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Beyond: Two Souls – Ein Spiel, das die Spieler-Gemeinde spaltet

von am 12. Oktober 2013
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Lesezeit: 8 MinutenBevor die nächste Konsolengeneration ins Haus steht, lässt Entwickler Quantic Dream es nochmal richtig krachen und haut den vorrausichtlich letzten, großen PS3-Exklusivtitel raus. Doch kaum steht Beyond: Two Souls in der Ladentheke, überschlagen sich die Kritiken weltweit ob der Qualität des Spiels. Von mittelprächtig bis Höchstwertung ist alles drin. Was ist los mit diesem Spiel? Ich kläre auf.

Paranormale Aktivitäten

Jodie Holmes wäre eigentlich ein ganz normales Mädchen, wenn da nicht ein klitzekleines Problem wäre: Sie hat im wahrsten Sinne des Wortes einen Geist an der Leine. Ihr kleiner, nicht-imaginärer Freund heißt Aiden. Woher er kommt, warum sie mit ihm “gesegnet” ist und weshalb er nicht von ihr los lässt, bleibt ein Rätsel. Die Wissenschaft interessiert sich natürlich sehr für Jodies unfreiwillige Begabung, weswegen sie fast ihr ganzes Leben als Versuchsperson im Labor aufgewachsen ist. Der Spieler übernimmt die Kontrolle von Jodie vom zarten Kindesalter über 15 Jahre hinweg bis ins Erwachsenenalter. Die Geschichte von Beyond: Two Souls wird unchronologisch erzählt. Wir sehen in der Einleitung, dass eine erwachsene Jodie von der Regierung verfolgt wird. Warum, wieso, weshalb dieser Umstand eintritt, erfährt der Spieler an anderer Stelle. Als nächste Szene sehen wir Jodie im Labor. Wie ist sie dort gelandet und wer sind die Personen um sie herum? Auch das erfährt man erst in einer späteren Episode ihres Lebens. Mehr möchte ich als Ausgangslage auch nicht verraten, da es ansonsten den Hauptreiz des Spiels völlig zunichte machen würde.

BEYOND: Two Souls Tribeca Trailer

Point and Click meets Blockbuster-Kino

Wenn man versucht, Beyond: Two Souls auf seine wesentlichen spielerischen Bestandteile herunterzubrechen, bleibt am Ende eigentlich nur ein klassisches Adventure ohne Längen (sprich: Rätsel) mit Quicktime-Events übrig. Gesteuert wird mit dem linken Analogstick, was deutlich besser funktioniert als noch in Heavy Rain. Kommt ihr zum Beispiel an eine Tür, die ihr öffnen könnt, wird dies durch einen weißen Punkt symbolisiert. Hier genügt nur ein Wink mit dem rechten Analogstick in die entsprechende Richtung, und Jodie öffnet die Tür. So verhält es sich mit sämtlichen Gegenständen, mit denen ihr interagieren könnt. Klassische Tasteneinblendungen gibt es auch wieder in der gleichen Heavy Rain-artigen Darstellung innerhalb der Szene. Es wurden allerdings so wenig “klassische” Einblendungen wie möglich untergebracht, die euch aus dem “Film” rausbringen könnten. Action-Szenen versuchen ein ähnliches Konzept, um QTEs so subtil wie möglich zu halten: wenn Jodie in Gefahr ist und vom Spieler eine Aktion gefordert wird, geht die Szene in eine schwarz-weiß-Zeitlupe. Anhand von Jodies Körperbewegung muss der Spieler mit dem rechten Analogstick in die richtige Richtung lenken, damit unsere Hauptfigur mit heiler Haut davonkommt. Gerade hier geht Quantic Dream vielleicht einen Schritt zu weit, denn ich konnte nicht immer deuten, in welche Richtung sich Jodie bewegt. Wenn ich als Spieler nicht weiß, was das Spiel von mir will, bin ich sofort gefrustet. Optional einblendbare Richtungspfeile hätten das Problem gelöst, wobei ich schon verstehen kann, dass man sich zugunsten des filmerischen Erlebnisses dagegen entschieden hat. Streckenweise vergisst man hierdurch tatsächlich, dass man immer noch ein Spiel vor sich hat.

