Eine Story ohne Nebenmissionen: ~ 25 Stunden
Zwei Stories mit Nebenmissionen: ~ 60 Stunden
Tales of-Reihe, Final Fantasy 15, Action-Kampfsystemen, Wundersamen Welten und Anime
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+ rasantes und actiongeladenes Kampfsystem
+ sehr guter Story-Plot
- belanglose Nebenmissionen
- wenig Tiefe für RPG-Fans
Das neue Action-JRPG von Bandai Namco überzeugt mit einem großartigen Kampfsystem und einer gut durchdachten Geschichte. In einer düsteren Zukunft, in der die Menschen vor den Mutanten-ähnlichen „Anderen“ in große Städte geflüchtet sind, spielt man einen von zwei Helden, die sich den wunderbar grotesken Kreaturen entgegenstellen. Mit zwei unterschiedlichen Storys und einer Menge an leider ein wenig belanglosen Nebenmissionen gibt es in Scarlet Nexus trotzdem viel zu tun. Seid ihr nicht auf einer Mission, könnt ihr die Beziehung zu eurem Team weiter Stärken und die Fähigkeiten der Mitglieder steigern. Mit psychokinetischen Kräften ausgestattet und einem starken Team im Rücken kann der Spieler in rasanten Kämpfen den „Anderen“ eine ordentliche Packung verpassen.
Lesezeit: 9 MinutenSpätestens seit letztem Jahr kennen wir alle das Genre Cyberpunk. Viel Technologie, eine dystopische Zukunft und Keanu Reeves. Oder so ähnlich. Und dann gibt es da ja noch die artverwandten Genres: zum Beispiel der Steampunk mit mächtigen Dampfmaschinen wie in Bioshock Infinite oder der häufig in den 50er-Jahren angesiedelte Atompunk der Fallout-Serie. Ein Sub-Genre, welches es noch nicht gab, ist der sogenannte Brainpunk. Genau diesen hat sich jetzt Scarlet Nexus auf die Fahne geschrieben. Das JRPG von Bandai Namco und Entwickler Tose überzeugte in Trailern mit abgefahrenen Gegner-Designs und beeindruckender Anime-Action. Wir sind in die Welt von Scarlet Nexus eingetaucht. Was haben wir dort erlebt? Und was ist eigentlich Brainpunk? Das und noch mehr erfahrt ihr hier in diesem Review.
Was ist Brainpunk?
Wie der Name schon vermuten lässt, spielt das Gehirn eine übergeordnete Rolle. Genauso ist es auch in Scarlet Nexus. Wir befinden wir uns in einer Welt, in der sich die Gehirne der Menschen durch ein neu entdecktes Hormon stark weiterentwickelt haben. Der Großteil der Menschheit besitzt daher psionische Kräfte. Die Städte sind mit holografischen Nachrichten und Werbeanzeigen gepflastert und Menschen kommunizieren direkt über ihre Gehirne. Alles ist mithilfe großer Rechenzentren miteinander verbunden. Das bedeutet maximaler Informationsfluss, aber auch Kontrollierbarkeit und eine immer mehr verschwindende Privatsphäre.

Futuristische Landschaften in New Himuka
Das Hirn ist somit Informations- und Kommunikationsquelle. Sehr nützlich ist das Hirn auch im Kampf gegen die sogenannten “Anderen” wo es als Waffe genutzt wird. Die “Anderen” sind groteske Kreaturen, die auf der Erde aufgetaucht sind und deren Leibspeise, wer hätte es gedacht, die Gehirne der Menschen sind. Zum Schutz haben sich die überlebenden Menschen in großen Städten gesammelt und werden durch die OSF die “Other Suppression Force” geschützt. So weit, so dystopisch.
Die Qual der Wahl
Zu Beginn wird euch die Wahl zwischen den zwei Hauptcharakteren gegeben. Beide haben die Kraft der Psychokinese und können Objekte durch die Luft bewegen wie Jedi-Meister Yoda. Dennoch sind beide Figuren unterschiedlich in ihren Fähigkeiten und Kampfstilen. Wählt ihr den männlichen Helden Yuito Sumeragi, schwingt ihr euer Katana mit eurer Psychokinese durch die Luft. Wollt ihr lieber die weibliche Heldin Kasane Randall spielen, wirbelt ihr Wurfmesser durch die Luft und habt eine größere Reichweite.
Für Scarlett Nexus müsst ihr eine Menge Zeit mitbringen, denn die Geschichten der beiden Hauptcharaktere sind nicht einfach nur Copy und Paste. Der Anfang der Geschichte ist für beide Charaktere noch sehr ähnlich. Als frische Kadetten starten Yuito und Kasane ihre Karriere in der “OSF” und treffen recht früh aufeinander. Von dort an haben beide ihre eigene Geschichte, die sich an manchen Stellen überlagert. Um nicht zu viel zu spoilern, sage ich hier nur: Es geht um weltbedrohende Geschehnisse, die von den Charakteren aufgehalten werden müssen.
Die Main-Story dauert je nach Spielstil ungefähr 25 Stunden. Mit Extras und Nebenmissionen wohl eher 30 Spielstunden. Es ist nicht zwingend notwendig, beide Storylines zu spielen. Wollt ihr dennoch die komplette Spiel-Erfahrung machen, ist man mit beiden Storys gute 60 Stunden unterwegs. Ganz schön viel für ein JRPG dieser Bauart.

