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RISEN – Comeback des namenlosen Helden

von am 15. Oktober 2009
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Lesezeit: 6 MinutenInnovation hier, Innovation da. Wenn ein neues Produkt die Bühne betritt, in unserem Beispiel ein Videospiel, wird es argwöhnisch auf Features abgeklopft. Besonders sollte es schon sein, möglichst eine neue Spielerfahrung bieten ohne dabei jedoch allzu komplex zu werden. Schließlich soll eine breite Zielgruppe an dem Produkt seine Freude haben. Führt man Buch über die Zahl der Innovationen, die in dem Rollenspiel RISEN Einzug halten, hält man ein leeres Blatt in den Händen. Denn die Essener Entwicklerschmiede Piranha Bytes, in Deutschland für die Gothic-Reihe bekannt, besinnt sich alter Stärken: eine lebendige, weitläufige Spielwelt mit Hunderten Quests.

Nicht ohne Grund. Schließlich hat das Team nach dem Release ihres letzten Projekts Gothic 3 (2006) einiges abzubüßen. Das Rollenspiel zu der namhaften Videospielserie kam in einem desolaten Zustand auf den Markt und scheiterte damit nicht nur an den hohen Erwartungen der Fans. Der viel zu frühe Release des Spiels sei der Grund für das Desaster gewesen, erklärten die „Piranhas“. Offenbar resultierend aus dem Druck des Publishers JoWood. Der österreichische Vertrieb sah die Sachlage ein wenig anders und gab Piranha Bytes die Schuld an dem verpatzten Rollenspiel. Das Ende der Schlammschlacht ist wohl allen Spielern bekannt: Piranha Bytes verlor die Rechte an der Gothic-Reihe an JoWood; der Ruf der einst renormierten Entwickler nahm nicht unerheblichen Schaden. Nur die treuesten Fans haben damals eisern geglaubt, dass die Essener mit ihrem neuen Spiel RISEN so ein fulminantes Comeback zurücklegen.

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Das verbotene Paradies

Dabei beginnt alles gemächlich: der namenlose Held strandet nach einem Schiffunglück auf einem tropischen Eiland. Schnell wird klar, dass es auf der Insel nicht mit rechten Dingen zu sich geht. Merkwürdige Beben lassen uralte Tempelruinen aus dem Boden sprießen. Diese alten Gemäuer beherbergen wertvolle Artefakte. Natürlich entbrennt darauf ein Kampf zweier Fraktionen um die Beute. Nicht wissend, dass eine höhere Macht nach der Zerstörung der Insel und damit der letzten verbliebenen Enklave der Menschheit trachtet. Es liegt also an uns, diesem boshaftem Treiben ein Ende zu setzen. Keine Aufgabe, zumal das weitläufige Stück Land mit gefährlichen Monstern bewohnt ist.

Zu Beginn plätschert die Handlung vor sich hin. Im ersten Kapitel gilt es erst einmal die Insel auszukundschaften. Allein damit könnte man etliche Stunden verbringen, gäbe es da nicht Gebiete, die von besonders mächtigen Ungeheuern bevölkert werden und ein Vorankommen mit niedrigem Charakterlevel und schwacher Ausrüstung unmöglich machen.

Was ist also zu tun? Bei Gothic-Kennern geht der Zeigefinger in die Höhe. Wir bieten unser Geschick einer der beiden Parteien an, wobei das nicht ganz stimmt. Die Ordenskrieger der Inquisition rekrutiert euch nämlich zwangsweise, sollten sie euch entdecken, und stecken den Helden in ihre Vulkanfestung am Fuße des Berges. Anschließend werdet ihr in die (geheimen) Künste des Stabkampfes und der Magie eingewiesen – ob ihr wollt, oder nicht.