Mein Leben als Poltergeist

Mit einem Druck auf die Dreieck-Taste übernehmt ihr die Kontrolle von Aiden, Jodies spirituellen Gefährten. Hier wechselt das Spiel in die Ich-Perspektive und lässt euch frei durch die Räume und Wände fliegen. Levelbegrenzungen wurden geschickt umspielt, indem ihr euch nicht zu weit von Jodie wegbewegen könnt. Aiden kann als Polstergeist gar lustig Bilder von der Wand fegen, Tassen umwerfen und Türen aufschmettern. Auch hier werden sämtliche Interaktionsmöglichkeiten mit einem Punkt aufgezeigt. Doch Aiden kann nicht nur Unruhe stiften: Bei bestimmten Personen ist es möglich, deren Kontrolle zu übernehmen, so dass ihr zwischenzeitlich auch öfters mal in eine andere Haut schlüpft. Verstorbene können dank Aidens Hilfe ihre letzten Momente mit Jodies Bewusstsein teilen und so wichtige Hinweise liefern. Sogar ein Schutzwall um Jodie ist möglich und lässt sie so manch heikle Situation überstehen. All diese Aktionen sind allerdings kontextsensitiv an die jeweilige Spielsituation gebunden. Das Spiel lässt euch nie mehr erkunden, als ihr sollt. Dafür dürft ihr beim Umherfliegen auch versteckte Punkte aufspüren und Bonusinhalte wie Making Ofs, Trailer oder Artworks freispielen.

Viele Entscheidungen, wenig Gewicht

Wer ein Heavy Rain erwartet, wird enttäuscht. Dies ist wohl die wichtigste Vorraussetzung, die ihr für Beyond: Two Souls mitbringen solltet. Da wir nur eine menschliche Hauptfigur haben, fällt natürlich die Möglichkeit weg, diese auf halber Strecke sterben zu sehen. Ein Konzept wie in Heavy Rain kann daher auch nur funktionieren, wenn mehrere Hauptpersonen kontrolliert werden können. Auch wenn ihr ständig Entscheidungen fällen müsst, haben die wenigsten davon auch Konsequenzen für den weiteren Spielablauf und die möglichen Enden. David Cage möchte seine Geschichte erzählen und lässt euch nur leicht variieren. Schwerwiegende, für die Endsequenz tragende, Entscheidungen fällt ihr lediglich im letzten Kapitel. Allerdings gehen gewisse Szenen teilweise komplett anders aus, wenn ihr bestimmte Entschlüsse fasst. Ich bennene beispielhaft nur die allerersten Spielszenen: Es liegt an euch, ob ihr bei einem Experiment über Aidens Geist im Raum umherwütet oder euer Schreckgespent im Zaun hält. Die Szene kann völlig unspektakulär ausklingen oder sich dramatisch steigern. Das Ergebnis ist zwar das gleiche, das Erlebnis jedoch ein anderes. Clevererweise werden gut auf QTEs reagierende Spieler mit ausgedehnteren Sequenzen belohnt, die teilweise sogar in andere Szenen münden. Schlechte Spieler werden mit einem eher unspektakulären Ende einer Szene “belohnt”. Auch wenn beide Spielertypen im Endeffekt das gleiche Ende bekommen könnten, wird das Erlebnis und die Spielerfahrung eine andere sein. Es gab allerdings auch ein paar Szenen, wo ich mir wirklich mehr Entscheidungsfreiheit gewünscht hätte. Wenn ich Jodie als aufmüpfige Teenagerin kontrolliere, hätte ich mich gerne gegen diverse rebellische Aktionen entschieden. Manche Stress-Situationen werden künstlich erschaffen, weil dem Spieler vorenthalten wird, sich im richtigen Moment für ein “Nein, lieber nicht” zu entscheiden. Diesen dramaturgischen Kniff hatte Heavy Rain abgesehen von den möglichen Todesfällen etwas besser hinbekommen.

