Lesezeit: 6 MinutenWarren Spector’s neuester Streich Disney Micky Epic – Die Macht der 2 sollte eigentlich das gut machen, was der Vorgänger versemmelt hat. Doch leider hat es auch beim zweiten Anlauf nicht so recht klappen wollen. Musical-Einlagen, neue Charaktere und kreatives Leveldesign sind die neuen Waffen des Chefdesigners. Können sie die Schwächen ausbügeln oder ist das Actionadventure von Junction Point ein hoffnungsloser Fall?
Zunächst wollen wir uns mal der knappen Story widmen. In Wasteland ist die Hölle los, denn die Parallelwelt, in der ungeliebte Disney-Figuren leben, wird von Erdbeben erschüttert. Zu allem Überfluss taucht auch noch der Mad Doctor auf, singt über seinen plötzlichen Sinneswandel und beteuert nun, dass er einer von den Guten ist. Er möchte die Schäden, die Wasteland davongetragen hat, beheben und schickt Oswald und Micky los, um ihm dabei zu helfen.
Die Kameraführung aus der Hölle
Schon mit den ersten Schritten, die man als Micky geht, merkt man, dass einem ein paar lange Spielstunden bevorstehen. Aber widmen wir uns zuerst den Basics. Micky ist in Besitz eines magischen Pinsels, mit dem er Farbe und Verdünner verspritzen kann. Das bewirkt, dass er Flächen sichtbar oder unsichtbar macht und dadurch entlegene Ecken oder geheime Stellen erreicht. Dort befinden sich meistens kleine Truhen mit Sammelobjekten, wie Pins, Metall oder Stoff. Diese kann man in entsprechenden Geschäften dann gegen richtige Pins, Kleidung oder Materialien eintauschen. Das kann für Quests erforderlich sein, in denen ihr nach Metall für Bauarbeiten oder Pins gefragt werdet.
Quests werden von Personen in Geschäften oder auf der Straße an euch vergeben. Wirklich wichtig sind die jedoch nicht. Du kannst zwar gute Taten damit vollbringen und den Einwohnern des Wastelands helfen, aber für die Story sind sie irrelevant und somit auch nicht wirklich spannend.
Das besondere an diesem Titel ist das Helden-Duo, dass durch Micky und Oswald gebildet wird. Oswald hat als “Waffe” eine Fernbedienung, mit der er elektrische Blitze auslösen kann. Die sind für das Aufladen kleiner Maschinen, Aktivieren von Feuerwerk und dem Unschädlich machen von Gegnern gedacht. Der Koop-Modus sollte theoretisch das Steckenpferd dieses Titels darstellen. Der zweite Spieler kann per Knopfdruck dem Spiel beitreten und Micky als helfende Hand beistehen. Leider gestaltet sich das Teamplay nicht wirklich unterhaltsamer, als das Zusammenspiel mit einem KI-gesteuerten Begleiter. Man kommt sozusagen vom Regen in die Traufe. Die KI bringt das Problem mit sich, dass sie viel zu oft die benötigte Unterstützung einstellt und einfach nichts tut. Der Begleiter steht im Weg oder reagiert nicht auf aufladbare Maschinen. Das schlaucht. Sobald ein Spieler Oswald übernimmt, geht das Chaos von vorne los. Durch den geteilten Bildschirm wird es deutlich unübersichtlicher und schwieriger sich zu orientieren. Schnell mutiert der Spielspaß zum aggressiven diskutieren, wohin es geht, wie man an Ort X kommt und was das Ziel der Map ist. Denn geholfen wird einem mit der kargen Map und Questanzeige nicht wirklich.
Eine große Frustrationsquelle in diesem Spiel stellt die Problematik dar, dass man die meisten Zeit absolut keinen Schimmer hat, was man, wie, wo, wann und warum machen soll. Quests werden meistens nur aus Zufall gelöst und das führt nicht wirklich zu Glücksgefühlen. Kaum ist man an das Ende einer Map gelangt, meist in Form von einem Underground, schon findet man sich irgendwo anders wieder, wo man eigentlich noch garnicht hin wollte. Im Allgemeinen fühlt sich der Spieler mit allem allein gelassen, da sich immer mehr Fragezeichen im Kopf bilden, die sich auch nicht von selbst lösen oder erklären. Frustration ist hier einfach vorprogrammiert.