Kasane mit Teammitglied Shiden Ritter
Der Weg ist das Ziel
Die Spielwelt ist – bis auf wenige Orte – eher linear aufgebaut. Auf einer Übersichtskarte wählt ihr zuerst euer Ziel aus. Dort angekommen könnt ihr euch frei bewegen und nach Gegnern oder Ressourcen Ausschau halten. Habt ihr einen Ort bereits erkundet, könnt ihr euch auch zu den einzelnen Sub-Leveln der Karte begeben. Das spart Zeit oder hilft euch bestimmte Gegnertypen schneller zu finden. In den frei erkundbaren Gebieten findet ihr auf euren Missionen so manche Items oder Ressourcen. Diese könnt ihr beim Händler entweder verkaufen oder gegen andere Dinge eintauschen. Waffenupgrades könnt ihr hier ebenfalls kaufen oder eintauschen. Sofern ihr genug Ressourcen habt.
Innerhalb des Storymodus gibt es zwischen den Episoden Ruhephasen. Hier kann man mit seinem Charakter die Welt erkunden, Ressourcen sammeln oder ein wenig leveln. Hier trifft man auch hin und wieder auf Nebenquests. Diese sind zumeist kleine Sammel- oder Angriffsmissionen, in denen ein spezieller Gegnertyp auf bestimmte Art und Weise besiegt werden muss. Diese sind manchmal gar nicht mal so einfach. Leider sind die Belohnungen meist unwichtig und so sind die Nebenquests eher etwas für Leute, die 100 % anstreben.
Hack’n Slash und “Andere” Methoden
Als Action-JRPG hat Scarlet Nexus auch in den Kämpfen mächtig was auf dem Kasten. Die für das Genre typische Hack-and-Slash-Action geht hier Hand in Hand mit den verschiedenen psionischen Kräften der Charaktere. Nahtlos könnt ihr von Schwerthieben zu Psychokinese-Angriffen übergehen. Hierfür stehen euch Objekte wie Kisten, Autos oder andere Gegenstände, wie Ölfässer oder Metallrohre zur Verfügung. Diese Objekte in eure Kämpfe mit einzubauen wird gerade im späteren Verlauf wichtig, da sie euch helfen, die Gegner zu schwächen oder zu betäuben. Betäubte Gegner könnt ihr mit Finishern sofort erledigen.

Kasane im Kampf gegen einen “Anderen”
Die große Variation an Attacken macht das Kampfsystem im Verlauf des Spiels immer interessanter. Über die Brainmap, die im Wesentlichen ein Skilltree ist, könnt ihr euren Attacken-Reichtum erweitern oder euch nützliche Ausweichangriffe antrainieren. Aber die Attacken und Kräfte der Hauptcharaktere sind nicht das einzige Mittel, den Mutanten den Garaus zu machen. Denn wofür gibt es denn Freunde?
Die Gedanken sind frei
In Scarlet Nexus bestreitet ihr euer Abenteuer nämlich nicht allein! Jeder der Hauptcharaktere bekommt ein Squad zugewiesen, das euch hilft, Gegner und Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Wie schon erwähnt ist in dieser Brainpunk-Welt so gut wie alles miteinander verbunden. Also auch eure Verbündeten. Über das sogenannte “SAS Connection System” könnt ihr euch die Kräfte eurer Freunde borgen. So stehen Yuito und Kasane zum Beispiel die feurige Pyrokinese von Yuitos Kindheitsfreundin Hanabi Ichijo oder die Hypergeschwindigkeit des Werbe-Idols Arashi Spring zur Verfügung. Einmal ausgewählt könnt ihr den “Anderen” kritischen Schaden zufügen oder Schwachpunkte attackieren.
Eine weitere Möglichkeit, den Feinden eine zu verpassen, ist das “Brainfield”. Hier handelt es sich um eine Art Raserei-Modus, den beide Hauptcharaktere für begrenzte Zeit nutzen können. Eure Attacken werden zwar stärker, aber die Psyche von Yuito und Kasane leidet darunter.