Ein Absatz für alle, die sich gerne über das Spiel aufregen

Herzlich Willkommen, liebe Beyond: Two Souls-Hater. Diesen Textblock habe ich extra für euch erschaffen, um alles niederzuschreiben, was mir am Spiel nicht gefallen hat. Denn bevor ich gleich ins ganz große Schwärm-Gefecht stürze, muss ich noch ein paar Kritikpunkte loswerden. Richtig zu kämpfen hatte ich teilweise wirklich mit der Steuerung, sowohl von Jodie als auch Aiden. Ich sage es gerne nochmal, dass die Steurung durchaus besser gelungen ist als in Heavy Rain – allerdings ist sie immer noch nicht besonders intuitiv. Oft hing ich an einer Ecke fest und hatte keinen Plan, in welche Richtung ich denn lenken soll, damit es weitergeht. Mit Aiden war die Fliegerei auch recht schwammig und es war nervig, immer auszuloten, wie weit man fliegen kann. Sehr wohnzimmeruntauglich ist auch das vollständige Fehlen eines Helligkeitsreglers. Nicht jeder hat ein superhelles, kontraststarkes Ausgabegerät und spielt komplett im Dunkeln. Gerade in den nicht wenigen, dunklen Szenen säuft das Bild ab und ich konnte den Weg nur schwer erkennen. Wenn dann auch noch QTEs hinzukamen, wo ich Jodies Körperbewegungen erkennen musste, tappte ich sprichwörtlich im Dunkeln. In Heavy Rain gab es den Helligkeitsregler wie in 99% aller Videospiele auch schon, warum hier nicht? In einer sehr langen Episode streckt das Spiel seine Fühler nach dem Stealth-Genre aus und funktioniert durch die Spielmechanik nur bedingt gut. Lustigerweise sind die Passagen, in denen Beyond: Two Souls mehr “richtiges Spiel” sein will, am Schwächsten. Zum Storytelling möchte ich noch sagen, dass die Geschichte durchaus auch einige Filmklischees bedient. Einige kann man durch die Interaktivität entschärfen, gewisse Situationen und Charakterzüge wirken aber eher an den Haaren herbeigezogen. Ob ich die unchronologische Erzählweise gut oder schlecht finde, kann ich selbst jetzt nach dem Beenden des Spiels nicht beurteilen. Gewisse Einschnitte aus dem Leben von Jodie wirkten vom Timing her manchmal recht deplaziert, könnten aus dramaturgischen Gründen jedoch berechtigt gewesen sein. Man müsste zum Vergleich die Episoden wohl einmal in der chronologisch korrekten Reihenfolge spielen.

Abschließend möchte ich mich noch über jene auslassen, die dem Spiel wie schon dem Vorgänger ankreiden, es bestünde nur aus Knöpfchendrücken und Dialogauswahl. Gerade im Vergleich zu Heavy Rain ist Beyond: Two Souls durchaus mehr Spiel als vorher, schon alleine durch die freien Aiden-Steuerungsmöglichkeiten. Bei alten Adventures hat sich auch nie jemand beschwert, es bestünde nur aus “Pointen” und Klicken. Und im Grunde macht Beyond: Two Souls das gleiche in einem anderen Gewand. Bestehen mal davon abgesehen nicht alle Videospiele irgendwo nur aus Knöpfchendrücken, um ans Ziel zu kommen? Ob ich Call of Duty im Schlauch durch die immergleiche Spielmechanik durchrattere oder bei Beyond: Two Souls dem Weg des Entwicklers folge, macht für mich keinen besonders großen Unterschied.

BEYOND: Two Souls Launch Trailer

Wegweisende Inszenierung

Audiovisuell schlägt Beyond: Two Souls jedes andere Spiel der Current-Gen. Ellen Page und Willem Dafoe wurden dermaßen gut digitalisiert, dass man fast Angst vor der nächsten Konsolengeneration bekommt. Das hochwertige Motion Capturing-Verfahren von Quantic Dream fing selbst kleinste, schauspielerische Nuancen ein und wirkt zusammen mit den detaillierten Gesichtstexturen fast schon wie eine in echt gefilmte Szene. Die deutsche Synchro wirkt nach kurzem reinhören sehr solide, allerdings empfehle ich schon alleine wegen der tollen Performance von Ellen Page, die Dialoge auf englisch einzustellen. Untermalt wird das Spielgeschehen zudem von einem großartigen Orchester-Score, der manchmal vielleicht etwas zu sehr in den Hintergrund gerät, im richtigen Moment aber wieder packt. Sämtliche Locations sind mit viel Liebe zum Detail ausmodelliert und selbst unbedeutende Gegenstände mit hochauflösenden Texturen versehen. Es ist eine wahre Freude, sich mit Jodie und Aiden alles genau anzusehen. Besonders toll sind auch die verschiedenen Spielanimationen von Jodie gelungen: je nach Situation schaut sich die virtuelle Ellen Page nervös beim Laufen um, wirkt als Teeny hibbelig oder als Kind sehr unsicher. Die situationsbedingten Emotionen des Charakters verschmelzen perfekt mit der animierten Figur im Spiel.

