Lesezeit: 9 MinutenCapcom lässt es dieses Jahr zum 15jährigen Jubiläum der Resident Evil-Serie ordentlich krachen und haut dieses Jahr gleich mehrere Titel rund um die wilde Zombiehatz raus. Den Anfang macht Resident Evil: Revelations für den Nintendo 3DS. Angesiedelt zwischen Teil 4 und 5, schlägt der Killervirus diesmal mitten auf Hoher See zu: Jill Valentine macht sich zusammen mit ihrem neuen Partner Parker Luciani auf die Suche nach Chris Redfield. Er war Bio-Terroristen auf der Spur und gilt nun zusammen mit seiner (ebenfalls neuen) Partnerin Jessica Sherawat als Verschollen, lediglich seine Koordinaten lassen erahnen, dass die Spur zu einem Schiff im Meer führt…
“Previously on Resident Evil Revelations”
Reident Evil-Veteranen sind natürlich schon mit Jill und Chris vertraut, aber in “Resident Evil Revelations” werden so viele neue Charaktere Vorgestellt wie in kaum einem anderen Teil bisher. Insgesamt sechs (!) Personen werdet ihr während der in zwölf Kapitel unterteilten Story selber spielen oder begleiten. Herzstück des Spielgeschehens ist ein verseuchtes Kreuzfahrtschiff, doch immer wieder wechselt ihr im Spielverlauf die Schauplätze und Teams. Manchmal spielt ihr sogar Flashbacks nach! Erzählt wird die Story wie eine TV-Serie: Nach jedem Kapitel seht ihr eine Zusammenfassung bereits geschehener Ereignisse – das gabs zwar schon in einigen Videospielen, im Resident Evil-Universum ist diese Form des Erzählens jedoch was völlig Neues.
BSAA, FBC, BOWs…. Ich versteh gar nix mehr
Eigentlich muss man kein Genie sein, um die Story eines Resident Evil-Spiels zu kapieren – aber durch die ständigen Zeitsprünge, Team- und Schauplatzwechsel und diverser Intrigenschmiederei versteht man nach ein paar Spielstunden nur noch Bahnhof und will eigentlich nur noch in Ruhe gelassen werden und spielen. Glücklicherweise kommt das Spiel hier dem Spieler sehr entgegen – verlaufen kann man sich auf den überschaubaren Arealen dank Karte auf dem unteren Screen und klar definierten Zielpunkt eigentlich nicht wirklich.
Mumien, Monstren, Mutationen… doch wo sind die Zombies geblieben?
In Sachen Gegnersortiment sehen wir neben ein paar alten Bekannten wie den gefürchteten Hunter (auch liebevoll “Froschmänner” genannt) und Zombie-Hunden jede Menge neue entstellte Kreaturen aus dem Biolabor. Erstaunlicherweise gibt es in diesem “Resident Evil”-Teil keine klassischen Zombies. Sogar die aggressiven, wütenden 28 Days Later-esquen Untoten aus Teil 4 und 5 sucht man hier vergeblich. Leider. Am Häufigsten trefft ihr auf die sogannten “Ooze”: Mutanten, die weder Fisch noch Fleisch – pardon – Mensch sind.
“Ooze” – ein neuer Gegnertyp mit (Sn)Ooze-Funktion
Leider machen die “Ooze” keine so gute Figur im Vergleich zu den wahnsinnigen, humanoiden Gegnern aus den letzten beiden großen Teilen. Dies liegt vor allem am Trefferfeedback. Früher freute man sich noch über hin- und wieder platzende Köpfe oder konnte dem Gegner z.B. eine Waffe aus der Hand schießen – gegen die neue Mutantenbedrohung hilft am Besten immer die gleiche Taktik: Draufhalten. Die Wasserleichen sind einfach nicht so spannend zu bekämpfen: Gefechte laufen oft immer gleich ab und erzeugen nur selten wirklich Nervenkitzel. Eine richtige K.I. gibt es diesmal auch nicht, diese wirkt noch wie zu prä-Resident Evil 4-historischen Zeiten. Vorbei sind die Terror-Momente, wo man panisch eine Leiter hochkletterte und immer noch nicht sicher war, weil die Gegner auch klettern konnten. Die “Ooze” bleiben immer schön brav in ihren Räumen, wo sie auf ewig rumschlurfen bis man sie von ihrem traurigen Dasein erlöst. Das schlauchige Leveldesign macht es dem Spieler zudem auch oft viel zu leicht, sich sicher zu fühlen. Meistens kann der nächste Gegner nur frontal kommen, selten wird man auch mal umzingelt. Zwar gibt es im Spiel auch Momente, in denen der wohlige Terror-Schauer mir auch mal über den Rücken gelaufen ist: Nämlich dann, wenn man mal in einem großen Areal gegen mehrere Gegner gleichzeitig panisch versucht, eine sichere Position zum Schießen zu finden. Leider sind dies aber nur wenige Augenblicke in einem über die gesamte Spielzeit oft viel zu einfach gehaltenen 08/15-Actionspiel-Strickmuster.