Der Brainfield Modus versetzt den Spieler in Rage
Durch dick und dünn
Eine Möglichkeit, die SAS-Fähigkeiten zu verbessern, sind die sogenannten Bond-Episoden. Diese haben nichts mit dem britischen Geheimagenten zu tun, sondern sind dazu gedacht, euch mehr mit eurem Team auseinanderzusetzen. Jedes Team-Mitglied hat sechs Bond-Stufen, die jeweils neue Fähigkeiten freischalten. Die einzelnen Stufen erreicht ihr entweder mit Geschenken oder eben mit den Bond-Episoden. Die kleinen Nebengeschichten bringen euch dabei die Charaktere näher und zeigen sehr gut die Hintergründe und Motivationen des Teams. Dieses System erinnert hier an Spiele wie Persona oder Mass Effect. Zu Beziehungen oder Ähnlichem führt das Ganze jedoch nicht.

Yuito pflegt seine Freundschaften
So gut wie jeder Anime-Charakter-Archetyp ist hier vertreten. Von der Kindheitsfreundin zum alternden, weisen Soldaten bis hin zur elitären Nervensäge. Dabei sind die Charaktere keinesfalls öde oder unkreativ. Jeder hat seine Geschichte und Persönlichkeit, die es durch die Bond-Episoden zu erkunden gilt. So wachsen einem die Charaktere nach und nach ans Herz. Noch ein wenig mehr Tiefe hätte aber nicht geschadet. Allgemein sind die Nebencharaktere aber sehr präsent. Nicht nur in der Story, sondern auch in Nebenquests und den Kämpfen. So erinnern sie euch an eure Fähigkeiten, um bestimmte Gegner zu besiegen oder kommentieren das Spielgeschehen. Mit genug Freundschafts-Gummi-Punkten beschützen sie euch vor Schaden und geben euch Bescheid, wenn eine spezielle Attacke ausgeführt werden kann.
Vielen Dank für die Blumen
Rein visuell ist Scarlett Nexus zwar nichts Außergewöhnliches, sieht mit der Anime-Render-Grafik aber wirklich einwandfrei aus. Die verschiedenen Areale bestehen aus einem Mix aus verlassener Erde mit überwachsenen Brücken und zerstörten Gebäuden und einer Menge Hightech-Elementen. Auch das vorherrschende Thema des Hirns als Dreh- und Angelpunkt ist immer präsent, sei es durch Fähigkeiten oder das Gebiet, in dem man sich gerade befindet.
Die Charaktere sind sehr schön entworfen und bekommen trotz recht ähnlicher Uniform doch sehr viel eigene Charaktereigenschaften. Besonderes Highlight sind die “Anderen”. Die bizarren Mutanten sind sowohl farbenfroh und schön als auch unheimlich und grotesk. Eine der komischen Kreaturen, auf die ihr treffen werdet, sind zum Beispiel die “Vase Paws”, die eine auf Stilettos laufende Blumenvase mit knochigem Wirbelsäulen-Schwanz darstellen.

