Pokémon Go home – Please don’t

Lesezeit: 6 MinutenVerwirrende Überschrift? Warum schreibe ich “Pokémon Go Home”, nur um es im nächsten Atemzug gleich wieder zu revidieren? Nun, vielleicht stapele ich hier etwas hoch, aber ähnlich wie bei Drogenkonsum oder in einer schlecht laufenden Beziehung, irgendwas hält einen dort, obwohl es schlecht ist und man ohne besser dran wäre.

Pokèmon Go – Ein Jahr voller Aufs und Abs

Ist es schon ein Jahr her? Wer erinnert sich eigentlich noch an diesen milden Sommer 2016? Es war eine einfachere Zeit. Die Menschen sind rausgegangen, um mit Freunden und Fremden zusammen die Tage und Abende beim gemeinsamen Pokémon-fangen und spazierengehen zu verbringen.

Partys an Stränden und in Parks wurden veranstaltet, Menschen haben sich kennen und/oder lieben gelernt und alles wirkte irgendwie “schwereloser”. Ich meine klar, es gab auch Schattenseiten. Der Akkuverbrauch schoss (genauso wie der Absatz für Powerbanks) in die Höhe, Vertragsanbieter rieben sich die Hände, weil man IMMER online sein musste, um auch ja kein Mini-Monster zu verpassen und von den ganzen Un- und Überfällen die durch unvorsichtige oder kriminelle Pokémon Go-Spieler verursacht wurden, brauchen wir gar nicht erst anzufangen. All’ das waren sicherlich unter Anderem Gründe, weswegen es um Pokémon Go nach dem anfänglichen Hype, erst mal wieder ruhiger geworden ist. Auftritt Christian.

Die einfachen Anfänge eines einfachen Trainers

Ich gebe es zu. Ich war einer der ersten Spieler, die sich die App runtergeladen haben. Obwohl sie noch gar nicht bei uns veröffentlicht wurde. Ja, steinigt mich, aber meine unbändige Neugier ließ einfach nicht von mir ab. Ich habe mir also über Umwege eine Version der App heruntergeladen und einfach mal zu spielen angefangen. Klar, es gab Server-Abstürze und / oder lange Ladezeiten, aber im Großen und Ganzen war ich ziemlich froh, einfach mal Pokémon in der “echten” Welt fangen und aufziehen zu können.

Ich habe allerdings schnell gemerkt, dass ich natürlich nicht der einzige “inoffizielle” Spieler in deutschen Graden war. Als sich aber dann Gerüchte über die Serverausfälle usw. gehäuft haben, habe ich mir meinen Teil gedacht, und mich erst mal verabschiedet. “Klar”, dachte ich, “die ganzen Leute, die noch keine offizielle Version haben, überlasten die Server, die eigentlich für andere Regionen zuständig waren.” Vielleicht war’s das, vielleicht nicht, für mich wars aber Grund genug, meinen Account und die App zu löschen und auf den offiziellen Release zu warten. Und der kam. Und ich wurde enttäuscht. Zwei Mal.

Besser spät als nie — oder so

Das Spiel wurde offiziell released und ich wollte natürlich gleich wieder mit dabei sein. Also ab in den Android-Store, auf Download klicken und gleich anfangen Monster gegeneinander in den Ring zu schicken. Blöd nur, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch ein Samsung SIII Neo hatte. Eines der wenigen Handys, die aus irgendwelchen Gründen nicht die nötigen Voraussetzungen hatten, das Spiel laufen zu lassen. Obwohl das Spiel vorher lief… ich kam mir verarscht vor. Vorgeführt. In die Steinzeit zurückversetzt. Aber, wie ein Mann habe ich meine Trauer herunter geschluckt, gegen eine Wand gehauen und auf den Tag gewartet, an dem ich mir endlich so etwas wie ein “aktuelles” Smartphone leisten konnte, um in die Welt hinauszugehen und endlich “der Allerbeste” zu sein.

Ach was war ich naiv. Um ein neues Handy reicher habe ich also vor knapp zwei oder drei Monaten ENDLICH Pokémon Go installiert. Konnte natürlich nur keiner mit rechnen, dass sich das Spiel und dessen Mängel in diesem Jahr, in dem ich abseits davon lebte (wie der Videospiel – Unterprivilegierte der ich nun mal bin) kein Stück weiter entwickelt haben. Ich meine klar, Pokémon fangen und aufziehen. Die Welt entdecken. In Arenen Kämpfen. Das alles kann mega Spaß machen. Aber nicht so….

Pokémon Go home

Die meisten von euch wissen sicherlich was jetzt kommt. Ein langer Rant darüber, was eigentlich alles falsch läuft. Alles schon dagewesen, sicherlich. Aber muss es einfach raus. Denn ganz ehrlich, wisst ihr eigentlich, wie viel Geld in die Entwicklung von Pokémon Go geflossen ist? Selbst wenn wir nur die Anfangsinvestionen berücksichtigen? Ich sags euch. 20.000.000. Dollar. Plus weitere 10.000.000 bei erreichen bestimmter Meilensteine. Lasst euch das bitte mal auf der Zunge zergehen. 30.000.000. Tacken. Und dann überlegt mal, was wir letztens Endes bekommen haben.

Wir haben letztens Endes eine abgespeckte Version der Handheld Spiele bekommen. Wisst ihr noch, wie es beworben wurde? Erinnert ihr euch noch an den Trailer? Was man uns versprochen hat, war ein AR-Nirvana, in dem wir mit Freunden und Fremden Pokémon tauschen und gegeneinander antreten lassen konnten.

