Borderlands – Vorsicht, Suchtgefahr!
Lesezeit: 5 MinutenNur noch ein Level. Eine weitere Quest. Ein neues Gebiet. Dann, so mein Vorsatz, schalte ich die Konsole aus und widme mich wieder der Realität, meinen privaten wie auch beruflichen Aufgaben. Für mich, der Action-Rollenspielen wie Diablo und Sacred die Liebe erklärt hat, ist der Vorsatz nichts weiter als eine Farce. Ein Erklärungsversuch: Borderlands bedient sich wesentlicher Erfolgselemente der zuletzt genannten Titel, geizt nicht mit Belohnungen für jede gute Tat und spornt dadurch zum weiterspielen an. Und wenn man nicht aufpasst, ist man auch schon flugs verloren.
Ein gewagtes Experiment
Einen feinen Unterschied zu Diablo und Konsorten gibt es dann aber doch. Borderlands spielt sich wie ein klassischer Ego-Shooter. Springen, ducken, klettern, und natürlich ballern. Das volle Programm. Alles enthalten. Auf der anderen Seite hingegen die Anleihen aus den traditionellen Action-Rollenspielen: Unterschiedliche Klassen, ausbaufähiger Skill-Tree, Fähigkeiten mit Ablinkzeit (Cooldown) und nicht zu vergessen an die tausend Ausrüstungsgegenstände. Entwickler Gearbox Software spricht sogar von „Bazillionen“ unterschiedlicher Waffen. Unsereiner reagiert darauf mit erhöhter Speichelproduktion. Für alle anderen hingegen steht nur eine Frage im Raum: Ist die Fusion beider Genres erfolgreich geglückt, oder scheitert der Versuch wie einst bei Hellgate: London an technischen Macken und spielerischen Unzulänglichkeiten?
Willkommen in Pandora
Die Antwort erschließt sich aus unseren Eindrücken. Pandora ist ein unwirtlicher Planet. Die wüstenähnlichen Einöden sind bevölkert von todbringenden Geschöpfen. Die glühende Hitze der Sonne treibt selbst die stärksten Kämpfer in den Wahnsinn. Und ausgerechnet an diesem gastfeindlichen Ort soll irgendwo eine Schatzkammer mit unermesslichem Reichtum versteckt sein. Angelockt von den Gerüchten, zieht es vier Protagonisten in das wenig erfolgsversprechende Abenteuer. Wir können uns zu Beginn von Borderlands für einen der vier Charaktere entscheiden, die jeweils unterschiedliche Fähigkeiten, Stärken, wie auch Schwächen inne haben.
Der Afroamerikaner Roland etwa ist ein guter Frontkämpfer, geübt im Umgang mit Waffen jeglicher Art, verfügt über eine verbesserte Schild-Regeneration und kann bei Bedarf Verbündete wiederbeleben. Zudem ist er in der Lage einen Geschützturm aufzustellen, der automatisch Feinde zu Staub verwandelt. Die zartbesaitete Lilith hingegen schlägt aus dem Nichts zu. Ihre Fähigkeit „Phasewalk“ macht sie kurzzeitig unsichtbar und erhöht ihre Geschwindigkeit. Ferner ist sie in der Lage Gegner zu betäuben und diese mit Hilfe ihrer Elementarkräfte auszuschalten. In eine ähnliche Kerbe schlägt der Jäger Mordecai. Der Schatzschütze erledigt Feinde bevorzugt aus der Distanz oder schickt seinen Raubvogel Bloodwing in den Kampf. Last but not least: Das Kraftpaket Brick ist der „Tank“ der Gruppe, was ihn besonders unanfällig gegen Feindbeschuss macht. Raketenwerfer und andere Sprengwaffen sind seine Lieblingsspielzeuge. Alle vier Charaktere verfügen über einen eigenen Skill-Tree und haben Zugang zu klassenspezifischen Gegenständen, die im Verlauf des Abenteuers erbeutet werden können. Angst vor dem „Verskillen“ braucht man nicht zu haben. Die entsprechenden Punkte lassen sich an bestimmten Stationen auf Wunsch vollständig neu verteilen.
Missionsfieber
“Was Solo viel Spaß macht, ist mit Freunden eine Wucht.”
