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Zero Escape: Virtue’s Last Reward – Wer braucht schon eBook-Reader?

von am 11. April 2013
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Lesezeit: 7 MinutenImport-Freaks mit Hang zum Visual Novel-Genre wissen es bereits: 999: Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors war auf dem Nintendo DS wohl einer der spannendsten Vertreter seines Genres. Jetzt steht der Nachfolger fĂĽr die aktuelle Handheld-Generation vor der TĂĽr und erscheint sogar in Europa. Kann eine Visual Novel auch hierzulande begeistern? Ich habe mir die PS Vita-Version geschnappt und mich in die spannende Mystery-Story gestĂĽrzt.

Wenn “Saw” ein Anime wäre…

…dann wäre wohl die Zero Escape-Reihe daraus geworden. Die Handlung ist wie schon beim Vorgänger deutlich inspiriert von Torture-Porn-Werken wie Saw oder Hostel, wobei der Mystery-Gehalt schon eher Lost-MaĂźstäbe annimmt. Ihr ĂĽbernehmt die Rolle von Sigma, einem relativ 08/15-College-Studenten, der das Schicksal von acht anderen Menschen teilt: Er wurde entfĂĽhrt und zum unfreiwilligen Mitspieler eines makabren Spiels gekĂĽrt, dem “Nonary Game: Ambidex Edition”. Jeder “Spieler” startet mit einem Armband mit 3 Punkten. Auf einem riesigen Screen erklärt Zero, ein CG-Hase (!) die Spielregeln: Es gibt nur einen Fluchtweg. Die TĂĽr mit der Nummer 9, die sich erst fĂĽr einen Spieler mit neun Punkten öffnet. Es gibt nur eine Möglichkeit, den Punktestand zu erhöhen: Nach jeder Runde, in der ein Rätselraum bewältigt wurde, mĂĽssen die Spieler in kleinen 2:1-Personen-Gruppen abstimmen. Es gibt nur zwei Wahlmöglichkeiten: “VerbĂĽnden” oder “BetrĂĽgen”. Falls beide Parteien gleichmaĂźen “VerbĂĽnden” auswählen, bekommt jeder Mitwähler zwei Punkte gutgeschrieben. Wer es jedoch riskiert und “BetrĂĽgen” auswählt, kassiert drei Punkte, sofern der Gegenspieler nicht auch betrogen hat. Wer der anderen Partei vertraut und betrogen wird, ist gleich doppelt bestraft, da zwei Punkte abgezogen werden. Sollte der Punktestand auf Null sinken, wird der Spieler durch eine im Armband eingebaute Giftnadel getötet. Das gleiche passiert natĂĽrlich, wenn gewaltsam versucht wird das Armband abzulösen.

Virtue's Last Reward Official HD game Trailer - PS Vita 3DS

Da alle anderen zurĂĽckbleiben mĂĽssen, sobald auch nur ein Spieler neun Punkte erreicht und durch die AusgangstĂĽr geschritten ist, entstehen im Laufe des Spiels natĂĽrlich gewisse Spannungen. Wem kann ich in diesem Spiel vertrauen und wen sollte ich lieber betrĂĽgen, weil er mich sonst betrĂĽgen wĂĽrde? Ihr lernt in den ausschweifenden Dialog-Sequenzen eure Mitspieler kennen und erfahrt im Laufe der Story immer mehr HintergrĂĽnde zu den Personen und dem grausamen Spiel. Eure Mitspieler bestehen aus einem recht kuriosen, bunten Haufen: drei Mädels, ein JĂĽngling mit Hut, ein Opa und sein Enkel, ein Mann in einem Roboteranzug, und die taffe Phi, mit der ihr das Abenteuer zunächst alleine startet. Ihr merkt schon, wie der Vorgänger ist Zero Escape: Virtue’s Last Reward ein FĂĽllhorn an Mystery-Stoff: Wer sind diese ganzen Leute? Wer ist Zero und was ist seine Motivation? Wo zum Geier sind wir hier? Als wäre dies nicht schon alles seltsam genug, passieren im Laufe des Spiels auch noch Morde die aufgeklärt werden mĂĽssen. Wer den Vorgänger gespielt hat weiĂź auch, dass die Story zwar verworren, aber in sich durchaus schlĂĽssig ist. Wer am Ball bleibt und alle 24 Enden (ja, VIERUNDZWANZIG!) anstrebt, wird mit jedem Ende um ein StĂĽckchen schlauer. Man muss 999: Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors ĂĽbrigens nicht unbedingt gespielt haben, allerdings verpasst man dadurch ein paar nette Referenzen und Hintergrundinfos zu manchen Charakteren, die schon in Teil 1 dabei waren.

