Lesezeit: 9 MinutenDark Souls. Bloß die Benennung des Titels sorgt bei Millionen Hardcore-Zockern weltweit für wohlige Schauer. Als Dark Souls II angekündigt wurde, haben wir uns alle wie frisch panierte Schnitzel gefreut. Aber mal ehrlich, eigentlich haben wir bei aller Vorfreude doch auch wieder tierisch Angst vor den neuen Gemeinheiten, die sich From Software für Teil 2 ausgedacht hat. Ich bin leidenschaftlicher Souls-Spieler und bin für euch 1000 Tode gestorben, um lange verschollen geglaubte Schriften über Dark Souls II ans Tageslicht zu fördern.
Seid ihr bereit, den Weg des Leidens, der Schrecken, aber auch purster Spielfreude mit mir zu beschreiten? Dann liest weiter, tapferer Krieger. Denn jedes geschrieben Wort kann euch irgendwann das Leben retten. Willkommen bei Dark Souls II.
Erben des Fluchs
Wie schon im Vorgänger übernehmt ihr die Rolle einer verfluchten Seele, die verzweifelt auf der Suche nach Menschlichkeit ist. Ein durch seine Gier geblendeten Herrscher und ein in den Untergang geführtes Königreich ist abermals der Schauplatz des melancholischen Märchens. Drangleic wird für die nächsten knapp 40 bis 80 Stunden Spielzeit euer zu Hause sein und dessen nach Tod dürstende Bewohner werden euch das Fürchten lehren. Die Geschichte wird nie genau erklärt und will durch Gespräche, Item-Beschreibungen und Interpretationen von Bauten, Arealen und deren finsteren Bewohnern vom Spieler erschlossen werden. Genauso sperrig wie die Geschichte gestaltet sich typisch für die Reihe auch das Gameplay.
Das schwierigste Spiel der Reihe
Das Wichtigste gleich zu Beginn: Falls ihr befürchtet bzw. gehofft habt, dass Dark Souls II etwas netter zu euch sein wird: Pustekuchen! Im Gegenteil, ich würde sogar behaupten, dass From Software in dieser Episode die bislang gemeinsten Tricks aus ihrem Ideenpool herbeigezaubert hat. Selbst als Veteran der Souls-Reihe ging mir immer wieder der berühmte “Ihr habt sie doch nicht mehr alle!!”-Gedanke durch den Kopf. Aber fangen wir erst einmal bei den Grundlagen an, falls ihr die letzten fünf Jahre unter einem Stein gelebt habt und euch eine der emotionalsten Action-RPG-Achterbahnfahrten dieser Konsolengeneration entgangen ist. In Dark Souls II werdet ihr sterben. Sehr oft sogar. Ich weiß, ihr fühlt euch wie ein guter Spieler. Mega Man, Contra und Konsorten aus NES-Tagen, als Videospiele noch was für harte Hunde waren, spielt ihr im Schlaf durch. Tja, Pech gehabt, denn From Software hatte seit langer Zeit wieder eine Reihe geschaffen, die spielerisch ernst genommen werden will und muss.
Wir bauen einen Untoten
Wie in jedem Rollenspiel muss der Spieler auch in Dark Souls II erst einmal eine Charakterklasse auswählen. Hier hat sich im Vergleich zum Vorgänger nicht viel getan. Es gibt unter anderem den klassischen Ritter, den Krieger, den Zauberer oder für ganz harte Kerle den Bettler ohne Startstatuswerte und Hilfsmittel. Die der Klasse entsprechenden Stats können sich jedoch auf euren Wunsch hin jederzeit in eine andere Richtung entwickeln, wenn ihr zum Beispiel als Ritter auch mal Bock auf Zaubersprüche bekommt. Umgekehrt steht es euch auch frei, aus einem Kleriker eine Kampfsau zu machen, der seine Gegner mit einer Riesenkeule das Fürchten lehrt.