Wer Recht, Ordnung und Disziplin entsagt, nimmt Platz an der Seite der Banditen ein. Die Gesetzlosen kampieren in den modrigen Sümpfen, getrieben von ihrem Hunger nach Reichtum. Rauer Umgangston ist hier an der Tagesordnung, in Arenakämpfen verschafft ihr euch den nötigen Respekt, den eigenen Geldbeutel füllt ihr mithilfe der Fertigkeiten Taschendiebstahl und Schlösser knacken. Unentschlossene watscheln erst einmal in die Hafenstadt und lernen beide Seiten näher kennen, ehe sie eine unwiderrufliche Entscheidung treffen.

Mein Schatz

Nach einigen Stunden nimmt die Geschichte an Fahrt auf, ohne dabei einen Preis für Originalität zu gewinnen. Bei den Aufgaben handelt es sich meist um Botengänge oder die Suche nach bestimmten Gegenständen, etwa fünf mysteriöse Scheiben, mit denen ein Tor geöffnet werden kan (Fokussteine aus Gothic lassen grüßen). Abwechslung: Fehlanzeige. Kritikpunkte, die man, angesichts hervorragender Einbettung in die Handlung, bereitwillig verschmerzt. Als gutes Beispiel halten die oben genannten Scheiben her. Diese Artefakte warten nicht alle in irgendwelchen Gemäuern auf den Finder. Ein Exemplar muss man sich etwa durch die Lösung einer großen scheinbar optionalen Quest-Reihe erarbeiten.

Wir sollen uns nämlich auf die Suche nach dem Schatz des legendären Piraten-Kapitäns Stahlbart machen. Dieser hat auf der Insel fünf Truhen verbuddelt und darin Hinweise auf den Fundort versteckt. Zum Glück müssen wir nicht ganz ahnungslos durch die Wildnis streifen, ist die Tochter Patty Stahlbart doch ebenfalls hinter dem Schatz her. Doch bevor sie uns helfen kann, müssen wir sie erst aus der Hafenstadt schleusen. Nicht das einzige Problem. Ein anderer Pirat hat von den verborgenen Reichtümern Wind bekommen und ist uns auf unserer Schnitzeljagd dicht auf den Fersen.

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Tor 1 oder Tor 2?
“Nach einigen Stunden nimmt die Geschichte an Fahrt auf, ohne dabei einen Preis für Originalität zu gewinnen.”

Für zusätzliche Motivation sorgt die Tatsache, dass ihr nahezu alle Quests auf unterschiedliche Art und Weise beenden könnt. Um in der Vulkanfestung eure Grundausbildung am Stab abschließen zu können, müsst ihr etwa Meister Bronco aus den Latschen hauen. Ein zäher und unfairer Kampf, da er Bestens ausgerüstet ist und ihr lediglich mit einem einfach Novizenstab gegen ihn antreten dürft. Jetzt habt ihr zwei Möglichkeiten: Entweder ihr zieht los, trainiert und kehrt mit besserer Ausrüstung wieder, oder aber bedient euch eines teuflischen Kniffs. Ein anderer Rekrut namens William gibt euch nämlich den entscheidenden Tipp. Ihr sollt Meister Bronco mit Wein abfüllen und ihn dann glauben lassen, dass er euch mit dem schlechtesten Schwert der Welt schlagen könne. Also besorgen wir uns erst einmal den Alkohol, lassen uns vom Schmied die schwache Waffe anfertigen und kehren zum siegessicheren Ordenskrieger Bronco zurück. Ehe er sich versieht, liegt er am Boden.

Die richtige Lerntechnik

Das Stichwort Training bringt uns auch zu einem wesentlichen Kernelement aller Rollenspiele, der Charakterentwicklung. Nach erfolgtem Stufenaufstieg gilt es Lernpunkte in eine der rund 15 Fertigkeiten zu investieren. Dies geschieht aber nicht, wie beispielsweise bei Diablo 2 über das Statusmenü. Nein, der Namenlose muss sich ganz klassisch zu einem entsprechenden Lehrmeister begeben und eine Stange Gold für die Ausbildung auf den Tisch legen. Da ihr  zu Beginn nicht gerade im Reichtum badet und Erfahrungspunkte mühsam erkämpft werden müssen, sollte die Wahl gut überlegt sein. Spezialisierungen, etwa auf den Schwertkampf, beugen vorzeitigem Frust vor.

