Reviews
1Kommentar

Alchemy – Hast Du schon Öl entdeckt?

von am 24. Mai 2012
 

Lesezeit: 6 MinutenEin Pärchen sitzt auf einer Couch. Im Hintergrund dudelt der Fernseher CSI, Law and Order oder sonst irgendwas. Die beiden lieben sich. Aber im Moment haben sie nur Augen für ihr Smartphone. Oder besser gesagt, das, was sie auf dem Smartphone sehen. Verbissen experimentiert jeder vor sich hin. Die gespenstische Szenerie wird nur von einem “Ich habe Verbrennungsmotor erschaffen” aufgebrochen. Das, liebe Leute, ist der Zauber von Alchemy.

Halb so wild und doch so schön

Das klingt jetzt alles irrsinnig dramatisch, ist in Wahrheit aber eine unterhaltsame und harte Nuss. Denn Alchemy, erhältlich für iOS-Geräte und Android-Smartphones, ist auf das absolute Minimum reduziert. Eigentlich müssen sich die Entwickler auch die Frage gefallen lassen: ist das ein Spiel, oder einfach nur eine schräge, digitale Art von Sammelalbum? Denn genau darum geht es: Sammeln, sammeln und sammeln. Und experimentieren. Hier sind Pioniere, Freigeister und Hobbylaboranten gefragt. Und alle brauchen eine Krämerseele.

Und wie in der klassischen und echten Alchemy geht alles Ding auf dieser Welt aus den vier Grundelementen Feuer, Erde, Luft und Wasser hervor. Das sind eure ersten vier Elemente und von diesen vier Grundstoffen aus müsst ihr auf 380 zu entdeckende “Dinge” kommen. Ich sage bewusst “Dinge”, denn gesucht sind nicht bloß weitere Elemente, sondern Gegenstände, Rohstoffe, Nahrungsmittel, Bewusstseinszustände, Gefühle, Sammelbegriffe und Charaktere und Wesen aus Funk, Fernsehen und sogar der Spielebranche.

Am Anfang war…

Aber zurück zu unseren vier Ursprungselementen. Die sind zu Beginn des Spiels einfach da. Warten als kleine Symbole dargestellt auf schnödem schwarzen Hintergrund. Zu sehen ist noch eine kleine Mülltonne, ein Plus-Zeichen, ein Fragezeichen und ein “i”. Am oberen Bildschirmrand wird euch noch die Nase langgemacht: Entdeckte Elemente: 4/380
Jetzt aber los. Was macht man mit Feuer, Erde, Luft und Wasser? Mal Feuer und Wasser kombinieren. Hey, jetzt haben wir Alkohol, also quasi Feuerwasser!
Und was passiert, wenn man Luft und Erde miteinander vermischt? Man bekommt Staub. Staub und Alkohol lassen sich nicht miteinander verbinden, also brauchen wir Elemente-Nachschub.
Tippen wir zwei Mal schnell auf die schwarze Oberfläche kriegen wir unsere Anfangselemente wieder.

Wasser und Erde ergeben Sumpf.
Feuer und Luft ergeben Energie.
Energie und Sumpf ergeben Leben.
Staub und Leben ergeben Milben.

Zack!
Schon haben wir nicht nur binnen weniger Sekunden Leben und Energie erschaffen, was unfassbar viele neue Möglichkeiten eröffnet, nein, wir haben auch unser erstes terminales Element erschaffen:
Milben! Dieses Element hat einen kleinen roten Punkt zwischen Symbol und Beschriftung und kann nicht weiter mit irgendetwas anderem kombiniert werden.

Die “Boah, ich hab soviele Ideen”-Phase beginnt

Jetzt ist euer Ehrgeiz entfesselt. Ihr wollt und ihr müsst schnell diese ganzen Ideen in die Tat umsetzen. Die nächsten zwei-drei Stunden verbringt ihr mit wahnwitzigen Kombinationen, die euch über Tiere, verschiedene Früchte und verschiedene Spirituosen, Golems, Diamanten, Ents (ja die Bäume aus Der Herr der Ringe hin zum Werkzeug und Ziegelstein bringen. Dann gehen euch die Ideen aus, es ist Zeit ins Bett zu gehen und ein wenig zu schlafen. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag.
Und den verbringt ihr immer wieder für kurze Zeit mit dem Spiel, weil ein Geistesblitz euch durchfuhr. Ihr kombiniert die wildesten Sachen und stellt fest, dass ihr jetzt zwar schon 70 “Dinge” habt, aber euch einfach nichts mehr einfallen will. Ihr seid bereit für die nächste Phase des Spiels!

