Lesezeit: 8 MinutenWas wäre, wenn der kalte Krieg und die Entwicklung der Menschheit in der Nachkriegszeit anders verlaufen wären? Schon seit dem ersten Teil der Fallout-Reihe können sich Spieler genau diese alternative Zukunft ansehen und mit ihr interagieren. Im neuesten Teil Fallout: New Vegas schickt uns Obsidian Entertainment in die berühmte Wüstenmetropole auf der Suche nach unserem “Mörder”.
Kurze Geschichtsstunde
Zum besseren Verständnis hier ein geschichtlicher Überblick zum Fallout-Universum: In der alternativen Zukunft wurde der Transistor erst sehr viel später entwickelt. Dies führte dazu, dass Elektronenröhren und die Atomphysik die wichtigsten Errungenschaften der Wissenschaft waren und eine viel weitere Entwicklung erfahren haben, als das bei uns der Fall war. Dies führte zu einer Gesellschaft, in der Nukleargetriebene Fahrzeuge, Roboter und Energiewaffen zum Alltag gehörten, obwohl alles andere den 50er Jahre-Look behielt, in dem die Gesellschaft ihre goldenen Zeiten hatte. Angefangen bei der Kleidung und den Haushaltsgegenstände bis hin zu Computern und Schreibmaschinen, ist alles, auch bis ins 23. Jahrhundert, beim annähernd selben Design geblieben.
Zwischen 1945 und 1969 entschieden die Vereinigten Staaten, ihre 50 Staaten in 13 Commonwealths einzuteilen um eine stabile Wirtschaft zu gewährleisten, was aber zu Problemen führt, da diese dann nicht mehr wie vorher zusammenarbeiten. Nachdem die nichterneuerbaren Energien zuneige gingen, brach im Jahre 2052 der “Ressourcen-Krieg” aus, bei dem sich die ganze Welt wegen Öl und Uran bekämpfte. Nach einer chinesischen Invasion Alaskas beschlossen die U.S.A. Kanada zu übernehmen und deren Rohstoffe zu nutzen um China zurückzuschlagen und Alaska zurückzugewinnen. Der Krieg endet dann im Jahr 2077 mit Nuklearangriffen von allen Seiten und führte zu der postapokalyptischen Welt, in der die Fallout-Serie spielt.
Der tote Kurier
Fallout: New Vegas trägt den Spieler nun ins Nevada des Jahres 2281. Nach einem Introvideo, indem man einen Kopfschuss abbekommt, wird man in der Praxis eines Arztes wach, der einem erklärt, dass man von einem hilfsbereiten Roboter ausgegraben wurde und erst mal wieder in Ruhe zu sich kommen solle, da so einen Kopfschuss zu überleben ja schon anstrengend genug sei. Die erste Aufgabe das Spiel dann stellt, ist das designen des Charakters. Hier gibt Obsidian Entertainment viele Möglichkeiten der freien Entfaltung: weiblich/männlich, kurze Haare/lange Haare, dick/dünn, alt/jung und viele andere detaillierte Einstellungsmöglichkeiten führen letzten Endes dann irgendwann zu des individuellen Traumcharakter. Anschließend folgt noch die Verteilung der rollenspieltypischen Attribute. In der Fallout Reihe nennt sich dieses System das „S.P.E.C.I.A.L.“-System, abgeleitet von den jeweiligen Anfangsbuchstaben der jeweiligen Werte: Strength (Stärke), Perception (Wahrnehmung), Endurance (Ausdauer), Charisma, Intelligence (Intelligenz), Agility (Beweglichkeit) und Luck (Glück). Wenn das abgeschlossen ist, folgt der letzte Schritt zur Finalisierung der Spielfigur, ein kurzer psychologischer Test des guten Doktors, der zur Verteilung der Skillwerte des Charakters führt, also ob man ein guter Redner ist, gut feilscht oder auch gut mit dem Dietrich umgehen kann. Wenn dann die Charakterentwicklung abgeschlossen ist, wird man in die Weiten der Mojave Wüste entlassen, besser gesagt in die beschauliche Ortschaft Goodsprings. Hier bekommt man dann die erste -von unglaublich vielen- Quest, welche zugleich das Tutorial ist. Man soll einer Dame namens Sunny Smiles bei einem Geckoproblem aushelfen. So lernt man die Grundsteuerung und wie man Gegner aus dem Weg räumt. Hierbei hilft einem das in Fallout 3 eingeführte „V.A.T.S.“-System, bei dem auf Knopfdruck der Kampf pausiert wird und man speziell auf einzelne Körperregionen zielen kann. Diese Funktion kann einem insofern weiterhelfen, als dass man zum Beispiel gezielt auf die Beine schießt, um entweder einen Feind an der Flucht zu hindern oder selber vor einem zu starken Gegner flüchten zu können.