Zur falschen Zeit am richtigen Ort
Ein weiterer großer Minuspunkt geht an die Dramaturgie-Abteilung: Das Pacing war in einem “Resident Evil”-Spiel selten so schlecht wie hier. Ganze drei Stunden latscht ihr durch das Spiel, bis ihr endlich mal den ersten Bosskampf erreicht – und dann habt ihr ungefähr drei Bösse innerhalb von zwei Stunden, dann passiert wieder 2 Stunden nichts, usw… Gegen Ende hin gibt es einen Riesenfight, nach dem ich eigentlich die Credits vermutete. Statt dessen schaltet das Spiel drei Gänge zurück und lässt euch erstmal wieder ein paar lahme Abschnitte spielen, bis es dann doch wieder interessant wird. Dies liegt vor allem am serienartigen Handlungs-Aufbau und der ständigen Abschnitt-hin-und-her-springerei. Die eigentlich spannende Story wird immer wieder unnötig gedämpft und macht schnell deutlich, warum andere “Resident Evil”-Teile wesentlich besser funktionieren: ein Held und ein Schauplatz, der nach und nach erschlossen wird – mehr hat es nie gebraucht.
Fluch und Segen zugleich: Die Heilkraut-Taste
Steuerungstechnisch funktioniert Resident Evil: Revelations erstaunlich gut – auch ohne den optionalen Circle Pad-Aufsatz. Nicht nur, dass alle wichtigen Moves aus den großen Vorbildern drin sind – es sind sogar ein paar neue Elemente mit eingeflossen: mit dem richtigen Timing ist es möglich, Gegnerangriffen auszuweichen. Eine kleine Revolution ist die Heilung auf Knopfdruck – gerade am Anfang heilt man sich allerdings versehentlich gerne mal ungewollt und flucht über das verschwendete Heilkraut. Das nervige Kombinieren von Kräutern fällt übrigens komplett flach: Es gibt nur noch grüne Kräuter. Keine roten, blauen, gelben… Die Zukunft gehört den Grünen. Auch keine Heilsprays. Nein, nein, nein. Grüne Kräuter forever. Es gibt auch nur noch eine Heilwirkung: Vollständige Heilung. Der Kompromiss ist jedoch, dass ihr nicht mehr wie fünf Kräuter (habe ich schon erwähnt, dass es nur noch grüne Kräuter gibt?) mit euch rumschleppen könnt.
Hilfe – wo leg ich meine Items ab?
Überhaupt wurde das ganze Inventory-System entschlackt. Die “magischen” Kisten, in die ihr bislang alle überflüssigen Gegenstände reingehauen habt, sind genauso wie der Item-Koffer passé. Munition und Waffen könnt ihr ähnlich wie die Heilkräuter nur bis zu einem bestimmten Limit einsammeln und mit euch rumschleppen. Aufgesammelte Schlüssel, Karten oder Ähnliches bleiben jedoch für immer in eurem Besitz. Somit bleibt euch das Item-Gewurschtel aus vergangenen Teilen erspart, zugegeben geht so auch ein Stück “Resident Evil”-Feeling verloren, aber es beschleunigt merklich den Spielfluss.
Waffen-Tuning leicht gemacht
Aber ganz ohne Equipment-Management kommt das Abenteuer dann doch nicht daher: Ihr könnt an bestimmten Waffenboxen eure Waffenauswahl festlegen (bis zu drei Schießeisen dürfen es sein) und im Laufe des Spiels immer mächtiger Tunen wie ihr lustig seid. In den Levels liegen massig Zubehörteile wie “Feuerkraft verstärken” oder “Magazingröße erhöhen” rum, die ihr dann auf die jeweiligen Waffen münzen könnt. Dies könnt ihr beliebig oft machen – wenn ihr irgendwann lieber von der Pistole auf ein MG wechseln wollt, kann man auch mal eben alle Upgrades der momentan nicht verwendeten Waffe “abschrauben” und an der Neuen anbringen. Wer fleißig Zubehörteile sammelt, wird gegen Ende des Spiels ganz schön hin- und herbasteln, bis das optimale Waffensortiment mit der passenden Wunschfunktion zusammengeschustert ist. Das nervige Item-sortieren wurde quasi durch Waffenzubehör-sortieren ersetzt – wie gewonnen so zerronnen.
