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Nostalgie, die verklärte Romantik

von am 12. Februar 2018
 

Lesezeit: 4 MinutenHallo, ich bin’s wieder. Nach einer viel zu langen Schreibpause wollte ich meine heiß geliebte Kolumne wieder aufleben lassen und erfolgreich in das postmoderne Jahr 2018 katapultieren. Und welches topmoderne Thema habe ich mir zum Auftakt wieder ausgesucht? Nostalgie. Talk about progress.

2017 war ein exzellentes Gaming-Jahr, das können wohl nur Wenige bestreiten. Bei Highlights wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild, Wolfenstein II, Divinity: Original Sin II, Persona 5, PUBG oder Resident Evil 7 hatten wir Spieler eigentlich kaum Zeit zum Atmen, geschweige denn die Möglichkeit, all’ diese Perlen durchzuspielen. Trotz der obligatorischen Publisher-Dickmoves haben die Videospielentwickler teilweise wirklich großartige und herausfordernde Abenteuer entwickeln können und den Qualitätsstandard wieder oberhalb des Kellergeschosses heben können. Zudem brachte Microsoft mit der Xbox One X die bis dato leistungsstärkste Konsole der Welt raus, während Nintendos Switch einschlug wie ein Meteor. All’ das lässt die Gaming-Zukunft so rosig aussehen wie seit Jahren nicht mehr. Und ich? Ich habe mal wieder The Legend ofZelda – A Link to the Past durchgezockt. Auf dem SNES-Mini. Und ich hatte den Spaß meines Lebens. Breath of the Wild habe ich übrigens bis heute nicht angepackt.

Wie kommt das? Warum habe ich mit einem SNES-Titel von 1991 – vor 27 Jahren! – welchen ich zudem in- und auswendig kenne, mehr Spaß als mit all’ diesen innovativen und grafisch überwältigenden Titeln, die mich in den Bann ziehen sollten? Weil ich dieses Spiel in- und auswendig kenne. Weil ich schon Gänsehaut kriege, sobald die Intro-Musik beginnt und das Logo auf dem Bildschirm erscheint. Weil ich jede Dialogzeile, selbst das unwichtigste NPC-Geplapper nachsprechen kann. Und weil ich hier zuhause bin.

Nostalgie ist schon eine abstruse Sache. Doch ist sie in unserer heutigen unsagbar hektischen Welt, welche sich zudem dauerhaft auf der innovativen Überholspur befindet, ein wichtiger Anker geworden. Nostalgie bremst uns, aber auf gute Weise. Wohlproportioniert sorgt sie dafür, dass wir niemals vergessen, das Erreichte, unsere eigene Vergangenheit und Erfahrung zu schätzen. Sie erweckt in uns ein wohliges und bekanntes Gefühl, sobald wir ein Relikt aus der unserer Geschichte, sei es ein altes verblichenes Spielmodul, eine längst vergessene DVD eines viel zu selten geguckten Klassikers oder die LEGO-SYSTEM-Polizeistation (6598!) aus dem Jahre 1995, welche ich damals geschenkt bekommen habe um das Trauma meiner Beschneidung zu verarbeiten.  Nostalgie gehört zu uns…

… sie sorgt aber dafür, dass wir manchmal absoluten Mist erzählen. Super Mario Bros. 3 ist ein großartiges Spiel gewesen, eventuell sogar das beste NES-Spiel. Wenn mich einer fragt nach dem besten Mario-Spiel fragt, ist Super Mario Bros. 3 in der Regel meine Antwort. Und das ist absoluter Quatsch. Super Mario World kam danach, Mario 64 kam danach, Super Mario Galaxy kam danach! Alles Titel, die grafisch und gameplaytechnisch Quantensprünge entfernt von dem NES-Klassiker sind. Was mir vollkommen egal ist. Genauso egal wie Leuten, die ohne Ironie mir ins Gesicht sagen können, dass Golden Eye für den N64 nicht miserabel gealtert ist und mit den Titel von heute absolut mithalten kann. Der N64-Controller hatte nur einen Analog-Stick. Der N64-Controller war an sich einfach nur schrecklich. Die ganze Konsole war an sich einfach nur schrecklich. Ja, ich weiß – The Legend of Zelda: Ocarina of Time – aber eine Handvoll guter bis sehr guter Titel kann eine schlechte Konsole nicht rechtfertigen. Das Äquivalent dazu wäre zu behaupten, dass die Konföderierten bestimmt damals ein paar gute Argumente hatten – das macht das Ganze nicht unbedingt besser. Überhaupt verstehe ich diese Nostalgie (Na? Naaa?) für den Nintendo 64 bis heute nicht. Abgesehen von den paar Exklusivtiteln gab es faktisch keinen Grund, nicht stattdessen eine Playstation zu besitzen. Die Spielemodule waren überteuert und hatten auf Grund ihrer Bauweise einen mickrigen Speicher, viele Spieleentwickler kamen mit der Struktur des Systems nicht klar und konnten somit nicht das volle Potenzial ausschöpfen und die Controller… war hat sich Nintendo dabei gedacht?