Zuhören, Lesen, Rätsel knacken

Das Gameplay besteht zu 80 Prozent nur aus Storysequenzen mit gelegentlichen Multiple Choice-Auswahlmöglichkeiten. Zero Escape: Virtue’s Last Reward wirkt daher eher wie ein dialoglastiger Anime, als ein typisches Videospiel. Ihr werdet stellenweise auch mal zwei Stunden nur Story um die Ohren gepfeffert bekommen, bis das Spiel euch wieder vorgibt, einen Ausweg aus einem Rätselraum zu suchen. Wer mit dieser Art von Spiel also ein Problem hat, sollte einen weiten Bogen um Zero Escape: Virtue’s Last Reward schlagen. Allerdings wĂĽrde man eine ĂĽberraschend erwachsene und äuĂźerst gut geschriebene Story verpassen, die vor allem Mystery-Fans in den Bann ziehen wird. Obwohl man in den ausschweifenden Dialog-Sequenzen nur eine passive Rolle annimmt, verfolgt man gebannt die Entwicklung der Geschichte und Charaktere. SchlieĂźlich tragen die eingestreuten Mulitiple Choice-Passagen maĂźgeblich zum Ausgang der Geschichte bei. Wer jetzt denkt, nach einem beliebigen, möglichen Ende sind alle Fragen geklärt, ist auf dem Holzweg. Das Spiel ist darauf ausgelegt, komplett erkundet zu werden: Erst wenn ihr jedes Ende gesehen habt, blickt ihr im ganzen Storykonstrukt durch.

Ein groĂźer Nachteil von 999: Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors waren die relativ undurchsichtigen Storystränge, die je nach Entscheidung des Spielers eingeleitet wurden. Um dort alles zu sehen und das einzig wahre (alles erklärende) Ende erleben zu können, musste man fast schon gezwungenermaĂźen im Internet nachschlagen. Hier hat Chunsoft kräftig nachgebesssert: Ihr könnt jederzeit einen Blick auf die aktuelle “Zeitlinie” werfen. Hier werden alle durch wichtige Entscheidungen hervorgerufene Abzweigungen schön ĂĽbersichtlich aufgefĂĽhrt. Ihr wĂĽrdet gerne wissen, wie die Story weitergelaufen wäre, wenn ihr bei einer Abstimmung die andere Partei verraten hättet? Kein Problem. Dank einem “Skip”-Feature können bereits erlebte Zwischenszenen bequem vorgespult werden. AuĂźerdem braucht ihr diesmal weder die Rätselräume zu wiederholen, noch das Spiel komplett durchzocken: Ein Sprung in eine andere Zeitlinie ist jederzeit möglich. Zugegeben, der groĂźe Ăśberraschungseffekt fehlt, wenn man die Zeitlinien alle schon vorgegeben hat. Anhand der Menge an offenen Fragezeichen-Blöcken kann man oft erahnen, welche Entscheidung zu einem schlechten Ende fĂĽhrt. Aber ich persönlich nehme dies dankbar in Kauf, da die Ăśbersicht somit stets gewährleistet wird.

Kommen wir endlich mal zu den Rätselräumen. Hier funktioniert Zero Escape: Virtue’s Last Reward wie ein Point’n’Click-Adventure. Ihr steht meistens in der Mitte des Raumes und könnt euch um 360° umsehen. Jeder Rätselraum birgt andere Geheimnisse, das Ziel ist jedoch immer gleich: Den Safecode finden, den Safe öffnen, den SchlĂĽssel aus dem Safe nehmen, den Raum aufschlieĂźen. Um dies zu erreichen, schnappt ihr euch adventuretypisch alles, was in der Gegend rumliegt, kombiniert Gegenstände, setzt diese am richtigen Ort ein etc. Die Schwierigkeit der Rätsel schwankt von simpel bis komplex. Es dĂĽrfte wohl fĂĽr jeden Geschmack etwas dabei sein und je nach Spielertyp wird man wohl mit dem einen Raum mehr und dem anderen Raum weniger Probleme bekommen. Richtig gefordert wird euer Hirnschmalz wenn ihr das Bonus-Passwort fĂĽr den Safe enträtseln wollt. Diese Passwörter sind optional und werden euch zudem nicht so deutlich auf dem Silbertablett serviert, wie die “normalen” Lösungen. Wer sich mit einem dieser Rätsel schwer tut, hat die Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad zu ändern. Ihr fangt jeden Rätselraum automatisch auf “Hard” an. Wer bei diesem Schwieriegkeitsgrad das optionale Passwort herausfindet, wird mit einem “Gold File” mit einigen geheimen Infos-Texten belohnt, die die Story näher beleuchten. Falls aber alle Stricke reiĂźen, könnt ihr die Schwierigkeit auf “Einfach” runterdrehen. Hier geben euch eure Mitspieler im Raum immer wieder Tipps und einen Wink mit dem Zaunpfahl, wenn ihr bei einem Rätsel hängen bleibt. Das Herausfinden des optionalen Passworts wird dann aber auch nur noch mit einem “Silver File”, also mit der Hälfte an Info-Texten belohnt. FĂĽr das vorankommen in der Story ist zwar nur das normale Passwort nötig, aber es ist toll, dass das Spiel fĂĽr hartgesottene Spieler pro Raum eine weitere Herausforderung bereit hält. Ich habe ĂĽbrigens selber bisher nur das optionale Passwort fĂĽr den allerersten Rätselraum herausgefunden. Es ist wirklich verdammt schwierig, daher habe ich fĂĽr meinen Teil lieber erstmal nur die normalen Passwörter erspielt – die Story selbst belegt ja schon eine Menge Speicherplatz im Gehirn.

