Lesezeit: 6 MinutenEndlich wieder Lesestoff für Visual Novel-Fans! Fernost-Entwickler Spike Chunsoft erbarmt sich und bringt erstmals für den Westen das Remake des PSP-Spiels Dangan-Ronpa: Kibou no Gakuen to Zetsubou no Koukousei auf den Markt. Immerhin brachte es die junge, seit 2010 laufende Reihe auf zwei Videospiele und diverse Manga-, Roman- und Anime-Adaptionen. Es wird also höchste Zeit, die Serie einmal näher zu beleuchten. Ob sich Danganronpa: Trigger Happy Havoc mit der leichten Verspätung noch gegen die Genrekonkurrenz behaupten kann, könnt ihr im Folgenden meiner Abschlussklausur entnehmen!
Klassenziel: Ăśberleben
Makoto Naegi ist der durchschnittlichste SchĂĽler, den man sich nur vorstellen kann. Es gibt kein Fach, in dem er besonders gut ist. Daher ist die Verwunderung groĂź, als er eine Einladung fĂĽr die Hope´s Peak Academy, einer Hochschule fĂĽr Eliteklasse-SchĂĽler erhält. Dieser glĂĽckliche Umstand rĂĽhrt daher, dass Makoto Naegi als “Ultimativer GlĂĽcks-SchĂĽler” gelistet wurde. Tatsächlich werden ausschlieĂźlich SchĂĽler eingeladen, die in ihrem Fach als absolutes Naturtalent gelten. Als Makoto das Schulgelände betritt, geschieht das Unglaubliche: Er verliert das Bewusstsein und wacht in einem Klassenzimmer mit verriegelten Fenstern auf. Verwirrt stolpert unser Hauptprotagonist durch leere Schulhallen und trifft schlieĂźlich auf 14 MitschĂĽler. Die gesammelte Mannschaft wird von einem Teddybär (!) namens Monokuma auch gleich mit einer schrecklichen Botschaft begrĂĽĂźt: Den Rest ihres Lebens sollen alle SchĂĽler von nun an in der verriegelten Schule verbringen. Obwohl fĂĽr Verpflegung, Unterkunft und Unterhaltung gesorgt ist, ist die Gesamtsituation nicht nur aufgrund der Ăśberwachungskameras in jedem Zimmer äuĂźerst beunruhigend. Denn Monokuma erklärt mit verstörend guter Laune, dass jeder SchĂĽler die Chance hat zu entkommen, sofern er oder sie jemand anderes tötet. Sollte der Mord nicht aufgedeckt werden, darf der Mörder das Gebäude verlassen und der Rest wird umgebracht. Umgekehrt wird jeder zu Recht verurteilter Killer “bestraft” und die ĂĽbriggebliebenen SchĂĽler dĂĽrfen sogar eine weitere Etage des Schulgebäudes betreten. Es beginnt ein grausames Spiel, welches schon bald erkennen lässt, dass ihr in dieser Schule niemandem ĂĽber den Weg trauen solltet…
Saw meets Big Brother meets Battle Royale meets…
Zugegeben, für die Story gewinnt Danganronpa: Trigger Happy Havoc keinen Innovationspreis. Ständig hat man das Gefühl, einzelne Versatzstücke aus Vorlagen wie Saw, Big Brother, Battle Royale oder etwa Die Tribute von Panem herauszulesen. Allerdings muss man auch sagen, dass es mal abgesehen von der Zero Escape-Reihe wenig spielerische Vorlagen gibt, wo man in ein ähnliches Szenario geworfen wird. Leider braucht das Spiel eine ganze Weile, um in Fahrt zu kommen. Der Ernst der Lage wird spätestens durch die ersten Toten nach 2-3 Spielstunden klar, dann geht es aber auch gleich richtig zur Sache. Es ist ein wenig schade, dass die meisten Charaktere ziemlich blass und stereotypisch daherkommen. Da gibt es die stets schüchterne Computerexpertin, den raubeinigen Schläger, den altklugen Musterschüler, usw. Wenn nicht gerade ein Mord geschehen ist, laufen die Dialoge oft genauso ab, wie man es von den jeweiligen Gesprächspartnern erwarten würde. Die Bühne des Spiels ist insgesamt zwar spannender ausgefallen als die Darsteller, allerdings schließt dies interessante Wendungen und Charakterwandlungen im Rahmen der Handlung nicht komplett aus. Wer am Ball bleibt, wird mit manch überraschendem Twist belohnt!
Danganronpa: Trigger Happy Havoc vs. Zero Escape
Spielerisch spaltet sich euer Schulaufenthalt in zwei Teile: Im ruhigen Erkundungsteil dĂĽrft ihr, fĂĽr das Genre eher ungewohnt, selber eure Figur in Egosicht durch die Gänge bewegen und Räume erforschen. Die Steuerung ist dabei etwas hakelig und (womöglich aufgrund der PSP-Herkunft) nur fĂĽr einen Analogstick ausgerichtet. In klassischer Adventure-Manier sprecht ihr mit euren Mitinsassen und erkundet Zimmer fĂĽr Zimmer. Nervig wird das Ganze, wenn man bestimmte Gespräche noch nicht getriggert hat und alle Räume absucht, bis man die gewĂĽnschte Person gefunden hat. Im direkten Vergleich zu 999: Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors oder Virtue’s Last Reward gefällt mir die freie Erkundung eures Gefängnisses trotz Benachteiligung des Spielflusses jedoch deutlich besser. Immer wieder die gleichen Gänge entlangzuwandern, sorgt zunehmend fĂĽr Beklemmung. Dieser Aspekt wurde in den Zero Escape-Teilen völlig auĂźen vor gelassen, da man sich dort immer automatisch fortbewegt hatte. Die Hope´s Peak Academy fĂĽhlt sich dagegen nach gewisser Spielzeit wie euer zweites Zuhause an. Es gibt zwar zwei unterschiedliche Endsequenzen, diese werden jedoch erst gegen Ende des Spiels ausgelöst. Den Verlauf der Handlung könnt ihr im Rahmen eurer Gespräche und Entscheidungen nicht beeinflussen. Die Rätsel beschränken sich ausschlieĂźlich auf die Lösung der Mordfälle, wo wir schon beim zweiten Gameplay-Aspekt des Spiels wären.