Hinter jedem noch so unbedeutenden Gegenstand in der Ecke ist ein Gedanke spürbar, die Welt von Beyond: Two Souls möglichst glaubhaft wirken zu lassen. Und ich ziehe meinen Hut, denn das hat Quantic Dream geschafft. Ich lasse die Kopfbedeckung auch weiterhin unten, denn was über die an sich schon traumhafte Grafikqualität für ein inszenatorisches Kunststück gelungen ist, lässt sich kaum in Worte fassen. Die Kameraführung ist bis auf wenige Ausnahmen fantastisch und fängt das Geschehen stets passend ein. Ein plötzlicher Schwenk in einer Spielszene, dynamische Shaky-Cam bei Actionszenen oder künstlerisch geschickt eingefangene Emotionen zeigen, wie man ein Videospiel in filmerischer Perfektion präsentiert. Dies hat zur Folge, dass man selbst als Zuschauer Spaß am Spiel hat, ohne auch nur einen Finger krümmen zu müssen.

Ein Film für zwei Spieler

Dabei wäre das gar nicht nötig, denn das Spiel bietet einen Zweispieler-Koop-Modus. Ein Spieler übernimmt dabei den Part von Jodie, der andere spielt Aiden. Das funktioniert zwar nicht simultan, sondern abwechselnd wie auch im Singleplayer, dürfte aber trotzdem eine spaßige Erfahrung sein. Schließlich tickt nicht jeder Spieler gleich und mit einem unberechenbaren Geist-Partner zu spielen, könnte manche Szene interessanter gestalten. Falls ihr keinen zweiten PS3-Controller zur Hand habt, dürft ihr euch auch eine passende App aufs Tablet/Smartphone laden und sogar hierüber steuern. Mangels entsprechender Hardware konnte ich nur auf den klassischen Controller zugreifen, aber für unerfahrene Spieler dürfte die App-Lösung vielleicht einen Blick wert sein.

Fazit: Voller Fehler und doch ein unvergessliches Erlebnis

Beyond: Two Souls ist ein Spiel, das man liebt oder hasst. Man könnte sich stundenlang damit aufhalten, Reden über verpasste Chancen zu schwingen. Das durch die fehlenden Konsequenzen von Entscheidungen die Intensivität eines Heavy Rain nicht erreicht wird. Das die Steuerung schwammig ist. Das die Geschichte klischeebehaftet ist und sich auch durch die unchronologische Struktur nicht so richtig zu entwickeln vermag. Das manche Charaktere zu flach sind. Ich kann dazu nur sagen: Genießt das Spiel einfach so, wie es ist und haltet euch nicht mit Vegleichen zu anderen Spielen auf. Ja, das Spiel ist nicht perfekt. Aber der Fokus liegt bei der Story und die wird – Klischees hin oder her – meisterhaft erzählt. Ich habe noch keine dermaßen perfekt in Szene gesetzte Geschichte im Rahmen eines Videospiels erlebt. Schon das permanente Cinemascope-Format macht klar, was Sache ist. “Kinoreif” wäre eigentlich schon zu wenig gesagt, denn im Grunde ist Beyond: Two Souls schon da, wo es sein will: großes Kino. Zusammen mit der interaktiven Komponente ist das Spiel dabei aber umso packender. Auch wenn der Spieler nicht über den festgelegten Verlauf der Geschichte bestimmen kann, darf man immerhin die Dramatik jeder Szene nach seinen Wünschen gestalten. Je nachdem, wo eure Präferenzen als Spieler liegen, wird euch Beyond: Two Souls entweder völlig kalt lassen oder emotional dermaßen einbinden, so dass ihr über die spielerische Mängel hinwegsehen könnt. Beyond: Two Souls ist wie schon sein Vorgänger Heavy Rain weniger Videospiel, als vielmehr eine Erfahrung, die man zumindest einmal gemacht haben sollte. Fairerweise bewerte ich das Spiel daher auch nicht nach typischen Videospielkriterien, sondern als das, was es sein will: ein interaktiver Film. Und in dieser Kategorie ist Beyond: Two Souls die neue Genrereferenz und verdient daher die Bestnote.

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