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Darkest Dungeon – Helden mit Burnout

von am 3. Februar 2016
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Lesezeit: 6 MinutenWenn ein Thema seit Jahrzehnten in Videospielen durchgekaut wird, dann sind es epische Heldensagen. Die traditionelle Nerdkultur aus Science-Fiction und Fantasy bietet sich immer wieder an, um packende Geschichten zu erzählen und uns zum Zentrum des Geschehens zu ernennen. Böse Feinde werden in die Flucht geschlagen und den hilflosen Nebenfiguren unter die Arme gegriffen, auf dass die Ausrüstung noch strahlender und die Fähigkeiten mächtiger werden. Darkest Dungeon bricht nun mit diesem Klischee und drückt das klassische Heldentum auf eine verletzliche Ebene hinunter. Im 2D-Dungeon-Crawler aus dem Hause Red Hook Studios leiden die Figuren psychisch unter den Gefahren ihrer Abenteuer. Wie sich dieser Umstand auf die Spielmechanik auswirkt und ob das überhaupt Spaß macht, beantworten die nächsten Buchstabenketten…

Knietief im Schlamassel

Die Party ist angeschlagen. Es sind kaum noch Fackeln im Inventar, die beruhigendes Licht spenden könnten, da das Geld nicht für einen größeren Vorrat reichte. Gleiches gilt für Nahrung, die kaum Gesundheit spendet, aber immerhin den Hunger stillt. Hoffentlich verbergen sich in den kommenden Gängen keine Feinde mehr, denn weitere Kämpfe wird die gepeinigte Gruppierung kaum überleben. Die einzige, zur Heilung fähige Vestalin meiner Gruppe wurde während dem letzten Abenteuer paranoid und wird seitdem im örtlichen Sanatorium behandelt. Ebenso hat eine der beiden Grabräuberinnen Urlaub beantrag und ertränkt ihren Frust gerade in der Kneipe. Ein Funke der Hoffnung liegt in einigen Kisten und Behältern, die in den heruntergekommenen Korridoren auf ihre Beute warten. Nicht selten enthalten diese keinen kostbaren Loot, sondern betrafen die Neugier der Plünderer mit Vergiftungen und blutenden Wunden. Mist! Ein Geröllhaufen versperrt der Gruppe den Weg und die letzte Schaufel verbrach unter der Last der letzten Grabung. Unter Schmerzen schieben sich die Helden auf die andere Seite der Trümmer, während das Flackern der letzten Fackel allmählich in sich zusammen fällt. Was sich anhört wie eine unfreiwillig komische Parodie eines klassischen Dungeon-Crawlers, ist in Darkest Dungeon bittere Realität aus Absicht. Aber eins nach dem Anderen:

Ein gewöhnliches Fundament

Es beginnt wie ein gewöhnliches Rollenspiel, verpackt in einem 2D-Sidescroller. Oben das Bild des Spielgeschehens, darunter ein komplexer Mix aus Waffen, Fähigkeiten, dem Inventar, einer Karte und anderen organisatorischen Komponenten. Per Mausklick werden im unteren Menü einzelne Räume der komplexen Höhlensysteme angesteuert, die durch einen Korridor verbunden sind. Der aus Brettspielfeldern bestehende, steinerne Schlauch wird daraufhin wie ein Sidescroller durchquert. Auf dem Weg finden sich Behälter mit kostbarem Loot, zu bekämpfende Gegner oder Fallen. Besitzt man das Privileg eine Karte gefunden zu haben, werden die entsprechenden Inhalte sogar eingezeichnet. Trifft man auf Feinde, geht es in einen rundenbasierten Kampfmodus. Zwischen unterschiedlichen Angriffen, stärkenden- und schadenden Modifikationen, sowie dem Verwenden von Items, wechseln sich Gut und Böse in einem Ping-Pong-Spiel der Spielzüge ab. Die Positionen der Beteiligten in einer Aufstellung aus maximal vier Stellplätzen (in einer 2D-Reihe) tragen ihren Teil dazu bei und bestimmen, welche Aktionen auf welchen Widersacher angewendet werden können. Hierbei gibt es natürlich eine Menge unterschiedlicher Charakterklassen, die strategisch angeordnet werden sollten, um ihre Fähigkeiten möglichst gewinnbringend einzusetzen. Ist ein Gegner besiegt, so bleibt sein Leichnam weiterhin Teil dieser Aufstellung, solange dieser nicht vollständig in den Staub gekloppt wurde. Ihr merkt, es handelt sich hierbei um ein ganz gewöhnliches Rollenspiel, wäre da nicht…

Stress mit im Spiel!

