Lesezeit: 4 MinutenNachdem die Tore der Koelnmesse am Dienstag sich nur für Fachbesucher öffneten, konnte am Mittwoch nun jeder Videospielenthusiast sich ins Getümmel stürzen und die Consumer-Hallen unsicher machen.
Dementsprechend bereitete ich mich wie jedes Jahr auf kriegsartige Zustände am Duisburg Hauptbahnhof vor. Unzählige Cosplayer, Gamer und andere Nerds tummelten sich auf dem Bahngleis und wie immer fürchtete ich mich vor der Inkompetenz der Deutsche Bahn AG. Überfüllte Züge, kaputte Klimaanlagen, ihr kennt die Horrorgeschichten. Mental bereitete ich mich auf das Schlimmste vor, als eine Stimme mich aus den Gedanken riss:
„Meine Damen und Herren, die RE1 nach Aachen Hbf ist überbesetzt. Bitte benutzen Sie auch den gamescom-Sonderzug von Gleis 12.“
Ein Sonderzug? Sollte ich etwa doch Glück haben und sitzend bis nach Köln-Deutz fahren können? Beflügelt ob der freudigen Neuigkeit schlenderte ich zu Gleis 12. Die restlichen Nerds hingegen ignorierten die Durchsage und blieben, wo sie waren. Amateure. Bahnsteig 12 war nicht annähernd so voll und ich lachte mir ins Fäustchen, als besagter Sonderzug einfuhr. Die Türen öffneten sich und ein Hitzeschwall, gepaart mit einem Aroma von Schweiß und anderen Körperausdünstungen kam mir entgegen, während ein verschwitzter Sephiroth-Cosplayer mich müde und mit einer tiefen Resignation in den Augen anlächelte, als wollte er flehen: „Bitte steig nicht ein. Die Bahn ist voll und dein fetter Arsch ist keine Hilfe.“
Also presste ich mich mit Gewalt an den Cosplayern vorbei, sodass ich schlussendlich zwischen Sephiroth und Naruto gefangen war und unsere Körper sich so sehr aneinanderschmiegten, dass ich mir vorkam, wie in einer schlechten, erotischen Fanfiction.
In Köln angekommen (natürlich hatte die Bahn auch noch massiv Verspätung) rannte ich so schnell ich konnte ins Business-Center, schnurstracks zum Stand von Daedalic. Verschwitzt und völlig außer Atem traf ich mich mit Lu und Miene dort und wir wurden reingelassen, um AER: Memories of Old anzuspielen. Genervt ob meiner eigenen körperlichen und psychischen Verfassung setzte ich mich und nahm den Controller in die Hand, während der PR-Mensch von Forgotten Key mir ein paar Dinge zum Spiel erzählte. Als ich dann endlich zocken durfte, setzte ich mir die Kopfhörer auf und tauchte ein in die Welt von AER. Und heilige Scheiße, innerhalb von wenigen Sekunden verflogen Frust und Hass auf die Menschheit, während ich als Vogel die weiten Polygonlandschaften erkundete. Atmosphäre, Musik und das Gefühl zu fliegen, all das beruhigte mich so sehr, dass ich vollkommen erschöpft, aber mit einem dicken Grinsen auf dem Gesicht den Stand von Daedalic wieder verließ. Mein persönliches gamescom-Highlight stand damit bereits fest.
Weiter ging es zu den Jungs von TaleWorlds. Wir durften Mount & Blade II: Bannerlord anspielen. Eine Art Multiplayer-Actiongame im Mittelalter mit Taktikelementen. Es erinnerte stark an Chivalry: Medieval Warfare, nur eben aufgehübschter und strategischer. Wir waren zu sechst im Vorführraum und wurden in Dreierteams aufgeteilt. Lu, Miene und ich gegen drei Fremde. Wir gewannen eine Runde und wurden danach so übel in Grund und Boden gestampft, dass ich fast schon gewillt bin, dem Spiel nur deshalb eine schlechte Bewertung zu geben, weil ich zu blöd für es bin. Aber eigentlich ist es ein recht spaßiges Game mit einigen interessanten Elementen. Wie gut es sich gegen die Konkurrenz durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.