Die “Ich kombiniere alles mit allem”-Phase

Ihr geht nun eure Elemente Stück für Stück durch und kombiniert bis der Arzt kommt. Der Plus-Button – er öffnet euer Elemente-Inventar – und der Müllkorb – hier lassen sich nicht mehr benötigte Elemente entsorgen – werden eure besten Freunde. Das Inventar ist ein wie ein Setzkasten und zeigt euch – je nach Version und System – entweder in chronologischer oder alphabetischer Reihenfolge alle bereits von euch entdeckten Elemente an. Entweder per Einzelauswahl, oder per Mehrfach-Auswahl nehmt ihr euch nun mit, was ihr braucht, kehrt auf die “Labor”-Oberfläche zurück und legt los.
Übrigens lassen sich einige “Dinge” auch mit sich selbst kombinieren. Um nicht ständig zwischen Inventar und Spieloberfläche hin- und herwechseln zu müssen, kann man auch ein Element doppelt antippen und schon hat man es geclont.

Neue Erfolge werden euch übrigens nochmal als Formel am unteren Bildschirmrand dargestellt: Wal + Erde = Elefanten.

Zieht man ein Element auf das “?” verrät uns das Spiel alle uns bekannten Kombinationen mit diesem Element und auch ein kleines bißchen Trivia gibt’s als Dreingabe.
Das “i” ist ein Tipp-Button, über den man im Spiel direkt Tipps dazukaufen kann. Ein einzelner Hinweis kostet 0,79 Euro, der Zehner-Pack schlägt mit 3,99 Euro zu Buche und 50 Hinweise kosten stolze 15,99 Euro. Völlig überteuert und völlig unnötig.

Immer wieder wird man die großen “Aha”-Erlebnisse haben, die den Spieler zur rechten Zeit aus der Zwickmühle befreien. Diese Schlüsselelemente sind oftmals total offensichtlich, andere widerum sind so unbekannt, dass man nur per Zufall über den nächsten Türöffner stolpert oder sich einmal genauer anschaut, was eigentlich in diesen Trivia-Texten drinsteht, wenn man schon nicht weiß, womit man es zu tun hat.

Andere Versionen, andere Sitten

Die einzelnen Versionen für Android und iOS sind eigentlich inhaltsgleich und doch so unterschiedlich. Das beste Gesamt-Paket bekommt man allerdings auf Android-Telefonen. Denn hier bekommt man in der Gratis-Variante das, wofür man auf dem iPhone 1,59 Euro auf den Tisch legen muss. Und selbst da kommt die Android-Version noch besser weg, weil sie auch bei den bizarren Dingen, wie z.B. Nintendo-Charakter Yoshi hier eben als Bild zu sehen ist, während die Bezahl-Version auf dem iPhone derartige Dinge nur als graue, matschige Silhouette darstellt. Die schwächste Version ist die Gratis-Auflage des iPhone. Denn hier sieht man zwar Yoshi und Co. wieder in Farbe und als Bild, dafür haben wir am oberen Bildschirmrand aber Werbung, Hinweise gibt es auch noch nicht, ziehen wir ein Element auf das Fragezeichen, bekommen wir zwar Wissen vermittelt, aber die uns bereits bekannten Kombinationen mit diesem Element kriegen wir nicht zu Gesicht. Größtes Manko dieser Version ist jedoch, dass wir im Inventar nicht hin- und herschalten können zwischen chronologischer und alphabetischer Ansicht. Denn Letztere fehlt einfach.

Mitspieler erhöhen den Forscherdrang

Die Szene in der Einleitung ist ganz bewusst gewählt, denn spielt man das Spiel mit einem Freund/Kollegen oder mit dem eigenen Partner steckt man sich gegenseitig mit seinem Forscherdrang an. Entweder zieht man dem andern bewusst die Nase lang mit neuentdeckten Elementen oder teilt sein neues Wissen direkt mit ihm. Nicht selten ist es übrigens das Gegenüber, dass neue Spielimpulse gibt, wie “Hast Du schon mal Stadt mit Stadt kombiniert?”

Auch wenn die Zahl 380 ein wirklich überschaubares Feld an “Dingen” zu sein scheint… aktuell stehe ich bei 297 und mir will um’s Verrecken nichts mehr einfallen. Das macht dieses Spiel eben aus. Das Herumexperimentieren mit logischen, manchmal abstrusen und hier und da schwarzhumorigen Kombinationen von Elementen. Scheinbar wird das Spiel allerdings auch immer wieder um neue Elemente erweitert, denn die ersten Versionen sprachen von 310 Elementen und zwischenzeitlich laß man in Texten über das Spiel die Zahl 370.

Fazit

Für Spieler, die “nur mal eben zwischendurch” ein witziges und absolut nicht kompliziertes Spiel auf dem Smartphone spielen wollen, ist Alchemy eine wirkliche Überlegung wert. Android-Besitzer sollten besser gar nicht erst nachdenken, denn hier bekommt man mit der Gratisversion das beste Paket geliefert. Besitzer von iOS-Geräten sollten 1,59 Euro ausgeben. Das Geld ist in jedem Fall gut investiert. Aber Achtung! Alchemy kann schnell zur Sucht werden. Ehe man sich versieht puzzlet und kombiniert man einen ganzen Abend lang herum und erschafft neue Elemente. Vielen Dank Andrey Zaikin für einen knapp 5 MB großen und simplen Freizeitspaß!

Kommentare
 
Kommentiere »

 

Du musst eingeloggt sein zum kommentieren