Lesezeit: 5 Minuten1954: Alcatraz ist ein neues Point and Click-Spiel von Daedalic und handelt von der starken Liebe eines Beatnik-Pärchens und der Flucht eines Sträfling aus Alcatraz. Wer jetzt jedoch ein Abenteuer sucht, wie er es von dem deutschen Publisher kennt, wird hier nicht wirklich fündig. Daedalic verkörpert in diesem Titel einen deutlich abweichenden Stil in Form von 3D-animierten Figuren im Kontrast mit gemalten Hintergründen. Ob das gut geht?
Wir befinden uns im San Francisco der 50er Jahre, die Beatnik-Szene – eine Musik- und Literaturbewegung der damaligen Zeit – steht in voller Blühte. Doch Joe sitzt in Alcatraz wegen bewaffneten Raubüberfalls und Ausbruch aus einem anderen Gefängnis im Kittchen. Seine große Liebe Christine versucht von North Beach aus alles Mögliche zu tun, um Joe bei seinen Fluchtplänen zu unterstützen. Leider versucht Mickey, ein Clubbesitzer, der der Mafia Geld schuldet, an Joes versteckter Überfallbeute heranzukommen und bedroht Christine. Sie macht sich auf die Suche nach Hinweisen auf das Verbleiben des Zasters und trifft dabei auf allerlei interessante Informationen, die ihr Herzblatt ihr verschwiegen hat. Joe hingegen kümmert sich darum, im Gefängnis zu überleben und seine Flucht zu planen bzw. die nötigen Utensilien heranzuschaffen.
Das Gameplay
1954: Alcatraz ist seit langer Zeit wieder ein Spiel, bei dem ich ohne das Beiheftchen wahrscheinlich erst deutlich später verstanden hätte, was die Geschichten der Charaktere sind und worüber sie reden. Denn zu Beginn werden ihr relativ alleine mit den Hinweisen gelassen und ein wenig überfordert, denn die Informationen lassen sich so schnell noch nicht richtig miteinander verbinden. Im Beiheft stehen Details zu den Charakteren, der Story und den alternativen Enden, welches ich jedem empfehlen würde, als Nachschlagewerk im Hinterkopf zu behalten.
Das Gameplay ist in der Hinsicht besonders, als dass man zwischen den zwei Hauptcharakteren hin und her wechseln kann, um die zwei Handlungsstränge nachverfolgen zu können. Ansonsten bleiben uns viele schon bekanne Features, wie zum Beispiel die Anzeige der möglichen Auswahlobjekte und Kombinationen von Items im Inventar, die eh zum guten Ton gehören. Interssant ist auch das variable Ende, je nachdem, wie man sich im Laufe des Spieles entscheidet. Man könnte fremdgehen, Menschen umbringen oder zwischen Lüge und Wahrheit wählen. Wirklich emotional packend sind diese heiklen Momente zwar selten, aber dennoch ist die Option, die Handlung beeinflussen zu können, ein Pluspunkt.
Der für mich bisher ungewohnte Umgangston zwischen den Charakteren hat mich Überrascht. Es passt zwar in die Szene, aber auch die Tötungsmöglichkeiten einiger Charaktere führt bei einem Point and Click-Adventure für leichte Irritationen. Deutlich harsche Sprache (das böse F-Word, Beschimpfungen etc.) kam bisher im Repertoire von Daedalic eher selten vor. Mutig, aber dennoch hätte ich es nicht unbedingt bei diesem Stil erwartet und für passend befunden.
Jazz ist anders
Wo wir auch schon bei einem deutlichen Knackpunkt angelangt wären. Der Stilmix der Grafik hat leider in meinen Augen sowohl das Thema, als auch den guten Geschmack verwehlt. Daedalic ist für seine genialen Hintergrund- und Charakterzeichnungen bekannt und bisher hat man immer Gefallen daran finden können. Doch bei 1954: Alcatraz haben sie sich einen Ausrutscher erlaubt. Die Hintergründe sind zwar im gewohnt malerischen Stil, die Charaktere sind jedoch als 3D-animierte Personen eingebunden, die im harten Kontrast zu der Umgebung stehen. Im Inventar sieht man zwei Bilder der Protagonisten und kann erahnen, wie schön es hätte sein können, wenn sie in dem dort gezeigten gezeichneten Stil eingebaut worden wären. Stattdessen werden uns eher unschön anzusehende 3D-Nachbildungen präsentiert, die an alte Grafikzeiten erinnern, aber ihren Comic-Vorlagen nicht gerecht werden und schlecht gemacht wirken. Das ist extrem schade, denn dieses Manko nimmt der Atmosphäre deutlich an Wirkung und ist Gift für den Spielspaß.
Die Handlung ist relativ dünn und schnell voraussehbar. Überraschungen oder ausgefallene Story-Twists kann man hier leider nicht erwarten, aber mich persönlich hat es weniger gestört, als die Grafikunstimmigkeiten. Auffällig ist auch die Schwierigkeit der Rästel, denn diese fällt dann doch deutlich zu leicht aus. Statt Rätsel zu lösen, ist es eher eine Hol-Bring-Aktion oder Interaktion mit Gegenständen. Meistens liegt die Lösung ganz klar auf der Hand und die Barrieren sind ohne Anstrengung aus dem Weg geschafft. Ganz seltsam fand ich zum Teil das Gameplay im Gefängnis. Alcatraz ist ein legendenumwobenes Gefängnis, in dem man sich nicht unbedingt mit einem 10m Seil und einem Wagenheber in der Hosentasche unbeachtet umherbewegen sollte.
Die Musik hingegen ist gelungen und kann sich hören lassen. Zwar bin ich kein Fan der Sängerin aus dem Nachtclub, aber das kann ich verschmerzen. Mit echten Orchester- und Jazz-Clubklängen steuert der Soundtrack viel zur Atmosphäre bei und kann den Spieler in die richtige Stimmung versetzen. Ebenso sind die Vertonung und Sychonisation fantastisch und fällt oft positiv auf.
Fazit
1954: Alcatraz kann ich leider nicht wirklich empfehlen, obwohl ich das Daedalic-Fangirl der Redaktion bin. Mit einer sehr schwachen Charaktergrafik, zu einfachen Rätseln und Logikfehlern kann dieses Abenteuer leider nicht überzeugen. Trotz dem tollen Soundtrack des renommierten portugiesischen Komponisten Pedro Macedo Camacho, schönen Hintergründen und tollen Dialogen hält der Titel nicht der Qualität anderer Point-and-Click Titel stand. Ich hoffe, es war nur ein Ausrutscher und unser geliebter Publisher findet wieder zurück zur gewohnten Leidenschaft für geniale Geschichten.
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