Danach verließ uns Lu, um stattdessen mit Daniel durch die Hallen zu ziehen und ihn bei seinen Terminen zu unterstützen. Für Miene und mich ging es danach in die Mittagspause, in der Miene sich eine winzige Schale Pommes für circa 2000€ gönnte. Ich alter Sparfuchs hingegen hatte mich vorbereitet und mir ein ekliges, altes Camembertbrötchen mit altem Salat und ranziger Remoulade zur Messe mitgenommen. Gute Entscheidung.
Danach ging es zu REZ: Infinite, das Reboot eines alten PS2 bzw. Dreamcast-Titels, der aufgehübscht und in VR für die PS4 und PC erschien. Erst spielte Miene, die aufgrund ihrer Motion-Sickness fast umkippte und während der gesamten Spielsession festgehalten werden musste. Immerhin war ich nun nicht mehr der einzige mit Magenproblemen. Danach probierte ich das Game aus und ich muss sagen, dass das simple Konzept funktioniert. Ganz viele Lichter, dazu ein sehr atmosphärischer Soundtrack und ein Gameplay, das selbst ein Dreijähriger versteht. Spaß macht es zwar, aber spätestens nach zehn Minuten wurde selbst mir das Spiel ein wenig zu repetitiv. Es ist eine coole Erfahrung, aber langfristigen Wiederspielwert sehe ich noch nicht.
Danach trennte sich auch Miene von der Gruppe, um mit der Camera die Stimmung in der Consumer-Hall einzufangen und ich schloss mich stattdessen Daniel an, um mir die Präsentation von Kalypsos Line-Up anzusehen. Es wurden vier Spiele vorgestellt: Dungeons III, Tropico 6, Railway Empire und Shadows Awakening. Ich mochte kein einziges dieser Spiele, was allerdings dem Genre und nicht der Qualität der Games geschuldet ist. Die Präsentationen wurden von vier verschiedenen Menschen gehalten und ohne zu sagen, welche davon es war: Bei einer Präsentation, die wirklich nicht sonderlich gut war, packte mich die gamescom-Müdigkeit und trotz Unmengen an Koffein in meinem Blutkreislauf fielen mir regelmäßig die Augen zu. Einziges Problem war: Daniel saß neben mir. Die Angst vor einem Anschiss hielt mich also wach. Was ich nicht wusste war, dass Daniel es ähnlich ergangen war wie mir und wir beide vermutlich regelmäßig weggenickt sind.
Daniel und ich verabschiedeten uns mit einem Gähnen und Miene und ich zogen los zu unserem letzten Termin. 60 Seconds! von Robot Gentleman hieß das Indie-Game, das wir uns ansehen sollten. Es ist kein sonderlich großes Spiel, aber Robot Gentleman ist auch kein sonderlich großes Studio. Herzlich wurden wir begrüßt und betraten den winzigen Stand, wo uns zwei Menschen (Piotr und Agatha) in Steampunk-Kostümen Controller in die Hand drückten und nach kurzer Einführung direkt zocken ließen. 60 Seconds! ist ein Game, in dem man in 60 Sekunden alle Dinge und Familienmitglieder aus dem eigenen Haus in einen Atomschutzbunker verfrachten muss, ehe eine Atombombe einschlägt und alles dem Erdboden gleichmacht. Das eigentliche Spiel beginnt aber danach, denn dann heißt es, mit den geretteten Ressourcen so lange wie möglich zu überleben. Ich starb durch den Einschlag der Bombe. Miene überlebte knapp einen Monat. Im Falle einer Apokalypse wisst ihr also, an wen ihr euch zu halten habt. Die superfreundlichen Menschen von Robot Gentleman erklärten uns das Game, unterhielten sich mit uns und luden uns schließlich sogar nach Polen auf jede Menge gratis Alkohol ein. Ach, Robot Gentleman: Tolle Menschen, ein liebevoll gestaltetes, kleines Game, eine echt coole Tasche voller Goodies und in meinen Augen ein perfekter Abschluss des Mittwochs.
Nun nur noch mit der Bahn nach Hause. Wie all die anderen Menschen. Gottverdammt.