ca. 6-8 Stunden
unkomplizierten Stealthprüglern
amzn.to/3meHz95 WERBUNG
+ unverbrauchtes Werwolf-Setting...
+ kurzweilige Kämpfe
+ verschiedene Spielweisen (Mensch, Wolf, Werwolf)
- ... welches aber sein Potenzial nicht komplett nutzt
- kaum Wiederspielwert
- technisch veraltet
- uninteressante Figuren
- dämliche K.I.
"Werewolf: The Apocalypse - Earthblood" hat ein paar frische Ideen, nutzt aber sein Potenzial nicht richtig aus und wird durch Budgetrestriktion auf Gameplay- und Technikebene teilweise komplett ausgebremst.
Lesezeit: 5 MinutenKennt ihr diese Titel, welche gewollt oder ungewollt unter dem Radar fliegen? Titel, von denen man erst Wochen vor dem Releasetermin mitkriegt, dass sie überhaupt existieren? Spiele wie Alone in the Dark: Illumination oder das von mir getestete Terminator: Resistance? Während das erstere schlimmer war, als eine Wurzelbehandlung, konnte Terminator: Resistance die zugegeben geringen Erwartungen klar übertreffen und überraschte als ordentlicher Lizenztitel. Wo also kann man einen weiteren Kandidaten wie Werewolf: The Apocalypse – Earthblood einordnen? Nun ja, es ist kein Chili Con Carne-Nachspiel, aber auch leider kein Sleeper-Hit – warum es trotz der frischen Idee in spielerischer Mediokrität versinkt, klären die nächsten Absätze.
Schwarz-weiß Moral
Wir schlüpfen in die Rolle von Cahal, einem Werwolf, welcher mit seinem Outfit auch problemlos in der SOCOM-Reihe mitspielen könnte und bei höherem Budget definitiv von Ron Perlman vertont worden wäre. Eigentlich als Einzelgänger, schließt er sich seinem alten Clan an, um gegen die Firma “Pentax” anzugehen. “Pentax” nämlich will – von Profitgier getrieben – die Umwelt zerstören. Habe ich das wirklich gerade geschrieben? Ich hätte auch schreiben können, dass Cahal ein Problem mit “Pentax” hat, weil “Pentax” böse ist. Und seine Frau auf dem Gewissen haben (nach ca. 10 Min). Die Bösewichte haben bei Werewolf: The Apocalypse – Earthblood die Eindimensionalität von Nazis in alten 50er Amikriegsfilmen. Zwischentöne oder vielschichtige Motivationen werden hier vergeblich gesucht. Aber okay, nicht jedes Spiel muss den Spieler moralisch herausfordern. Manchmal ist man einfach der Gute und hinterlässt auf dem Weg zum Ziel nur ein paar Hundert Waisen und Witwen.
Die Spielwelt
Werewolf: The Apocalypse – Earthblood (ja häufiger ich den Titel lese, desto mehr klingt es wie ein Mobile Game) stammt aus dem selben Universum wie die Vampire: The Masquerade, besitzt aber zu keinem Zeitpunkt die Tiefe ihrer Schwesterreihe. Wo man in den Vampirspielen auf viele verschiedene Fraktionen und interessante Protagonisten, sowie Antagonisten treffen konnte, schnetzelt man in der Werwolf-Variante durch blasse Gegnermassen und leicht zu vergessende Bosse. Die Dialoge sind wie die Gesichtsanimationen steif und dienen als Mittel zum Zweck. Moralische Entscheidungen müssen nicht getroffen werden und der Weg von Cahal ist fest vorgeschrieben. Vor allem hier liegt sehr viel ungenutztes Potenzial herum. Denn die wenigen interessanten Dialoge fanden mit den eindrucksvoll in Szene gesetzte Waldgeistern statt und zeigten einen Einblick in eine Welt, in die ich sehr gerne eingetaucht wäre. Leider fehlt auch hier die Tiefe und es blitzen lediglich in diesen Sequenzen solche interessanten Momente auf.
Zwei oder vier Füße?
Aber genug zur Story. Wir sind ja alle hier wegen des Action-Stealth-Gameplays, oder? Unser Held Cahal ist nämlich in bester Werwolf-Manier unterwegs. Das heißt, dass wir zwischen Mensch (Homid), Wolf (Lupus) und Werwolf (Crinos) hin- und herwechseln können. Die menschliche Form ist hier in erster Linie für die langatmigen Gespräche und die wirklich eintönigen Stealtheinlagen gedacht. Cahal schleicht hierbei permanent in geduckter Haltung hinter brusthohen Wänden entlang und schaltet die Gegner einzeln aus. Alternativ schlüpft er durch einen Knopfdruck in Wolfsgestalt und schleicht so zwischen die Reihen oder nutzt geheime Schächte für Abkürzungen. In diesen beiden Formen kann unser Protagonist nicht kämpfen, sodass er im Falle der Entdeckung – was fast jedes Mal geschieht – zum Werwolf wird. Hier liegt eine der wenigen Stärken von Werewolf: The Apocalypse – Earthblood, denn im Werwolfskostüm schnetzelt sich Cahal durch Wellen von Feinden, die Umgebung wird zerlegt und in kürzester Zeit sind die Räume blutrot umdekoriert. Allerdings verstehe ich hier die Inkonsequenz beim Gore nicht, die Finisher wirken trotz des ganzen Blutes geschnitten.