Jagd nach der Lieferung
Der anfangs erwähnte Schütze klaut dem Protagonisten nach dem Kopfschuss seine Lieferung, einen Platinchip, den dieser nach New Vegas liefern sollte. Die Hauptstory in Fallout: New Vegas baut auf der Wiederbeschaffung eben dieses Chips auf. Hierzu durchstreift der Kurier das Mojave Ödland auf seinem Weg nach New Vegas, die vielen verschiedenen Ortschaften auf der Suche nach seinem „Vollstrecker“. Die Story braucht etwas um in Schwung zu kommen, wenn man es dann aber irgendwann auf den Strip geschafft hat, erwarten einen so zahlreiche Aufgaben, dass man gar nicht weiß, womit man zuerst beginnen soll. Genau dies macht Fallout: New Vegas so reizvoll. Zum einen kommt einem die virtuelle Landschaft mit ihren 11 Örtlichkeiten und über 200 anderen interessanten Orten unendlich vor, zum anderen gibt so viele Konversationspartner und abstruse Begegnungen, dass man ewig vorm Bildschirm beziehungsweise dem Fernseher hängen möchte. Das sind allerdings nicht die einzigen Punkte, die den Spieler bei der Stange halten. Zunächst gibt es wie schon gesagt Massen an Quests die der Kurier erledigen kann/muss. Doch damit nicht genug! Man hätte es ja auch Fallout: Mojave Wüste nennen können, wenn nicht die Zockeroase die Hauptstadt wäre. So kann man auch gemütlich seine Kronkorken oder eine der anderen zwei Währungen in Kasinos beim Black Jack, Roulette oder an den Einarmigen Banditen verzocken oder eben vervielfachen. Oder man geht ins Gomorrha und schaut sich dort die leicht bekleideten Frauen an den Stangen an…
Die Stadt der Sünde
New Vegas ist als eine wenigen Städte der U.S.A. fast unversehrt geblieben, während des nuklearen Großschlags. So steht der Strip, die größte Vergnügungsmeile der Wüstenmetropole noch im alten Glanze, im sonst von Chaos und Zerstörung vorherrschenden Bild des Amerikas des 23. Jahrhundert. Allerdings heißt das nicht, dass es dort friedlicher zugeht. Vegas und vor allem sein Hauptenergielieferant der Hoover-Damm sind hartumkämpfte Pflaster verschiedener Fraktionen. Eben diese Fraktionen beeinflussen das ganze Spiel. Man wird zwar nicht gezwungen, mit einer speziellen Fraktion zusammen zu arbeiten, es ist allerdings nicht dienlich, wenn man zum Beispiel der Republik Neu Kalifornien dabei hilft, ihre Hauptgegner die Cesars Legion zu bekämpfen, sollte man anschließend vorhaben, unbewaffnet in deren Lager laufen, da das wiederrum zu einem schnellen Tod führen könnte. Überhaupt dreht sich viel in Fallout: New Vegas um diese beiden Armeen, die versuchen, die Kontrolle über den Hoover-Damm und das Mojave-Ödland zu bekommen. Die anderen Fraktionen, wie zum Beispiel die Kings oder auch die Feinschmecker sind zwar um einiges kleiner in ihrer Zahl an Mitgliedern, bringen dem Spieler aber dennoch einiges an Erfahrungspunkten mit ihren Quests. Diese Erfahrungspunkte nutzt der Spieler dann, um seine Figur in ihren verschiedenen Eigenschaften zu verbessern. So können die bereits erwähnten Fähigkeiten wie Reden, Feilschen oder Dietrich aber auch viele weitere, wie zum Beispiel Medizin