Aber ich könnte hier schreiben, was ich will – es würde immer noch Verteidiger – ja ja, Ocarina of Time – für diese Konsole geben. Und das ist ehrlich gesagt in Ordnung. Denn diese Menschen haben in der Regel eine gemeinsame Vergangenheit mit der Konsole, die ich nicht habe. Genauso wie ich eine gemeinsame Vergangenheit mit meinen NES  und Super Mario Bros. 3 habe. Die verbitterte 2018-Version von mir könnte locker mehrere Absätze mit den Verfehlungen dieses Spiels füllen, doch das würde ich niemals tun. Ich könnte niemals diesem alten Freund ein Messer in den Rücken rammen und mich darüber auslassen, wie kryptisch die Levels teilweise gestaltet wurden oder wie unnötig unfair Welt 7 war. Wenn ich an Super Mario Bros. 3 denke, denke ich an verregnete Herbsttage, eine warme Decke und meinen fluchenden Vater, der sich an einem Videospiel versucht hat und kläglich gescheitert ist. Ich denke an das triumphale Gefühl, als ich den Level, an dem er mehrfach verzweifelt ist (Welt 1, Level 3) problemlos gemeistert habe und er in väterlichster Manier kommentarlos von der Couch aufgestanden ist. Die Unzulänglichkeiten der damaligen Zeit können mir niemals diese tollen Erinnerungen nehmen.

Doch sollte man vorsichtig sein, wenn man  vorhat, alte Erinnerungen wieder aufleben zu lassen. Diese Erfahrungen habe ich vor kurzen mit Max Payne machen müssen. Während der zweite Teil noch heute absolut spielenswert ist und auf ewig zu den besten Videospiel-Stories gehören wird, ist das Original von 2001 grauenhaft gealtert. Und damit meine ich nicht nur die Grafik – das Gameplay, die Cutscenes, die Kamera… alles sorgte dafür, dass der Frust irgendwann überwog und ich es nicht zu Ende spielen konnte. Und dabei habe ich wirklich wunderbare Erinnerungen daran, wie die pickelige Teenager-Version von mir mit diesem damals indizierten Titel unheimlich Spaß hatte. Aber vielleicht fand ich es auch nur so cool, weil es indiziert war. Hm. Jetzt habe ich Angst davor, Return to Castle Wolfenstein nochmal zu installieren.

In Conclusio sollte Nostalgie wie alles im Leben in Maßen genossen werden. Es ist natürlich großartig, dass wir heute allerlei Möglichkeiten uns an die Vergangenheit zu erinnern (ich glaube im Volksmund heißt es „Remastered Edition“), doch sollten wir unsere eigenen Erinnerungen wahrlich wie Schätze behandeln. Denn wenn man sie zu häufig ausgräbt, könnten sie ihren Wert verlieren und dies wäre ein Verlust, welche schwer wiederzuerlangen ist. Deswegen kann ich euch nur empfehlen, eure geliebten N64 nicht so häufig aus dem Schrank zu holen, die Auflösung auf eurem neuen 4K-Fernseher sieht nämlich grauenvoll aus. Außerdem gibt es eine Remastered Edition von Ocarina of Time für den 3DS.

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