Langweile wird so schnell nicht aufkommen. Das liegt im wesentlichen an den vielen (!) Aufgaben, die ihr annehmen könnt – und in einigen Fällen auch müsst, um im Spiel voranzukommen. So bittet euch ein Bewohner der heruntergekommenen Siedlung Fyrestone ein Rudel wolfsähnlicher Skags auszumerzen. Ein Klacks für uns. Nach wenigen Minuten kehren wir zum Auftraggeber zurück. Für gelöste Quests erhaltet ihr dabei neben Erfahrungspunkten oftmals auch noch Bares oder Ausrüstungsgegenstände. Kaum sacken wir die Belohnung ein, schon lockt ein Folgequest unsere Neugier.
Wir sollen ein ganzes Nest dieser Kreaturen dem Erdboden gleichmachen, um den Fortbestand der Bestien ein für allemal zu dezimieren und die Gefahr von der Siedlung abzuwenden. Solche Auftragsketten sind in Borderlands nicht unüblich und motivieren. Insgesamt könnte die Aufgabenpalette jedoch größer sein. In den meisten Fällen geht es darum, irgendwen oder irgendwas abzumurksen, Gegenstände zu finden oder einen Hebel zu betätigen. Das alles zwar schön eingebettet in einem geschichtlichen Kontext (etwa bei der Sprengung einer Pipeline eines zuvor erlegten Banditenchefs), aber ohne jede weitere Auswirkung auf die Spielwelt. Fortbildlich ist hingegen die Tatsache, dass die jeweiligen Missionsziele fein säuberlich auf der Karte vermerkt werden.
Spaß für Alle?
Bis ihr die sagenumwobene Schatzkammer von Pandora findet, können bis zu bis 25 Stunden vergehen – beim ersten Durchlauf wohlgemerkt. Die Spielzeit hängt stark davon ab, ob ihr euch mit den zahlreichen Nebenquests beschäftigt, oder blind der Handlung folgt. Diese ist übrigens mehr als dünn und wird überwiegend über Textnachrichten transportiert. Großartige Zwischensequenzen dürft ihr nicht erwarten. Für alle jene, die bereits Diablo und Co. erlegen waren, ist das auch nicht weiter schlimm. Denn Borderlands zieht seinen Reiz überwiegend aus der Beute, die Feinde, Objekte (wie Truhen, Mülleimer etc.) fallenlassen sowie dem „Nur-noch-ein-Level“-Gefühl. Eine Suchtspirale, die euch fest im Griff hat, nicht mehr so schnell loslässt und zusätzlich vom kooperativen Mehrspieler-Modus genährt wird.
Ein Team von Schatzjägern
Was Solo viel Spaß macht, ist mit Freunden eine Wucht. Bis zu drei weitere Mitspieler können euch in Pandora begleiten .Der Schwierigkeitsgrad passt sich dabei automatisch der Spielerzahl an. Im Gegenzug winkt natürlich fettere Beute, zusätzliche Erfahrungspunkte sowie jede Menge Geld. Abseits des kooperativen Geplänkels kann man sich in Duellen mit anderen Mitspielern messen, oder steigt gleich in die Arena. Die Latenz war in meinen Probepartien durchgehend solide. Übrigens: Empfängt man mal Besuch (und das soll ja durchaus Mal vorkommen, hat man mir gesagt), kann man Borderlands auch im Splitscreen-Modus genießen.
Fazit
Trennung kann ich nur schwer verkraften. Denn während ich diese Zeilen tippe, erleide ich Höllenqualen. Schließlich kann ich in dieser Zeit keine Missionen in Pandora lösen, meinen Charakter aufleveln und das neue einzigartige Scharfschützengewehr ausprobieren, das ich soeben in der Einöde gefunden habe. Ihr merkt: Borderlands hat mich fest im Griff. Und das könnte euch auch passieren, wenn Ihr einmal der Sammelwut erliegt. Verstärkt wird der Effekt durch die Zugänglichkeit, das hervorragende Balancing sowie nicht zuletzt den kooperativen Mehrspieler-Modus. Wem hingegen eine spannende Handlung wichtig ist, der sollte vielleicht einen großen Bogen um Gearbox’ Rollenspiel-Shooter machen. Und jetzt entschuldigt mich bitte: Ich muss weiterleveln!