Die Figuren, so kampferfahren sie auch sein mögen, sind während ihrer Streifzüge durch die dunklen Gemäuer alles andere als tiefenentspannt. Darkest Dungeon kommt mit einem Stresslevel daher, der Platz für 200 Punkte lässt. Nach einer Füllung von 100 Punkten absolviert die Figur eine Stressprobe. Schlägt diese Fehl, kann das verheerende Folgen für die Figur und in Konsequenz sogar für das ganze Team haben. Wird der Stresslevel weiterhin aufgefüllt, kann dies sogar einen Herzinfarkt zur Folge haben. Anhand dessen greift eine Spielmechanik ins Geschehen ein, die entfernt an ein Psychologie-Tamagotchi erinnert, d.h. neben dem üblichen Kämpfen und Ressourcenmanagement müsst ihr euren Helden den Dungeonaufenthalt so angenehm wie möglich gestalten. Mit Fackeln muss für genügend Licht gesorgt werden, gefundene Bücher mit verstörenden Inhalten sollte man besser stehen lassen und die grauenvollsten Gegner haben die höchste Priorität. Die psychische Verfassung wird dadurch zum größeren Problem als die traditionelle Gesundheitsleiste, da sich letzteres nach jedem Quest heilt, der gestörte Seelenfrieden hingegen von Dauer ist. Generell ist Darkest Dungeon in der Hinsicht sehr komplex. Die Anzahl der Ticks und Psychosen ist sehr umfangreich und hat individuelle Auswirkung auf das Spielgeschehen, da die Betroffenen z.B. eigensinnig agieren und somit die Strategie aushebeln.

Darkest Dungeon - Terror and Madness Trailer (OFFICIAL)

Management im Dorf

Nach jedem Quest formiert sich die Gruppe im ansässigen Dorf neu. Dort gibt es diverse Möglichkeiten für Entspannung zu sorgen, z.B. per Kneipe und Bordell, wer es etwas spiritueller mag sucht das örtliche Kloster auf und wenn alle Stricke reißen, dann hilft in letzter Instanz der Lederriemen im Sanatorium. Eines haben alle „Behandlungen“ jedoch gemein: Sie kosten Geld, d.h. auch hier ist sorgfältig-durchdachtes Ressourcenmanagement vonnöten. Diese große Angreifbarkeit der Figuren bricht das klassische Heldenepos auf und macht sie nicht nur verletzlich, sondern auch austauschbar. Neue Helden können nämlich im Dorf rekrutiert werden, so dass ihr euch ein Archiv aus Charakteren zusammenstellen könnt. Wenn die letzten Rückkehrer erstmal ihre Leiden stillen müssen, braucht ihr für das nächste Abenteuer immerhin Ersatz. Gleiches gilt natürlich für das Ableben selbiger. Damit pfeift das Spiel komplett auf Charakterbindung und reduziert die eigentlichen Helden auf den Bauer eines Schachspiels. Nichts desto trotz könnt ihr eure Crew neben dem üblichen Aufleveln in der Gilde mit neuen Fähigkeiten bestücken oder deren Waffen beim Schmied verstärken. Ebenso sind alle Einrichtungen des Dorfes mit Fundstücken aus den Dungeons erweiter- und verbesserbar. Dabei solltet ihr stets ein Auge auf die übrige Kohle haben, denn bei jedem Eintritt in den nächsten Gefahrenkeller, müsst ihr zunächst euer Gepäck zusammenkaufen. Dieses besteht aus Fackeln, Nahrung, Bandagen, Schaufeln und vielem anderen Zeug, welches ihr in den Dungeons eventuell brauchen könntet. Das Problem ist jedoch, dass ihr nichts davon behalten werdet. Nach jedem Quest ist der Rucksack wieder leer. Um kostbare Münzen zu sparen müsst ihr also lernen zu pokern und einzuschätzen in welchen Gebieten welche Items in welchen Mengen notwendig sein könnten. Alles in allem setzt sich der mögliche Fortschritt nur mit Babyschritten in Bewegung. Da die Crew regelmäßig ausgetauscht wird, ist es dementsprechend schwer seine Helden aufzuleveln, um letztendlich neue Orte aufzusuchen. Als Spieler sollte man bestenfalls Spaß am Spiel an sich haben und seine Motivation nicht unbedingt von der Verbesserung der Figuren abhängig machen.

