa fand. Und vor wenigen Monaten dann endlich als Virtual Console-Game auf die Wii. Mit der Fortsetzung wollen Entwickler Treasure und Publisher Nintendo nun alles besser machen. Wird ihnen dieses ehrgeizige Ziel zum Verhängnis oder für die Branche zur Genre-Messlatte ?
Aber von welchem Genre reden wir hier eigentlich?
Glasklar handelt es sich bei Sin and Punishment: Successor of the Skies um einen Vertreter des Shoot’em Up-Genres. Und eigentlich ist es ein Railshooter, also ein Spiel bei dem man nur Zielen und abdrücken muss. Wer diesen Titel allerdings auf einen Railshooter reduziert, tut dem Spiel und seinen Schöpfern gewaltig Unrecht. Denn obwohl es die ganze Zeit wirklich ausnahmslos ums Ballern geht ist immer Bewegung mit im Spiel. Und ich rede hier nicht von realen Bewegungen, wie sie bei der Wii ja durchaus üblich sind. Ich rede von Bewegung im Spielgeschehen und in der Spielmechanik. In der einen Sekunde fliegen wir strikt geradeaus, eine Wegbiegung später schwebt man plötzlich horizontal durch die Gegend, um uns anschließend in allen drei Dimensionen durch futuristische Hochhausschluchten zu bewegen. Und selbst dabei müssen wir uns noch bewegen, Hindernissen, Geschossen und Gegner ausweichen, auf sie zufliegen und alles was da kreucht und fleucht mit Fernangriffen oder Nahkampfattacken niedermähen.
Es gibt eine Hintergrundgeschichte
Natürlich hat Sin and Punishment: Successor of the Skies eine Hintergrundgeschichte. Aber die ließe sich eigentlich auf den folgenden Satz herunterbrechen: Ihr seid auf der Flucht vor einem schier unbezwingbaren Gegner.
Natürlich ist das alles aber ein klein wenig ausgefeilter. Seit Anbeginn der Zeit existieren zwei miteinander kämpfende Universen. Isa Jo und Kachi sind von ihren jeweilige Universen bestimmt worden sich zu bekämpfen. Allerdings haben die Beiden einen etwas anderen Plan, da sie sich gegenseitig anziehend finden und befinden sich seit ihrer Entscheidung sich nicht mehr zu bekämpfen auf der Flucht vor Isas ehemaligen Auftraggebern. Und die haben es faustdick hinter den Ohren und sind den beiden Flüchtlingen auf magische Weise immer einen Schritt voraus.
Die im weiteren Spielverlauf fortgeschriebene Geschichte bekommt nicht viel mehr Tiefgang und ist eigentlich auch ein Nebendarsteller des Games. Vielmehr geht es in diesem Spiel um Action! Um niemals unfaire und schon gar nicht brutale Action, von der Einsteiger in das Shoot’em Up-Genre besser die Finger lassen sollten. Sin and Punishment ist kein Sidescroller wie Gradius, Ikaruga oder R-Type, kein Railshooter wie Resident Evil: Darkside Chronicles und auch kein Ghost Squad, oder irgendetwas Vergleichbares. Hier werden Elemente verschiedener Genres miteinander vermischt und zu einem manchmal schwer zu durchschauenden Gewirr aus umherfliegenden Feinden, Projektilen in denen man in Sekunden Kombos aus Nahkämpfen, Fern- und Spezialattacken wählen muss, um nicht vom Himmel geschossen zu werden.
Alles eine Frage des Charakters
Direkt zu Beginn stellt euch das Spiel vor eine Wahl (die übrigens die einzige zu fällende Entscheidung im Spielverlauf ist): Mit wem wollt ihr kämpfen? Mit Isa, oder mit Kachi? Zur Orientierung sei gesagt, dass Isa mit einem Jetpack durch die Level fliegt und Kachi auf einem Hoverboard, wie Marty McFly in den Zurück in die Zukunft-Filmen, herumflitzt.