Danganronpa: Trigger Happy Havoc vs. Ace Attorney
Sobald ein Mord passiert, wechselt ihr in den Phoenix Wright-Modus! Jetzt heiĂźt es, alle Räume nach Beweisen abzuklappern und Zeugenaussagen einzuholen. Dadurch sammelt ihr “Truth Bullets”, das Ă„quivalent zu den vorzeigbaren Beweisen aus Ace Attorney. Im “Gerichtsverfahren” wird dann Phasenweise jede Aussage untersucht und im richtigen Moment das entsprechende GegenbeweisstĂĽck eingeworfen. Da ihr pro Aussage nur ein gewisses Zeitlimit habt und eure “Truth Bullets” auch noch per Analogstick auf die richte Textpassage zielen mĂĽsst, kommt das Prozedere hier deutlich stressiger rĂĽber, als in der Capcom-Serie. Allerdings hätte ich mir eine direkte Eingabeform eurer Gegenbeweise gewĂĽnscht, denn das anvisieren der korrekten Textstellen gestaltet sich äuĂźerst fummelig. Besonders fordernd ist Danganronpa: Trigger Happy Havoc ĂĽbrigens auch auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad nicht. Solltet ihr vor Gericht versagen, springt der letzte Checkpunkt unmittelbar vor eure fatale Fehlentscheidung. So kann man sich schnell umentscheiden und jeden Fall auch mal mit GlĂĽck als nur Verstand lösen. Etwas merkwĂĽrdig muten die eingestreuten, relativ simplen Minigames gegen Ende der Verhandlung an, die mit Kombinationsgeschick wenig zu tun haben.
Im Land der Pappaufsteller
Der Grafikstil ist extrem gewöhnungsbedürftig, denn das Spiel versucht in keinster Weise zu verbergen, dass eure Mitschüler zweidimensional sind. Wenn ihr durch die Gänge lauft, glotzen euch die Figuren aus allen Perspektiven im gleichen Maße von vorne an. In Räumen wirkt dies besonders befremdlich, da ihr hier die Kamera anwinkeln könnt und es dann so ausschaut, als ob ihr das Zimmer zusammen mit einem Pappaufsteller teilt. Besonders liebevoll gezeichnet wirken die Figuren und eingestreuten Bilder auch nicht, was von den gänzlich fehlenden Animationsphasen nur bestärkt wird. Die knallbunten Räume der Hochschule werden beim Betreten wie in einem Pop-Up-Buch aufgefaltet, was den Pappaufsteller-Look erneut unterstreicht. Es mag Geschmackssache sein, aber ich persönlich bin mit dem Grafikstil nicht warm geworden. Die teilweise ziemlich grausamen Morde werden in Danganronpa: Trigger Happy Havoc deutlich grafischer dargestellt, als in Zero Escape. Trotzdem muss sich der Spieler ein paar Zensurmaßnahmen wie rosafarbenes Blut oder ausgeschwärzte Pantyshots gefallen lassen.
Eine Schule ohne Deutsch-Unterricht
Wer des Englischen nicht mächtig ist, wird auch in dieser Schule Pech haben, denn sämtliche Bildschirmtexte sind genau in dieser Sprache. Die Sprachausgabe kann man sich auf Englisch oder Japanisch anhören. Ungewohnt fĂĽr eine doch recht kommerzielle Visual Novel: Gesprochen wird nur vereinzelt in besonders wichtigen Szenen und den Gerichtsverhandlungen. Wer auf eine komplette Vertonung wie bei Virtue’s Last Reward hofft, wird enttäuscht. Der laute, schrille Jazzpop-Soundtrack kann nicht auf ganzer Linie ĂĽberzeugen und nach einer gewissen Weile auch ziemlich nerven.
Abschluss-Zeugnis
Danganronpa: Trigger Happy Havoc zeigt gute spielerische Ansätze und macht Einiges sogar besser als die Konkurrenz. Allerdings trĂĽbt das aus zig Vorlagen zusammengeschusterte Szenario und die billig anmutende Präsentation das Erscheinungsbild. Besonders innovativ ist das Werk von Spike Chunsoft zwar nicht, aber wen es nach den ganzen Ace Attorney– und Zero Escape-Spielen nach ähnlichen Formaten dĂĽrstet, darf bedenkenlos zugreifen. Die Geschichte entwickelt sich anfangs sehr langsam, lässt euch aber nicht mehr los, sobald der erste Mordfall eintritt und es um die Wurst geht. Speziell das tägliche herumspazieren in der Big Brother-Schule ist ein beklemmendes GefĂĽhl, das man selten in Videospielen serviert bekommt. In der Schule vergibt man bekanntlich die Note “gut”, wenn die Leistung den Anforderungen voll entspricht. Bitteschön!
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