Faszination Seelen
Ihr habt 14 Millionen Euro im Lotto gewonnen? Pech gehabt, denn in Dark Souls II sind Seelen die globale Währung, auf die jeder scharf ist. Ob Level Ups, Ausrüstungsgegenstände oder ein Schlüssel für den nächsten Bereich: Alles wird mit Seelen bezahlt, die ihr in der Regel von erledigten Gegnern bezieht. Das Problem und gleichzeitig der Kniff der gesamten Reihe sind, dass ihr eure gesammelten Seelen bei jedem Bildschirmtod verliert. An der Stelle eures Ablebens liegt nur eine schimmernde Blutpfütze mit dem kostbaren Seelengut. Falls ihr es schafft, bis zu diesem Punkt zu kommen und die Seelen zurückzuholen, ist alles wieder gut und ihr könnt aufatmen. Solltet ihr jedoch erneut sterben, verschwindet die Seelenpfütze mitsamt den alten Seelen für immer und wird durch euere neue ersetzt. Dies ist das harte, aber faire Regelwerk, das From Software sich ausgedacht und damit schon Millionen von Spielern in den Wahnsinn getrieben hat. Wer unachtsam spielt, wird entsprechend bestraft. Im Umkehrschluss werden gewitzte Zocker mit unendlicher Befriedigung belohnt, wenn ein fieser Bossgegner endlich mit der richtigen Taktik bezwungen wird.
Das beste Kampfsystem der Welt
Alte Hasen im Souls-Geschäft wissen es schon längst: From Software hat für diese Reihe eines der besten Kampfsysteme aller Zeiten geschaffen, auch wenn der Autofokus immer noch gewisse Kameraprobleme mit sich bringt. Kämpfen, Ausweichen und Verteidigen gelingt in kaum einer anderen Spieleserie so intuitiv wie hier. Mit welchen Waffen ihr kämpft und ob ihr eher das Schild bevorzugt statt der riskanten Ausweichrolle, ist euch überlassen. Jede Waffe kommt mit einem eigenen Stil und Schlagrhythmus daher, den es zu lernen gilt. Es kommt deswegen nicht selten vor, dass man sich auf einen Waffentyp festlegt und diesen bis zum Spielende vorzieht. Eure Gegner haben allesamt Angriffsmuster, die mit dem richtigen Timing durchschaut werden können. Wenn ihr trotzdem einen Schlag abbekommt, ist es nie die Schuld des Spiels, sondern euer Unvermögen. Nichtsdestotrotz gibt es einige wirklich fiese Stellen und Fallen, die man auch mit der größten Vorsicht nicht so vorhersehen kann. Übrigens gehen gewisse Aktionen wie das Anheben des Schildes jetzt etwas gemächlicher vonstatten, was einen kleinen Shitstorm unter Fans verursacht hatte. Dieser ist wie so viele Shitstorms im Internet völlig unbegründet, da der Ursprung dieser Tatsache schlichtweg an einigen neuen Attributwerten liegt.
Attribute über Attribute
Dark Souls hat schon nicht mit verschiedensten Attributen und Charakterwerten geknausert, aber in Dark Souls II erreicht die Reihe neue Dimensionen. Die zu berücksichtigenden Werte haben sich gefühlt verdoppelt, da man oft zwei Attribute leveln muss, um einzelne Charakterwerte zu pushen. So müsst ihr z.B. Geschichten wie maximale Traglast und Beweglichkeit extra aufwerten. Letzteres ist eben genau der Grund, warum sich Dark Souls II anfangs etwas träger spielt wie der Vorgänger, denn dieser Wert will jetzt auch gelevelt werden. Daher ist gerade der Anfang des Spiels im Vergleich zu den vorangegangenen Spielen deutlich unbequemer und auch nicht so spektakulär, da es diesmal auch keinen Tutorial-Boss gibt. Fast wirkt es so, als ob das Spiel ausschließlich für Spieler von Teil Eins gedacht ist. “Ihr denkt, ihr habt den Dreh raus? Denkste!” werden sich die diabolischen Programmierer gedacht haben.
Beam me Up, Souly
Ein paar Neuerungen gibt es dann aber doch, die euer gepeinigtes Untotendasein etwas erleichtern. So könnt ihr euch diesmal von Anfang an zwischen den einzelnen Lagerfeuer-Plätzen hin- und herteleportieren und euch somit viel Laufarbeit sparen. Tatsächlich entstehen dadurch weniger nervige Passagen, in denen man gezwungenermaßen durch längst geklärte Areale rennen und sich erneut mit nervigen Gegnern rumärgern muss. Apropos nervige Gegner: Falls ihr euch wundert, dass der ein oder andere Widersacher plötzlich für immer verschwindet, ist das kein Bug. Es gibt keine unendlichen Respawns mehr, so dass ihr einen Weg zum Boss irgendwann bequem durchqueren könnt, ohne dass euch jemand stört. Das ist zum einen angenehm, wenn man immer wieder gewisse Gänge entlang schlurfen muss und sich so deutlich schneller wieder am Boss versuchen kann. Auf der anderen Seite beraubt es dem Spieler die guten, alten Farmspots, die wir in den Vorgängern so liebgewonnen haben. Zunächst war ich kein Freund dieser Neuerung, mittlerweile muss ich jedoch sagen, dass das Spiel dadurch deutlich ausgewogener ist und die Bosse mit dem angedachten Level spaßiger zu bekämpfen sind. Der Spielfluss wurde durch die nicht mehr ins unendliche spawnenden Gegner und die Teleport-Möglichkeit deutlich erhöht, so dass mein erster Durchgang mit 60 Spielstunden knapp 30 Stunden schneller beendet war als im Vorgänger. Zu guter Letzt darf man seine Ausrüstung etwas umfangreicher ausbauen, so dass ganze vier Ringe oder drei verschiedene Waffensets pro Hand Platz finden.