Ich nehme es gleich mal vorweg: Alles in allem ist Kachi wohl die einfacher zu handhabende Figur des Spiels, was sie allerdings nicht zum “Einsteiger”-Charakter degradiert. Denn auch im niedrigsten der drei Schwierigkeitsgrade ist das Spiel immer noch eine echte Herausforderung. Kachis großer Vorteil gegenüber Isa ist, dass sie während sich ihr Spezialschuss (zielsuchende Raketen) auflädt bis zu acht Zielpunkte anvisieren kann. Alternativ kann sie natürlich auch acht Mal ein und denselben Punkt anvisieren. Außerdem kann Kachi Zielpunkte bei einer normalen Schussattacke automatisch ins Fadenkreuz nehmen.
Bei Isa sieht das ein wenig anders aus. Hier muss der Spieler manuell Zielen und büsst zudem ein wenig Feuerkraft bei normalen Schüssen ein. Seine aufgeladene Spezialattacke detoniert beim Auftreffen und beschädigt auch um das Ziel herum(f)liegende Feinde.
Gamecube-Pad, Classic-Controller, WiiZapper Remote und Nunchuk?
Wer die Wahl hat, hat die Qual sagt das alte Sprichwort. Das stimmt in diesem Fall nicht so ganz. Denn die Auswahlmöglichkeiten, die Nintendo und Treasure dem Spieler in puncto Steuerung bietet, sind phänomenal. Welcher Controller darf es denn sein? Wie bei einem Railshooter vielleicht der WiiZapper, oder ganz schnöde Wii-Remote und Nunchuk? Oder darf es ein wenig handfester sein und sich anfühlen, wie es früher üblich war? Dann könnte man auf den Classic-Controller oder sogar den Gamecube-Controller zurückgreifen. Wie man sich auch entscheidet, prinzipiell lässt sich die Empfindlichkeit jederzeit nachjustieren und auch die Achsen sind invertierbar.
“Wer sein Wii liebt, der hiebt!”
Das gilt bei so ziemlich jedem Spiel, nur nicht bei Sin and Punishment: Successor of the Skies. Hier bleiben die Bewegungssensoren der Wii-Remote und des Nunchuks komplett ungenutzt. Und das ist auch gut so.
Jede Menge Abwechslung
Obwohl das Spiel mit etwa vier bis sechs Stunden Durchspielzeit sehr kurz geraten ist steckt es voller guter Ideen. So wird streckenweise aus dem Seitwärts- oder Aufwärtsshooter plötzlich ein Rennspiel, oder gerne auch mal ein Jump’n Run. Die Übergänge zwischen derart unterschiedlichen Genres hat die Spieleschmiede sehr elegant gestaltet, sodass man es eigentlich erst bemerkt, wenn man schon mitten drin ist. So findet man sich nicht selten in Feuergefechten wieder, die mit hunderten Projektilen den Bildschirm überfluten. Unweigerlich werden sich hier erfahrene Spieler an Ikaruga erinnert fühlen.
Das gutdurchdachte Leveldesign, dass den Spieler quasi hinter jeder Wegbiegung aufs Neue überrascht erfordert höchste Konzentration. Denn auf der Jagd nach Punkten reicht es nicht aus, sich nur die Gegner vorzunehmen, die unmittelbar in der Front der Mattscheibe auf das Fadenkreuz warten, sondern 100 virtuelle Meter unter und vor uns warten auch ein paar Geschütze und scheinbar unbeteiligt herumlungernde Gegner auf unser Mündungsfeuer. Die Auswahl und Anzahl der Gegner ist groß und die Bossfights, die immer aus mehreren Runden bestehen haben es in sich! Wer hier beim allerersten Versuch einen Bossgegner auf die Bretter schickt ist ein Naturtalent.