Die Gegner werden nicht im klassischen Sinne vernichtet, sondern nur mit Farbe bespritzt und dadurch auf die farbige gute Seite der Macht gezogen. Es geht sogar so weit, dass sie die anderen Gegner auch angreifen. Dieses System finde ich für ein Disney-Spiel voll in Ordnung und es ist auch sehr süß, wenn die bekehrten Gegner wie volltrunken herumtorkeln und Micky-Silhouetten versprühen. Ein besonders nerviger Gegner stellte der erste Boss in Form eines Drachenroboters dar. Zu Beginn des Kampfes befinden sich Micky und Oswald mit dem von fremder Hand gesteuertem Ungetüm in einer Art Arena. Anfangs hüpft man nervös um ihn herum und hat keine Ahnung, was man tun soll. Nachdem man dann das Internet zur Hilfe gezogen hat, weiß man, dass man den Drachen besprühen soll. Mit Farbe, anstelle des Verdünners, um seinen Schutzpanzer verschwinden zu lassen (könnte ihn ja anfällig machen) und trotz logischem Denken wird man also eines Besseren belehrt, indem man die Panzer anmalen soll… macht (keinen) Sinn. Man rennt und pinselt und irgendwann hat man dann die erste von vier(!) Stufen geschafft. Genau das Gleiche passiert nun noch vier Mal. Situationen wie diese sind gute Beispiele für das äußerst unkreative und zähe Gameplay.
Man wird das Gefühl nicht los, dass die Steuerung am besten auf der Konsole funktioniert, für die sie auch von vorneherein gedacht war. Die Tastenbelegung gestaltet sich bis zu dem Zeitpunkt intuitiv, bis man zusätzliche Kräfte aktivieren soll, für die man mal wieder keine brauchbare Erläuterung bekommen hat. Man drückt Tasten, probiert, macht und tut und kommt nur spärlich voran. Ansonsten ist die Verteilung der Funktionen durchaus klassisch (z. B. Schultertasten für Pinsel).
Kurzer Spaß
Dafür, dass das Spiel nur zirka eine Stunde Spaß macht, können sich die restlichen 7-8 Stunden verdammt lange anfühlen. Aber die abwechslungsreichen Leveldesigns lassen den Spieler auch die unzähligen zähen Stellen überstehen.
Mit Liebe zum Detail
Grafisch ist Disney Micky Epic – Die Macht der 2 in Ordnung. Die Texturen sehen gut aus, der Stil ist erkennbar von Disney geprägt und vor allem das Leveldesign gestaltet sich manchmal wie kleine Suchbilder, da die Entwickler oft schöne Anekdoten in versteckten Winkeln platziert haben. Die Zwischensequenzen sind zum Teil in zeichnerischem Stil gehalten, was an alte Zeiten erinnert, oft bleibt es jedoch bei der 3D-Optik. Meine Lieblingspassagen sind jedoch die Zwischenlevel, in denen man in alte berühmte Disney Cartoons schlüpfen und ein wenig Bonusmaterial sammeln kann. Man läuft durch die Szenen der Cartoons und hört dabei das original Theme und interagiert mit Toons. Die Grafik ist im kompletten Spiel durchgehend solide und durchaus gelungen.
Ein großer Pluspunkt stellt der großartige Soundtrack da. Ich meine nicht unbedingt die Musical-Nummern des Mad Doctor, die sind relativ unkreativ. Aber schon im Hauptmenü gibt es eine Kostprobe des fantastischen Soundtracks in Form von feierlicher orchestraler Musik. Aber auf der musikalischen Ebene kann man bei Disney sowieso höchstens auf hohem Niveau meckern.
Fazit
Alles in Allem hat Disney Micky Epic – Die Macht der 2 unheimlich gutes Potenzial und gutes Design durch steifes und unkreatives Gameplay eingestampft. Das Resultat ist der fade Geschmack von verschenkten Möglichkeiten, ein packendes und buntes Actionadventure zu bieten. Stattdessen hat man sich durch die Maps gestohlen, ohne wirklich zu wissen, warum man das soll und was man da nun genau tut, gegen langweilige Gegner gekämpft oder zufällig Quests gelöst. Die Optimisten unter uns blenden größtenteils die Fragezeichen im Kopf einfach aus und genießen dafür den hervorragenden Soundtrack, die liebevollen Details im Leveldesign und die kleinen Retro-Cartoons, die ab und zu ein Gefühl von “Zuhause” oder “Kindheit” vermitteln. Zusammenfassend muss ich sagen, dass ich für die kleinen Freuden des Spieles dankbar bin und die Frustration in Form von Soundtrack-Sessions einfach wieder abbauen werde. Schade Disney, aber das war mal wieder nichts.
Warren Spector ist ja sympathisch, aber auch irgendwie ein Schwätzer wie mir scheint.
Da muss ich dir zustimmen. Wie gesagt, so viel schönes Potenzial… warum machen sie nicht einfach einen schönen Animationsfilm?
Dann würde es ein Spiel dazu geben. 😉