Herr Mutant, bitte still halten – ich möchte Ihren Barcode lesen
In Resident Evil: Revelations wird zum ersten und hoffentlich zum letzten Mal ein weiteres Tool vorgestellt – meine Damen und Herren, behold: Der Genesis-Scanner.
(verhaltenes Klatschen)
Ihr fandet das Abscannen von Sachen in Videospielen schon immer lästig und langweilig? Damit liegt ihr vollkommen richtig! Und macht Resident Evil: Revelations hier eine Ausnahme? NEIN!!! Dieser dämliche Scanner dient meiner Ansicht nach nur einem einzigen Zweck: er verlängert künstlich die Spielzeit. Immer wieder müsst ihr zwischen eurer Feuerwaffe und dem Scanner wechseln, damit ihr versteckte Items finden könnt, die euer Überleben erleichtern. Resident Evil ist wirklich das letzte Spiel, das mir in den Sinn käme, welches eine Scanner-Funktion benötigt. Neben dem sowieso schon lästigen Absuchen nach Items in allen Ecken kommt also noch das Abklappern aller Wände, Böden und Decken mit dem Scanner hinzu. Netterweise zeigt ein gelb leuchtender Indikator in der Ecke an, ob sich die Sucherei im Raum überhaupt lohnt. Man gewöhnt sich zwar nach einer Weile an das Prozedere, was aber nicht heißen soll dass dieses Spielelement eine gute Idee war.
Moment mal, wo ist eigentlich der Co-op-Modus?
Obwohl ihr praktisch über das ganze Spiel fast immer zu zweit seid, müsst ihr auf einen Co-op-Modus innerhalb der Kampagne leider verzichten. Schade eigentlich, war dies doch einer der Hauptgründe, warum Resident Evil 5 so verdammt viel Spaß gemacht hat. Doch schaltet nicht gleich den Wi-Fi-Schieber runter, es gibt nämlich tatsächlich noch fette Co-op-Action zu entdecken, nur müsst ihr dafür dummerweise erstmal das Spiel einmal komplett durchspielen – für geübte Resident Evil”-Veteranen sollte dies in gut 10 Stunden auf “Normal” zu bewerkstelligen sein. Zur Belohnung gibt es die sogenannten “Raubzüge”-Missionen, die nichts anderes sind als die gleichen Stages der Kampagne, vollgepumpt mit mehr Gegnern und reichlich Muni. Hier spielt es sich gleich wesentlich arcadiger und ohne das nervige in-der-Gegend-rumscannen und dem Co-op-Bonus machen die zahlreichen Missionen sogar spielerisch mehr Spaß wie die eigentliche Kampagne! Aufgrund der obsuleten Gegner-K.I. ist die Action zwar nicht besonders anspruchsvoll, aber der Modus ist ein gelungener Actionspaß für Zwischendurch und sorgt nach dem ersten Durchspielen neben einem höheren Schwierigkeitsgrad für zusätzliche spannende Spielstunden.
Capcom lässt die Platinen glühen
Es ist fast schon Tradition: Schon wieder zeigt Capcom mit einem Resident Evil-Titel, was eine Hardware eigentlich zu Leisten vermag. Sie hatten es auf der Dreamcast und dem Gamecube vorgemacht, jetzt beweisen sie auch auf dem 3DS, was sie draufhaben: Resident Evil: Revelations ist derzeit das technisch beeindruckendste Spiel auf dem Nintendo 3DS. Basta. Natürlich kann das Spiel grafisch nicht mit den Titeln auf der PS Vita mithalten, aber ihr bekommt ungefähr die Grafik eines schönen – ich betone – SCHÖNEN Wii-Spiels auf das kleine Display projeziert. An den Animationen, Texturen und Lichteffekten ist nichts auszusetzen – lediglich bei den Ingame-Zwischensequenzen fällt früh auf, dass die Lippen der Protagonisten bei Sprechtexten geschlossen bleiben. Das wirkt arg altbacken und hätte sicherlich besser gelöst werden können. Besonders schick sehen natürlich die vorgerenderten Videos aus, hier kann ich auch nur empfehlen: 3D-Regler hoch.