oder Wissenschaft auf höhere Werte getrieben werden. Für viele Quests ist es zum Beispiel von Vorteil einen hohen Wert in der Sprache zu haben, andere sind leichter zu lösen, wenn man sich zum Beispiel mit Sprengstoff auskennt. Darüber hinaus gibt es noch die sogenannten „Perks“. Punkte die dem Charakter Zusatzeigenschaften gewähren, wie das er sich, solange er sich in der Sonne aufhält, regeneriert oder auch, dass er um Gesundheit zurückzugewinnen die Leichen seiner Feinde verspeisen kann. Hierbei sollte man aber beachten, dass in der Fallout Welt das Karma eine Rolle spielt. Ihr sammelt beispielsweise schlechtes Karma, wenn ihr Leichen annagt oder Taschendiebstähle begeht. Dies führt dann wiederrum dazu, dass euch die Leute nicht mehr so freundlich gegenüberstehen.
Die Wüste lebt
Ok, dieser Satz ist wahrscheinlich einer der häufigsten, den man zu diesem Spiel hört, aber als Einleitung der grafischen Umsetzung gibt es definitiv nichts Passenderes. Die Mojave Wüste ist voll von postapokalyptischen Gestalten und Kreaturen. Vor allem die Kreaturen, wie mutierte Skorpione, Geckos, Ameisen und auch die bekannte Todesklaue trachten einem in den Weiten des Brachlandes nach dem Leben. In den Städten sind es dann die Fraktionsmitglieder die einem ans Leder wollen. Natürlich sind aber nicht alle Geschöpfe der Wüste gegen einen. Auch in Fallout: New Vegas gibt Obsidian Entertainment dem Spieler die Möglichkeit Gehilfen zu suchen, die mit dem Kurier das Ödland durchstreifen und ihm den Rücken freihalten. Erstmals kann man hier auch zwei Begleiter zeitgleich dabei haben. Einen nichthumanen, wie Rex den Cyborghund oder ED-E den Roboter und einen humanen, wie Veronica Santangelo von der Brotherhood oder Lily Bowen eine Mutantin. Über ein spezielles Auswahlrad gibt man dem jeweiligen Begleiter Befehle oder neue Ausrüstung.
Doch zurück zum Erscheinungsbild der Apokalypse in Nevada. Ohne das negativ zu meinen kann man sagen, dass Fallout: New Vegas ein bisschen aussieht, wie ein Fallout 3, bei dem gerade neu gestrichen wurde. Alles wirkt bunter, der Himmel sauberer, New Vegas leuchtet nachts meilenweit in die Wüste. Der Charakter bekommt auch einen Neuanstrich. Durch die neuen Waffen und Bekleidungen kann man auch gerne auch wie ein frühes Elvis-Double oder als John Wayne-Verschnitt die Wüste durchstreifen. Nichtsdestotrotz gibt es auch Schattenseiten, wenn die Sonne über dem Black Mountain aufgegangen ist:
Wenn das Glück dich verlässt
Das Glück hatte wohl Obsidian Entertainment verlassen, als sie sich für das Releasedatum entschieden haben, denn leider ist nicht alles fertig, was uns da auf der Mattscheibe entgegenspringt. Direkt nach dem Release sind bereits die ersten Bugfixes und Patches erschienen, die unter anderem die Speicherprobleme und Freezes aufheben sollen. Leider begegnen uns beim durchwandern der Mojave immer noch Rad-Skorpione, die mit ihren Extremitäten in Felsen hängen, fliegende Gestalten, die eigentlich mehr Bodenhaftung haben sollten, bis hin zu Löchern in Böden, durch die man immer wieder fällt.