Pech kennt keinen Schwierigkeitsgrad

Darkest Dungeon setzt neue Maßstäbe an komplexe Rollenspielsysteme und dieser Maßstab wird dem Spieler oft zum Verhängnis. Die zu beachtenden Faktoren sind beachtlich, das Management überlebenswichtig und die Kämpfe gnadenlos. Der Schwierigkeitsgrad des Gesamtkonstrukts kann zu Beginn selbst hartgesottene Genrefans in die Knie zwingen. Ich selbst habe etliche Neustarts gebraucht, um aus meinen vorherigen Fehlern zu lernen und ein besseres Gespür für Entscheidungen zu entwickeln. Jedoch bin ich selbst heute noch angespannt, wenn meine angeschlagene Crew einer Horde Untoter gegenübersteht und ich verzweifelt die Finger kreuze, auf dass kein Fehler eine Kausalkette in Gang setzt, welche die letzten 20 nervenzehrenden Minuten im Dungeon in die Tonne kloppen. Anspannung gehört zum Konzept: Die Grundstimmung ist düster, geprägt durch einen dunklen Comiclook, einem drückenden, orchestralen Soundtrack in Kombination mit einem rasselnden Sounddesign. Spielmechanik und Atmosphäre geben sich somit die Klinke in die Hand und erzeugen konstante Lust auf mehr. Die Herausforderung wird zur Motivation sich trotz aller Rückschläge dennoch durchbeißen zu wollen, was vom Nervenkitzel gleichzeitig verstärkt wird. Dennoch ist selbst der größte Schwierigkeitsgrad letztendlich durchschaubar, solange das Gameplay solide und ausbalanciert ist. Frust entsteht in solchen Situationen erst dann, wenn der Spieler für sein Versagen keine Schuld trägt. Die Berücksichtigung von Glück und Pech innerhalb des Spiels ist in der Hinsicht auch leider die einzige Komponente, die Darkest Dungeon von der Perfektion befreit. Richtet mein Angriff genug Schaden an? Kann mein Held den gegnerischen Attacken ausweichen? Finde ich in der nächsten Kiste hilfreichen Loot? Gibt es in diesem Raum versteckte Fallen? Sobald keine dieser Fragen mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann, wird dem Spieler die Kontrolle entrissen. „Zufälle“ sind in jedem Fall Fluch und Segen zugleich, müssen jedoch wohl oder übel vom Spieler einkalkuliert werden. Verständlich, wenn der Spieler aus diesem Grund seine Hand von der Maus löst und Schulterzuckend mit einem „Mir ist das zu blöd!“ auf den Lippen das Feld räumt.

Fazit

Darkest Dungeon ist ein komplexer wie düsterer, Knochen knirschender Dungeon-Crawler für Schwierigkeitsmasochisten. Der Comic-Stil, sowie Musik- und Sounddesign überzeugen auf ganzer Linie und stellen auf ein Rollenspiel-Abenteuer ein, welches fernab gängiger Konventionen funktioniert. Der Mix aus Erkundung, rundenbasiertem Kampfsystem und der Sicherung der körperlich-/geistigen Gesundheit, ist ein erfrischend ehrliches Konzept, abseits der Überstilisierung klassischer Heldensagen. Einzig und allein die Grenze zwischen Skill und Frust mag hin und wieder durch unvorhersehbare Ereignisse verschwimmen, während wenige Teile des Spielkonzepts den Schwierigkeitsgrad unnötig anheben. Das sollte Spieler, für die das Durchbeißen zum Hobby gehört, jedoch nicht abschrecken.

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