Neue Sachen, die doof sind
Es gibt leider aber auch ein paar Verschlimmbesserungen. Die zusätzlichen Statuswerte hätten eigentlich nicht unbedingt sein müssen, da sie im Grunde nur bewirken, dass man jetzt zwei Charakterwerte leveln muss und am Ende mit einen deutlich höheren Seelenlevel dasteht wie vorher. Auch das Schrumpfen des Lebensbalken nach jedem Tod bis zur Hälfte ist ein nerviger Reminder an Demon’s Souls, der mit dem ersten Dark Souls doch schon perfekt ausgebügelt wurde. Genauso unverständlich ist es, dass man zum Leveln jedes Mal zu einem bestimmten Charakter schlappen muss, wogegen das im Vorgänger noch bequem an jedem Lagerfeuer möglich war. Die gleichen kleinen Details, die Dark Souls besser als Demon’s Souls gemacht hatten, sorgen im Umkehrschluss dafür, dass der Nachfolger wieder etwas schwächer aufgestellt ist.
Neue Areale, alte Bekannte
Es ist fast so, als würde man Mega Man 3 spielen. Obwohl alles immer noch geil ausschaut und cool ist, kommt man nicht umhin, viele Elemente aus den Vorgängertiteln wiederzuerkennen. Dafür, dass der Schauplatz ein anderer ist, als im Vorgänger, kommen einige Areale einem doch verdammt bekannt vor. So gibt es wieder verrottete Burgen, die obligatorische dunkle Höhle mit Holzplanken oder eine gotisch angehauchte Stadt. Auch im Gegner- und Bossdesign muss sich Dark Souls II die Kritik gefallen lassen, dass hier viele Ideen wie aus vorangegangenen Titeln importiert und etwas uninspiriert wirken. Das soll aber nicht heißen, dass es nicht auch diesmal wieder echt abgefahrene Bosskämpfe und spannende Areale zu entdecken gibt. Gerade gegen Ende packt Dark Souls II noch ein paar wirklich schöne Settings aus und überzeugt mit einem tollen Finalschauplatz. Die Welt an sich wirkt diesmal aber nicht so schön ineinander verwoben, da die meisten Wege in einer Sackgasse enden und daher eher mit dem neuen Teleportiersystem harmonieren.
Grafik aus einer vergangenen Epoche
Leider muss man nach den bislang gezeigten Trailern und Gameplay-Sessions zum Schluss kommen, dass hier ausschließlich die PC-Version gezeigt wurde. Die von mir getestete Konsolenversion ist leider alles andere als hübscher wie die Vorgänger und teilweise sogar richtig hässlich. Verwaschene, detailarme Texturen und sichtbare Kanten der ineinandergebauten Polygonlandschaften sind nicht gerade zeitgemäß. Obwohl eine neue Engine gebastelt wurde, merkt man hiervon als Konsolero rein gar nichts. Die neuen Lichteffekte werden ausschließlich auf dem PC zum Einsatz kommen. Daher empfehle ich allen, denen Grafik wichtig ist, noch ein wenig auf die PC-Version zu warten. Bis auf nette Schattenspielereien bei angezündeten Fackeln und ein paar hübsche Settings am Schluss gibt es wenig grafische Highlights. Zumindest gibt es keine gravierenden Framerate-Einbrüche mehr, wie es in Blight Town des Vorgängers noch der Fall war. Allerdings wurde dies mit ebenso störendem Tearing erkauft, wodurch Dark Souls II grafisch das vielleicht unspektakulärste Spiel der Serie geworden ist. Der einzige Grund, warum man trotzdem alle paar Meter stehenbleibt und sich denkt “Boah sieht das geil aus”, ist das erneut fantastische Artdesign. Es macht einfach Spaß, diese düster-faszinierende Welt zu erkunden und eine abgefahrene Idee nach der nächsten zu entdecken.