Stattdessen haben wir einen Klon von Niantics letztem AR-Spiel Ingress bekommen. Wir stratzen durch Städte, an geschichtsträchtigen Orten sind Pokéstops und Arenen und irgendwo zwischen den Taubsis und Natus findet sich vielleicht auch mal ein Nebulak. Wow. Ja, wisst ihr noch wie es in Pokémon darum ging, die Welt zu entdecken? Mhm… und habt ihr mal versucht außerhalb von Städten was Vernünftiges vor eure Pokébälle zu bekommen? Vielleicht Kampfpokémon in der Nähe von Fitnessstudios? Oder Drachen an Seen? Vielleicht so etwas einfaches wie die ganzen Insekten Pokémon in Wald nähe? Dachte ich mir. 30.000.000 liebe Leute. 30 — Millionen.

Aber da hört es ja nicht auf. Ich meine ok. Vielleicht habt ihr ja das Glück und lebt in einer halbwegs großen Stadt. Super. Ihr habt schon mal die Möglichkeit mehr Pokémon zu fangen und zu BonBons zu verarbeiten, als der arme Bauer drei Dörfer weiter. Selbst wenn dieser noch mal Kohle in die ganzen Lockmodule usw. steckt. Wobei ich hier nicht auf dem Shop System rumhacken möchte. Eines muss man dem Entwickler lassen. Das bisschen Kohle, was nicht in die Copy & Paste Abteilung oder das Koks für die Weihnachtsfeier geflossen ist, haben sie so gut in das Spiel investiert, dass man auch ohne Geld auszugeben Spaß damit haben könnte und zurechtkommt.

Doch leider leider, hört es eben genau da auf. Was nicht einfach mit Nintendos geistigem Eigentum übergestrichen wurde ist ein Waterloo an verschenktem Potential. Ich meine, Das Tausch-Feature gibt es immer noch nicht. Auch kann ich keine Freunde hinzufügen um mit ihnen zu kämpfen, und von einem Team Rocket Mode will ich gar nicht erst anfangen. Wobei ok, das sollte man vielleicht wirklich nicht implementieren. Ich sags trotzdem noch mal, 30.000.000. Was hätte man da alles schönes mit anstellen können.

Schwester Joy – HILF!

Viele Spieler sind zurecht gefrustet abgehauen. Sei es wegen der Spieler, die einfach so unglaublich viele starke Monster mittlerweile haben, dass es keinen Sinn macht für Casuals weiter zu spielen, oder aber, wenn es für diese Sinn machen könnte, wurde ihnen die Langzeitmotivation wie die Nabelschnur, bereits bei der Geburt des Spiels abgetrennt.

Pokémon lebt dadurch, dass es genau das ist, POKÉMON! Das heisst, ich möchte die Welt entdecken und wilde feuer- und eisspeiende Monster fangen. Ich möchte diese Cock-Fight-Style gegen andere Monster Trainer in den Kampf schicken und danach deren Geld und Telefonnummer mein Eigen nennen, um sie mir wie eine Trophäe in mein Haus hängen zu können. Ich möchte mich mit meinen Freunden und anderen Kindsköpfen bei McDonalds Treffen und mein Georock gegen ein Onyx und wieder zurück tauschen, damit wir beide unseren Pokédex vervollständigen können.

Ich möchte NICHT auf Metropolen beschränkt sein, die mit lauten und gefährlichen Straßen, sowie unfreundlichen und spießigen Menschen gefüllt sind. Ich möchte NICHT 10.000 Rattfratz fangen müssen, nur um Sternenstaub zu bekommen, den ich dann benutzen kann um meine Monster zu Entwickeln ODER stärker zu machen. Auch wenn das an sich ein cleveres Prinzip sein kann, um Motivation zu erhöhen, so hindert es nämlich wirklichen Spielspaß und rechtfertigt gleichzeitig nur faule Spieleentwickler, die sonst nicht wissen, wohin mit ihrer Kohle. Wie gesagt. 30 — 000 — 000…

Das ist vielleicht alles etwas übertrieben und ja, wenn wir richtige Pokémon Spiele haben wollen, dann müssen wir eben wieder auf Handhelds umsteigen. Und deswegen verstehe ich auch fast die Strategie von Nintendo und der Pokémon Company, kein „kostenloses“ Spiel zu releasen, was deren Gewinn mit den Haupttiteln der Reihe kannibalisieren könnte. Aber mein Gott. Ich dachte, wir machen das hier nicht nur fürs Geld, sondern auch für die Fans und Spieler. Pokémon Go ist eine Gelddruckmaschine. Und wenn die Unternehmen dahinter checken würden, dass sie mehr verdienen könnten, wenn sie einfach CLEVER auf die Wünsche der Spieler eingehen würden, dann wären am Ende alle glücklicher.

Doch wieso spiel ich das jetzt eigentlich noch? Also abgesehen davon, dass es wirklich schon weniger geworden ist. Denn seien wir mal ehrlich, wenn Niantic es nicht mal geschissen bekommt, das Spiel im Standby OHNE dieses komische Armband laufen zu lassen, dann läuft irgendwas gewaltig schief, denn wieso sollte ich Geld dafür ausgeben, dass ich ein Spiel nicht spielen muss? Aber das würde wieder zu weit führen.

Jedenfalls abgesehen davon, dass ich es schon weniger spiele, warum bin ich noch dabei? Nun ja. Wie in jeder schlechten Beziehung… Hoffnung. Hoffnung, dass da noch was kommt. Hoffnung, dass man so grundlegende Sachen einführt und durchzieht und nicht immer nur versucht mit irgendwelchen glitzernden Events, die Masse wieder auf seine Seite zu ziehen.
Außerdem habe ich noch ein paar Taschenmonster, die entwickelt werden wollen. Bis dahin, werde ich mich also nicht von meiner Karriere als Trainer verabschieden. Aber trotzdem, ganz ehrlich…. 30.000.000? Pokémon Go home, you’re drunk.