Technischer Aspekt: Eher eine Zero als 999

Grafisch wirkt das Spiel wie ein PS2-Spiel der ersten Generation. Die handgezeichneten 2D-Bilder des Vorgängers sind unspektakulären Polygon-Landschaften gewichen. Leider. Die kargen Texturen und detailarmen Charaktermodelle passen stilistisch einfach nicht so gut zum Genre, wie schön gezeichnete Anime-Cels. Die Rätselräume spielen sich jetzt zwar überschaubarer, hübsch anzusehen ist das alles aber nicht. Speziell bei der PS Vita-Version merkt man, dass der Titel technisch stark auf der schwächeren 3DS-Hardware basiert. Natürlich sieht die PS Vita-Version dank der höheren Auflösung knackiger aus, die Hardware wird aber kaum gefordert und der fehlende zweite Bildschirm ist hier sogar ein kleiner Nachteil.
Musikalisch werdet ihr einige Themes aus 999: Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors wiedererkennen. Der Soundtrack ist auch diesmal gelungen und liefert einen bunten Mix aus düsteren Horrorsounds und hektischer Elektromucke. Durch die Sprachausgabe verliert die Musik als Hintergrundklangkulisse aber auch etwas an Gewicht. Das ist jedoch nicht so wild, denn die japanische Sprachausgabe ist wirklich ausgezeichnet. Ihr habt richtig gelesen, es wird japanisch gesprochen. Es gibt zwar eine englische Vertonung, die bekommen jedoch nur Käufer der US-Version zu hören. Als Anime-Fan stört mich das persönlich nicht, aber wenn ihr mit englischer Sprachausgabe liebäugelt, solltet ihr den Gang zum Import-Händler antreten. Wie gesagt, die japanischen Sprecher sind durch die Bank super. Obwohl ich meine japanischen Sprachkenntnisse ausschließlich über Games und Animes bezogen habe, hört man das schauspielerische Talent der Sprecher deutlich raus. Speziell die kühle Art von Phi kommt super rüber, aber auch wenn CG-Hase Zero mit einer kindlich-scheußlichen Stimme die Spielregeln erklärt. Die Untertitel sind übrigens nur in englischer Sprache gehalten. Aufgrund des hohen Text- und Mysterygehalts solltet ihr also mehr als nur gebrochenes Englisch drauf haben, um Spaß an der spannenden Story zu haben.

Fazit: 999 Punkte, Zero Escape!

WĂĽrde ich Zero Escape: Virtue’s Last Reward als Videospiel in Reinkultur bewerten, wĂĽrde es wohl gnadenlos durchfallen. Die Interaktionsmöglichkeiten sind viel zu beschränkt und wirken teilweise auch antiquiert. Spiele sollten aber immer nach dem bewertet werden, was sie sind und sein wollen. Zero Escape: Virtue’s Last Reward ist eben ganz klar ein Visual Novel. Obwohl den Japanern in den letzten zehn Jahren ein Genre nach dem anderen immer mehr aus den Händen gleitet und in westlicher Entwicklerhand besser zu gelingen scheint: Visual Novels beherrschen sie nach wie vor, was mit Zero Escape: Virtue’s Last Reward wieder eindrucksvoll bewiesen wurde. Auch wenn einige Charaktere im Spiel vom Design stark ĂĽberzeichnet und albern wirken, entpuppt sich die Geschichte als eine deutlich erwachsenere und besser durchdachte Variante von Saw. Gewalt knallt einem hier nicht mit der nackten Säge ins Gesicht, sondern kommt auf eine ganz eigene, psychologische Art um die Ecke. Das soll nicht heiĂźen, dass es hier nicht auch stellenweise recht brutal zur Sache geht.

Insgesamt gefiel mir der Vorgänger etwas besser, vor allem visuell. Trotzdem ist Zero Escape: Virtue’s Last Reward ein wĂĽrdiger Nachfolger mit einem bemerkenswerten Umfang geworden: Um ein Ende zu erreichen, benötigt ihr zwar nur knappe 8-10 StĂĽndchen, zusammen mit den Alternativwegen zu allen anderen 23 Enden werdet ihr aber locker 50 Stunden brauchen. Wer sich schnell durch die Dialoge klickt, kann hier zwar viel Spielzeit abkĂĽrzen, raubt dem Erlebnis Zero Escape: Virtue’s Last Reward aber jeglichen Sinn. Trotz meiner hohen Wertung muss jedoch nochmal klargestellt werden: Wer mit dem Genre nichts anfangen kann und mehr brauch als “nur” Story, wird sich schnell langweilen. Visual Novel-Fans können jedoch blind zugreifen. Zero Escape: Virtue’s Last Reward gehört mitunter zur Königsklasse des Genres!

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