Beim Klabautermann – ich seh doppelt!
Der 3D-Effekt kann im Optionsmenü des Spiels sogar noch zusätzlich verstärkt werden – auf höchster Stufe wirkt alles tatsächlich noch einen ganzen Tacken tiefer, allerdings seht ihr in dunklen Räumen oft versetzte Phantombilder eures Hauptcharakters. Außerdem werdet ihr beim Zielen mit dem Gewehr Probleme bekommen: Entweder konzentriert sich euer Blick auf das Fadenkreuz oder auf den Gegner – eines davon wird zwangsläufig doppelt dargestellt. Schade eigentlich, denn an für sich wirken die Umgebungen durch die 3D-Tiefenverstärkung wesentlich plastischer. Bei den Filmsequenzen jedenfalls funktioniert der 3D-Effekt ohne Störeffekte und macht hier noch am meisten Spaß.
Man spricht deutsch
Das ich das noch erleben darf: Zum ersten Mal wird in einem Resident Evil-Spiel deutsch gesprochen. Die weiblichen Charaktere sprechen mir durch die Bank zwar viel zu zickig, ansonsten kann man an der deutschen Sprachausgabe nicht viel aussetzen, insbesondere weil die englischen Sprecher auch nie besonders gut waren. Puristen dürfen sogar auf japanisch durch die verschimmelten Schiffskabinen wandern, ganze sechs Sprachfassungen fanden auf der kleinen Speicherkarte Platz. Überhaupt kann der Sound überzeugen – zwar könnten die Soundeffekte auch über Kopfhörer insgesamt etwas wuchtiger klingen, zusammen mit der packenden, manchmal sogar komplett durchorchestrierten Musik schreit der Titel aus allen Poren: High Production Value!
Spektakuläre Schiffstaufe oder langweilige Seebestattung?
Ihr habt es vielleicht schon beim Lesen gemerkt: Resident Evil: Revelations ist ein Werk voller Höhen und Tiefen geworden. Auf den ersten Blick macht das Setting, die Grafik und Präsentation eine Menge Laune – über die vielen spielerischen Mängel kann das alles aber letztendlich nicht hinwegtäuschen. An ein Resident Evil 4/5 kommt “Revelations” in keinem Moment auch nur ansatzweise heran. Es spielt sich trotz gleicher Perspektive eher wie ein Old School-Resident Evil: Strunzdumme Gegnerskripte, viel Backtracking auf kleinen Locations, klassisches Schlüsselsuchen – in einem Raum dürfen wir sogar wie damals einen Stöpsel aus der Wanne ziehen. Eigentlich sollte man die Entwickler ja dafür rügen, aber irgendwie mag ich den Retro-Charme, den der Titel spielerisch versprüht. Natürlich sieht ein moderner Action-Shooter auf aktuellen Konsolen anders aus – aber wir reden hier immerhin über ein Handheld-Spiel, welches es in so einem Genre generell schwer hat. Besonders portabel ist der Titel eigentlich nicht – dafür liegen die Speicherpunkte zu weit auseinander. Aber ein Kapitel Resident Evil: Revelations vorm Schlafengehen macht letztendlich trotz aller offensichtlichen Mängel einfach Spaß, da die Steuerung an für sich funktioniert und das Spiel audiovisuell ein Genuss ist.
Gerade der Nintendo 3DS hat Titel wie Resident Evil: Revelations dringend nötig, abseits von N64-Remakes und den kunterbunten Nintendo-Marken gibt es bislang noch recht wenig am Third-Party-Markt, welches den 3DS in die absatzstärkere Richtung pushen könnte – solange eure Ansprüche nicht auf Superhit gepolt sind, werdet ihr eine Menge Spaß mit Resident Evil Revelations haben. Ach ja… Happy Birthday nachträglich, Resident Evil!
Weißt Du, was mich ärgert? Dass ich Dir das Muster zugeschickt habe 😉
Ich will das jetzt nämlich auch spielen, verdammte Axt. Die Demo sah schon unfassbar gut aus, war aber von der “Spieldauer” her wirklich nur ein Appetit-Anreger.
Och, ich schicks dir gern im Tausch gegen “Mario Kart 7” ^^