Ohne abschweifen zu wollen, eine kleine Anekdote aus meiner eigenen Erfahrung mit diesen Bugs. Ich hatte schon etwas mehr als 36 Stunden mit testen verbracht, als meine Begleiterin Veronica Santangelo meinte, sie müsste ihre Nebenquest starten. Kein Problem. Also auf mit ihr zu dem geheimen Bunker der Brotherhood of Steel. Eigentlich hätte man damit ihre Quest fast schon zu Ende gebracht haben und sich beim Leiter der Brotherhood, dem Ältesten, neue Aufträge abholen können. Bei mir war es nur leider so, dass keiner der beiden ansprechbar war. Da dachte ich mir noch, dass ich deren Quests dann ja beim zweiten Mal durchzocken auch noch erledigen könnte. Leider war das aber nicht das einzige Problem. Denn meine Begleiterin entschied sich zu allem Überfluss dazu, auch nicht mehr an meiner Seite zu bleiben. Somit zog ich also nur noch mit Rex an meiner Seite weiter. Bis ich einen Punkt erreichte, bei dem ich mit zwei Begleitern leider keine optionalen Aufgaben mehr erledigen konnte… Und der kam schnell. Da Veronica wie gesagt nicht mehr ansprechbar, beziehungsweise einfach nicht vorhanden war, musste ich noch einmal von komplett vorne anfangen, um überhaupt noch ohne Frust weiterspielen zu können. Soviel zu meinen eigenen Erfahrungen.
Is ja Hardcore…
Um den Spieler vor neue Herausforderungen zu stellen hat Obsidian Entertainment einen neuen Spielmodus eingeführt: Den Hardcore-Mode. Das bedeutet nicht, dass der Charakter schneller stirbt im Kugelhagel oder die Gegner mehr Lebenskraft zur Verfügung steht – dafür stehen die normalen Einstellungen Leicht, Normal oder Schwer- sondern dass das Spiel mehr von einer Simulation hat. So muss der Charakter trinken, essen, schlafen und kann nicht mehr unbegrenzt Munition mit sich führen, da diese etwas wiegt. Darüber hinaus muss man sich auch darauf einstellen, dass Stimpaks die im normalen Modus direkt heilen eine Zeit brauchen, um die HP wieder voll aufzufüllen. Auch auf eure Begleiter wirkt sich dieser Modus aus, da sie komplett ausradiert werden können, statt einfach nur bewusstlos zu werden. Der Realismus wird dadurch natürlich um Einiges gesteigert.
Fazit
Trotz des für mich persönlich niederschmetternden Erlebnisses mit der fehlgeleiteten Begleiterin muss ich dennoch sagen, dass Fallout: New Vegas meine Erwartungen nicht enttäuscht hat. Natürlich hätte man die Grafik in den zwei Jahren seit Fallout 3 noch verbessern können, aber den Charme des dritten Teils hat es allemal. Vor allem macht es unheimlich Spaß stundenlang die Weiten der Mojave-Wüste zu durchwandern und an allen Ecken und Enden auf Charaktere zu treffen, die alle eine eigene Geschichte erzählen können. Gerade der Umfang ist so bombastisch, dass ich den Controller nicht mehr weglegen wollte.
Das mit dem Bug ist ja echt ärgerlich. Wenn mir das passiert wäre, hätte ich das Spiel glaube ich in die Tonne geworfen…
Ansonsten klingt das doch vielversprechend und nach Spaß. Gerade der Hardcore-Modus reizt mich doch sehr. Mal gucken, was nach Fable 3 so geht.
Glaub mir, ich war so dermaßen verärgert, dass ich echt nicht mehr wusste, was ich als nächstes zerstören muss… Habs dann mit den Leuten in dem Bunker versucht und bin mehr als kläglich gescheitert, da deren Bewaffnung doch etwas zu gut war…
Der Hardcore Modus ist echt locker… Wenn man nicht vergisst zwischendurch zu essen, oder nur einen Teil der Munition am Mann zu tragen… (Da kann ich dir auch Geschichten des Ausrastens schildern 😉 )
Das wichtigste ist allerdings: Nimm dir Zeit… Es gibt echt ultraviel zu sehen…