Gemeinsam in den Tod
Am Multiplayersystem hat sich bis auf die Tatsache, dass die einzelnen Covenants etwas deutlicher erklärt werden, nicht wirklich viel geändert. Ihr könnt nun auch als Untoter überfallen werden, was den Spannungsgrad natürlich entsprechend erhöht. Wer auf unerwartete Gefechte keine Lust hat, spielt am Besten in aller Ruhe im Offline-Modus und braucht sich um die ganzen multiplayerbezogenen Items gar nicht kümmern. Im Online-Modus könnt ihr neben den klassischen PvP-Gefechten aber auch wieder zusammen gegen Endgegner antreten und euch somit einen kleinen Vorteil erschaffen, falls das Spiel alleine doch zu hart für euch wird. Allerdings muss der erste Durchzock meiner Meinung nach im Optimalfall komplett alleine bewältigt werden, um das echte Dark Souls-Gefühl der völligen Isolation und Hilflosigkeit zu bekommen. Wer dann noch auf Multiplayer-Sessions Lust hat, kann sich dann im NG+ wieder erneut in das Gefecht stürzen.
Mit der Community zum Ziel
Obwohl ich schon viel Zeit mit dem Spiel verbracht habe und der Abspann einmal durchlaufen ist, will ich gar nicht wissen, wie viele Geheimnisse ich diesmal wieder verpasst habe. In bester Serientradition gibt es auch hier wieder etliche Items, Türen und Orte, die sich mir nicht erschlossen haben. Da im Spiel selbst so gut wie nichts erklärt wird, ist man oftmals dazu angehalten, im Internet auf die Dark Souls II-Wiki zu surfen und nach dem Weg zu fragen. Dies ist bei einem Spiel wie Dark Souls II aber völlig legitim und keine Schande, da es durchaus gewisse Events gibt, auf die man nie im Leben gekommen wäre. Gemeinerweise kann eine geheime, unsichtbare Wand genau das Item beherbergen, welches einem das Leben ungemein erleichtern würde. Bringt aber nichts, wenn man nichtsahnend daran vorbei läuft. Aber selbst Hauptquest-Items ließen mich oft mit einem dicken, fetten Fragezeichen zurück, so dass ich nachsehen musste, wo ich jetzt eigentlich hinlaufen soll. Überhaupt hat man nicht selten das Gefühl, dass man sich gerade “verfahren” hat. Bin ich hier eigentlich richtig? Soll ich diesen hammerharten Boss als nächstes angehen? So frustrierend es sein kann, ein eigentlich noch nicht für euren Level bestimmtes Areal zu erkunden, so befriedigend ist es, triumphal herauszukommen, um danach in einem leichteren Bereich zu rocken.
Fazit: Besser als Dark Souls?
Die Frage aller Fragen, die jeden Fanboy seit der Ankündigung von Dark Souls II beschäftigt, ist sicherlich, ob das Spiel mindestens genauso genial wie der Vorgänger ist. Und meine Antwort muss leider lauten: Nein, aber es ist trotzdem das Spiel des Jahres. Zugegeben stelle ich es mir auch schwer vor, Dark Souls zu toppen, denn es ist nach wie vor eines der rundesten Videospiele, die ich jemals in meinem Leben spielen durfte. Das wunderbar, schaurige Dark Souls-Gefühl ist auf jeden Fall zumindest sofort wieder da. Unverändert genial sind Artdesign, Steuerung und Spielsystem. Als Fanboy wird man davon auch nie genug bekommen können, zumindest ist das nach drei Souls-Spielen noch nicht der Fall. Allerdings kratzen doch die nicht ganz so clevere Levelarchitektur und einige recycelte Gegner und Areale an der makellosen Oberfläche des Spiels. Wer mit Dark Souls einsteigen möchte, sollte dies am besten lieber mit dem ersten Teil tun. Denn Dark Souls II ist eher ein Spiel für erfahrene Souls-Spieler, die sich von den zusätzlichen Statistiken auch nicht gleich so erschlagen fühlen und schon wissen, wie der Hase ungefähr läuft. Für Fans der Reihe ist trotz technischer Mängel und ein paar Verschlimmbesserungen Dark Souls II immer noch ein Fest und es wird wohl kaum ein Action-RPG in diesem Jahr diesem Titel das Wasser reichen können. Falls ihr Dark Souls also noch nie gespielt habt, wisst ihr jetzt, was zu tun ist. Wenn ihr fertig seid, könnt direkt mit Dark Souls II weiterzocken und werdet es nicht bereuen.
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