Wer oder was sind die “Anderen”?
Die Geschichte und die Unterhaltungen zwischen den Charakteren werden gemischt dargestellt. So wechselt die Erzählung zwischen Cutscenes und comic-artigen Sprechkästen. Für Fans von Cutscenes ist das zu Beginn ein wenig ärgerlich, man gewöhnt sich aber recht schnell daran.
Die etwas “Anderen” Klänge
Der Soundtrack von Scarlet Nexus ist eine wilde Mischung aus vielen Musikrichtungen. Dennoch ist die Musik immer stimmig zum Setting. Von rockiger Kampfmusik bis hin zu Elektro, Jazz-Funk oder Dubstep, Scarlet Nexus hat sie alle. Die Vertonung des Ganzen kann sich ebenfalls hören lassen. Das JRPG bietet eine englische und eine japanische Sprachausgabe mit Untertiteln in verschiedenen Sprachen.
Kleiner Side Fact: Für Fans von Animes wird sich die japanische Sprachausgabe sicherlich lohnen. Hier trifft man auf viele verschiedene Synchronsprecher aus großen Animes. Die Hauptcharaktere Yuito und Kasane werden zum Beispiel von Junya Enoki und Asami Seto gesprochen, die auch Itadori Yuuji und Nobara Kugisaki aus Jujutsu Kaisen ihre Stimme leihen. Dazu gesellen sich Daisuke Namikawa, der Hisoka aus Hunter X Hunter spricht, sowie die japanische Stimme für Ryu aus Street Fighter.
Die Sorgen der “Anderen”
Scarlett Nexus hat so einiges zu bieten. Tose hat sich hier nicht nur auf die knalligen Kämpfe mit reichlich Action konzentriert, sondern auch auf die Story und die Ausarbeitung der Welt. Jedoch kann ich mir vorstellen, dass die Länge der Geschichte ein wenig zehrend wirken kann. Zudem ist Scarlet Nexus nicht frei von kleinen Kinderkrankheiten.
So ist das aus vielen Spielen bekannte Lock-On-Feature hier oftmals ein wenig holperig und man verliert seinen Gegner vielleicht mal aus den Augen. Erwartet man außerdem eine prall gefüllte RPG-Welt mit tausenden von NPCs und lebendiger Welt, ist Scarlet Nexus vermutlich nichts für euch. Die Welt ist beizeiten ein wenig trist und leer. Nur wenige NPCs, die wirklich interessieren, stehen in der Welt herum. Das ist zuletzt aber auch dem Setting geschuldet. Mich hat es nicht sehr gestört, da für mich eher das Team und der Fortschritt in der Story im Vordergrund standen.

Yuito in einer brenzligen Situation
Spielt man Scarlet Nexus in japanischer Sprache mit englischen Untertiteln, muss man schon genau wissen, was man tut. Den einen oder anderen Untertitel müsst ihr nämlich ziemlich schnell lesen können. Die Charaktere hören auch inmitten des Getümmels nicht auf miteinander zu sprechen. Da wird es schwer, sich auf beides zu konzentrieren. Die englischen Stimmen sind aber auch hervorragend und wer sich das Japanische nicht geben möchte, ist damit sehr gut bedient.
Auch wenn die PS4-Variante nur auf 30 fps läuft, habe ich keine Probleme mit dem Spielfluss wahrgenommen und auch keine Abstürze erlebt. Das Spiel läuft flüssig auf der PS4 und sieht mit der Anime-Render-Grafik wirklich wie ein guter Anime aus. Wollt ihr eine höhere FPS müsst ihr auf den PC oder nächste Konsolen-Generation umsteigen. Dort läuft Scarlet Nexus in 4K mit bis zu 60 fps.
Zu guter Letzt
An und für sich habe ich Scarlet Nexus sehr genossen. Als Freund von Anime und Anime-Spielen war ich komplett zufrieden mit der Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wurde. Auch wie die Geschichte zu guter Letzt ausgegangen ist, hat mir gefallen. Neben dem sehr starken Cast an Charakteren, der im Laufe des Spiels immer interessanter wird, hat mir besonders das Gegnerdesign der “Anderen” gefallen. Die Mischung aus Metall und Fleisch, aber auch Pflanze und Tier ist sehr abstrakt, bizarr und einfach klasse.
Die beiden Charaktere sind nicht einfach nur ein Genderswap, sondern zwei eigenständige Charaktere, die ihre eigene Story erzählen. Ich kann euch auch nur empfehlen, beide Storys zu spielen. Seid ihr mit der Ersten durch, könnt ihr die nächste auch in einem “EX-New Game Modus” starten, in dem ihr Fähigkeiten und Fortschritt behaltet.

Kasane und Yuito mit ihren Teammitgliedern
Als letztes hier noch ein ziemlich großartiges Gimmick. Denn eine Verbindung zur Scarlet Nexus Anime-Serie gibt es noch obendrauf. So sollen in den Episoden geheime Codes versteckt sein, die ihr im Spiel eingeben könnt. Wo ihr den Code eingeben könnt findet ihr, solltet Scarlet Nexus ausprobieren, recht schnell heraus. Welche Belohnung uns da erwartet, wissen wir erst, wenn alle Episode erschienen sind.
In meinen Augen hat Scarlet Nexus nicht nur mit Brainpunk geworben, sondern diesen auch sehr überzeugend definiert. Aufgrund der Anime-Fassade ist Action-JRPG nicht für jedermann etwas. Mich hat es aber überzeugt und falls Ihr Freude an Action, Anime und abgefahrenen Welten habt, seid ihr hier bestimmt gut aufgehoben.