Es wird gekämpft
Während das Stealth-Gameplay nicht der Rede wert und deutlich minimierter, als beim anderen Cyanide-Titel Styx ist, fühlen sich die Kämpfe in ihren besten Momenten wie eine B-Variante von Devil May Cry an. Dabei kommen sie jedoch nicht an die Qualität des Vorbildes heran. Zum einen liegt es an der Kamera, welche zwar einzelne Gegner fixieren kann, doch in der Kampfhektik allzu häufig den Kopf verliert. Zum anderen agieren die K.I.-Gegner nicht wirklich schlau und stürmen teilweise kopflos auf uns zu. Gleichzeitig nerven aber die Sniper mit ihren Silberkugeln und stören den Kampffluss. Dennoch machen die chaotischen Kämpfe streckenweise echt Spaß. Vor allem dann, wenn man den “Ragemode” aktiviert und wie ein Fleischwolf (hehe) durch die Gegnerreihen geht. Überhaupt habe ich es irgendwann aufgegeben, die Stealthroute einzuschlagen und mich direkt zu erkennen gegeben, um das Areal schnellstmöglich zu depopulieren. Übrigens wird Werewolf: The Apocalypse – Earthblood als Action-RPG beworben – was einfach nicht stimmt. Es sind zwar RPG-Elemente vorhanden, doch das Gameplay bleibt grundsätzlich gleich und einige Upgrades geradezu nutzlos.
Eher Last- als Next-Gen
So spielt sich Werewolf: The Apocalypse – Earthblood. Doch wie sieht es aus? Hnnngh, ganz ordentlich… wenn es nicht im Jahre 2021 rausgekommen wäre. Und selbst zu PS3-Zeiten waren Titel wie Uncharted 3 oder The Last of Us weitaus ansehnlicher. Ähnlich wie bei Terminator: Resistance merkt man dem Titel sein geringes Budget an allen Ecken und Enden an. Die Texturen sind trotz Unreal Engine sehr statisch geraten, die Umgebungen sind trist und einfallslos. Und je weniger wir hier über die Gesichtsanimationen sagen, desto besser. Außerhalb der Kämpfe sind die Bewegungen der Charaktere steif und unnatürlich, die Effekte ebenfalls nicht der Rede wert. Und trotzdem besitzt das Spiel die Frechheit, sehr lange Ladezeiten zu haben. Allenfalls die kurzen Ausflüge in die Welt der Waldgeister sind wirklich hübsch gemacht und motivieren zum Erforschen – wenn es etwas zu Erforschen gäbe. Trotzdem bin ich echt ein Fan von dem Design dieser Wesen und hoffe, dass sie eventuell einen kleinen Auftritt in Vampire: The Masquerade – Bloodlines 2 kriegen. Eine größere Bühne hätten sie definitiv verdient.
Der Ton macht die Musik
Apropos verdient. Was auch immer den englischen Sprechern bezahlt wurde – es war zu viel. Ich habe schon lange mehr keine so miserablen Sprecher erlebt. Ich erwarte nicht bei jedem Spiel, dass es von Orson Welles persönlich vertont wird. Doch Qualität in diesem Spiel reicht an die besten Momente von The Elder Scrolls IV: Oblivion ran. Wer denkt, das sei ein Kompliment, kann Oblivion gerne nochmal installieren. Wie anfangs erwähnt, hätte unser Held Cahal eine markantere Stimme verdient, denn seine Motivation ist nachvollziehbar und als Protagonist gibt er grundlegend keine schlechte Figur ab. Doch die teils sehr unmotivierte Stimme erstickt den letzten Funken Immersion. Auf der anderen Seite ist der Soundtrack echt gelungen, auch wenn dem ein bis zwei Stücke mehr gut getan hätten. Trotzdem freue ich mich als Metal-Fan, wenn es astreine Bands (hier Alien Weaponry) in den Score eines Videospiels schaffen.
Mehr Jaulen als Brüllen
Was bleibt also unterm Strich? Leider eine Enttäuschung. Technisch hoffnungslos veraltet, ohne große Gameplay-Innovationen und mit einer vorhersehbaren Story ausgestattet, liefert Werewolf: The Apocalypse – Earthblood nicht viele Gründe, es sich zum Vollpreis ins heimische Regal zu stellen. Die RPG-Elemente sind kaum vorhanden, die Dialogoptionen haben keinen Effekt auf den Verlauf und die Kulissen sind eintönig. Das DMC-artige Gameplay macht stellenweise richtig Spaß und die Fähigkeit, zwischen den drei Gestalten zu switchen ist potenziell sehr interessant, wurde aber nicht optimal implementiert. Der Protagonist ist grundlegend sympathisch, doch alle um ihn herum bleiben farblos. Man kämpft gegen Wellen von Klongegnern, die durch die etwas spannenderen Bosskämpfe aufgelockert werden. Und genau das ist das wiederkehrende Thema bei Werewolf: The Apocalypse – Earthblood: verschenktes Potenzial. Mit etwas mehr Zeit und noch etwas mehr Geld hätte hier ein attraktiver Next-Gen-Titel entstehen können. Doch das Endprodukt kann selten überzeugen und kommt in allen Disziplinen nicht über Mittelmaß hinaus. Schade.