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Großartig gelungen ist Piranha Bytes das System, wie sich die einzelnen Fähigkeiten ergänzen. Freunde des blanken Schwertes decken sich mit dem Handwerk ‘Schmiedkunst’ mit mächtigen Waffen ein. Vorausgesetzt man ist im Besitz gewisser Rohstoffe, wie Eisenerz, Gold und Obsidian. Diese gewinnt man durch die Fähigkeit ‘Schürfen’ an markanten Abbaustellen. Durch die enge Verzahnung bleibt keine Fähigkeit wirklich sinnlos.

Schade allerdings, dass der Held mit Ausnahme der Kristallmagie, unabhängig von der Wahl der Fraktion sämtliche Fähigkeiten erlernen kann. So ist es auch Ordenskriegern problemlos möglich, sich in die Künste des Taschendiebstahls einweihen zu lassen. Banditen wiederum müssen nicht zwingend Schlösser mit altmodischen Dietrichen knacken. Man lernt im Verlauf des Abenteuers von den Magiern ganz bequem das Schreiben entsprechender Spruchrollen.

“Der großartiger Soundtrack steuert einen wesentlichen Teil zur gelungenen Atmosphäre bei.”
Zweischneidige Angelegenheit

Technisch kann RISEN nicht vollends überzeugen. Auf der einen Seite stehen die liebevoll von Hand gefertigten Schauplätze und stimmige Licht– und Schatteneffekte. Auf der anderen hingegen hölzerne Animationen diverser Spielfiguren sowie matschige Texturentapeten. Beim Blur-Effekt, der weit entfernte Landschaften leicht verschwommen zeichnet, scheiden sich hingegen die Geister. Wirklich schwach präsentiert sich die Grafik aber auf der Xbox 360. Hier hat man Abstriche bei der Darstellung der Flora gemacht, etwa bei Gras. Aus welchem Grund, ist unklar.

Großes Lob gebührt einmal mehr dem jungen Komponisten Kai Rosenkranz. Dessen großartiger Soundtrack zu RISEN steuert einen wesentlichen Teil zur gelungenen Atmosphäre bei. Sein musikalisches Meisterstück liegt dem Spiel übrigens in Form einer CD bei – ausnahmsweise nicht nur bei der Collector’s Edition. Ebenfalls gewohnt exzellent, ist die Vertonung der tausenden Dialogzeilen. Das Ensemble aus Sprechern  begeistert und transportiert den Charme, der die Gothic-Reihe einst groß gemacht hat, sehr gut.

Fazit:

Hat Piranha Bytes ihre Hausaufgaben gemacht und aus den Fehlern vergangener Zeit gelernt? Eine eindeutige Antwort bleibe ich euch leider schuldig. Einerseits beweisen die Essener mit ihrem Rollenspiel RISEN, dass sie ihr Handwerk verstehen. Die weitläufige Spielwelt regt trotz dünner Handlung zum Weiterspielen an. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leisten die liebevoll ausgearbeiteten Nebenquests und klasse vertonten Dialoge. Auch technisch gibt es wenig zu meckern. Anderseits bietet RISEN zu wenig Neues, um als eigenständiges Spiel durchzugehen. Im Grunde führt man ständig den Gedanken im Kopf, man spiele ein Gothic 3.5. Mit Schwarzmalerei sollte man angesichts der Leistung, die das Team vollbracht hat aber nicht anfangen. RISEN ist kein Meisterwerk geworden,  aber eben auch nicht weit von diesem Status entfernt.

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