Der Look
Leider offenbart Sin and Punishment: Successor of the Skies gerade im grafischen Bereich seine Schwächen. Besonders in den Zwischensequenzen fallen die groben und matschigen Texturen der Umgebung auf. Im normalen Spielbetrieb hat man zum Glück für solchen Schnick-Schnack keine Augen und Zeit. Denn die geballte Power der Präsentation steckt in den ausgeklügelten und erstklassigen Kameraschwenks die einen Railshooter eben auch ausmachen. Auch die Grafikeffekte müssen sich nicht verstecken. Erfreulich ist übrigens, dass die Wii nur sehr selten in die Knie geht. Nur wenn mal richtig viele Geschosse und Gegner durch die Luft sausen kratzt der Grafik-Chip am Limit, ohne dabei wirklich das Spiel zum Nachteil des Spielenden zu verlangsamen.
Mehrspieler-Modi?
Noch ein kleines Manko hat Sin and Punishment: Successor of the Skies. Denn abgesehen von einem kooperativen Offline-Modus verfügt das Spiel leider über keine Mehrspieler-Varianten. Zum Glück gibt es wenigstens eine gestaffelte Online-Weltrangliste in die man sich mit seinen eigenen Highscores via Nintendo WiFi-Connection eintragen kann. So ist zumindest der Kontakt zu den Lebenden ausserhalb des eigenen Wohnzimmers zum virtuellen Punktvergleich gegeben. Übrigens stachelt das ganz schön an und treibt den geneigten Highscore-Jäger und -Sammler zu neuen Höchstleistungen an.
Allerdings wäre es wirklich toll, wenn der nächste Teil der Reihe wenigsten einen Online-Koop-Modus hätte.
Bonuspunkte
Ganz ganz selten passiert es, dass sich Spieleschmieden und ihre Publisher richtig viele Gedanken bei der Ausstattung ihrer Spiele machen. Wer jetzt denkt, dass es um versteckte Levels oder Super-Huper-Duper-Sonderitems geht, die nach 7 Bazillionen Punkten freigespielt werden irrt. Ich rede von Dingen über die man sich als Spieler angenehm wundert und denkt: “Da hat aber mal jemand ne gute Idee gehabt!”
Bonuspunkt Nummer Eins: Das Spiel hat ein Wendecover! Schwupps verschwindet das fiese USK-Emblem!
Bonuspunkt Nummer Zwei: Eine deaktivierbare Auto-Save-Funktion!
Bonuspunkt Nummer Drei: Bei der Tonspur habt ihr die Wahl: Englisch oder doch lieber Japanisch?
Bonuspunkt Nummer Vier: Untertitel sind in Deutsch, Englisch und Japanisch vorhanden.
Bonuspunkt Nummer Fünf: Wählt aus, ob ihr in 50Hz, 60Hz, 4:3, 16:9 oder im Progressive Scan-Modus spielen wollt.
Fazit
Alles in allem ist Sin and Punishment: Successor of the Skies der heimliche König der Shoot’em Ups. Eigentlich schade, dass immer noch soviele Zocker der Meinung sind, es würde keine Core-Games für die Wii geben. Denn verdammt noch mal: Hier habt ihr ein erstklassiges Spiel aus genau dieser Riege. Eine stylische, rasante, vielleicht etwas kurze, aber immer überraschende und super abwechslungsreiche Mischung aus einem Railshooter und einem Sidescroller-Shoot’em Up, gewürzt mit Anleihen vieler anderer Action-Genres. Wer eine Wii besitzt und auf wirklich nicht leicht zu bewältigende und brillante Weise unterhalten werden will, kommt an Sin and Punishment: Successor of the Skies nicht vorbei.
Ok, Treasure haben es einfach drauf, Hands down!
Was die für Spiele zaubern, das macht einfach Spaß. Das original Sin & Punishment war schon cool.
Ein schönes Review ! Das Spiel ist gigantisch. Ich liebe es !