Lesezeit: 5 MinutenEs gibt Spiele, die brauchen Zeit, wie ein guter Wein: Je mehr Zeit man ihnen lässt, desto besser werden sie. Das gilt natürlich nicht für jedes Spiel. Team Bondi hatte eine Menge Zeit, um das Detektiv-Abenteuer fertigzustellen. Und was soll man sagen? Der Krimi L.A. Noire ist wie ein guter Wein. Bleibt die alles entscheidende Frage, ob man Wein denn auch wirklich mag!
Eine steile Karriere
Ihr schlüpft in die Rolle des Cole Phelps, der als verwundeter Soldat aus dem Zweiten Weltkrieg zurück nach Los Angeles verschoben wird und beim starken Arm des Gesetztes als Streifenpolizist anfängt. Allerdings reicht das Cole nicht. Er will Karriere machen. Und so dauert es nicht lange, bis ihr die Chance bekommt, einen Mordfall aufzulösen. Dank der guten Arbeit und einem Tutorial, dass euch am Anfang unter die Arme greift, landet ihr als Detective beim Verkehrsdezernat.
Das ist aber natürlich nicht das Ende der Fahnenstange: Danach geht’s zum Morddezernat, weiter zur Sitte, um schlussendlich bei der Brandfahndung zu arbeiten. Dabei steht euch immer ein Partner zur Seite, der auf Wunsch immer einen Ratschlag parat hat und auch als Wegweiser im Auto eine überraschend gute Figur abgibt.
Das Einmaleins der Verbrechensbekämpfung
Doch wie kann man sich die Arbeit als Ermittler eigentlich vorstellen? Nach einer Besprechung auf der Polizeidienststelle geht es mit dem Kollegen zum Tatort. Dort angekommen, haltet ihr Ausschau nach Beweisen. Und die sind bisweilen richtig gut versteckt. Auch wenn man am Anfang denkt, dass die Vibrationshilfe zum Aufspüren wichtiger Gegenstände das Spiel viel zu einfach macht, freut man sich spätestens beim dritten Fall über dieses kleine und sehr sinnvolle Gimmick. Ansonsten kann es vorkommen, dass man sich ‘nen Wolf sucht. Das Coole ist: Jeder Gegenstand in der Hand von Cole lässt sich frei drehen und wenden, um weitere (wichtige) Informationen zu finden. Man kramt in Geldbörsen rum, wendet Bilderrahmen um oder dreht Tatwaffen.
Habt ihr alle Hinweise gefunden (oder seid zumindest der Meinung, dass es so ist) dann werden Zeugen verhört. Und hier lässt L.A. Noire so ziemlich alle Muskeln spielen, die es besitzt: Noch nie waren Unterhaltungen so umwerfend inszeniert wie in diesem Kriminalthriller. Wir sind es ja von Rockstar Games gewohnt, dass sie in ihren Titeln großartige Dialoge schreiben, aber L.A. Noire topt alles mühelos. Da das Spiel allerdings nicht in deutscher Sprachausgabe ausgeliefert wird, was die meisten wegen der Amosphäre begrüßen werden, sind mindestens mittelprächtige Englischkenntnisse ein Muss. Sonst gibt es schnell ein Problem, wenn man die Verdächtigen überführen möchte.
Und das geht so: Zuerst kramt ihr euer schlaues Buch raus und wählt ein Thema aus, das ihr ansprechen möchtet. Die Person gegenüber antwortet darauf. Anschließend habt ihr drei Möglichkeiten.
Erstens: ihr glaubt dieser Person, dann geht es weiter.
Zweitens: ihr zweifelt die Aussagen an, so kann man der Person ein wenig Feuer unter dem Hintern machen, um möglicherweise eine gescheitere Antwort zu bekommen.
Drittens: ihr bezichtigt euren Gesprächspartner der Lüge, dann seid ihr im Zugzwang und müsst belegen, aus welchem Grund ihr so denkt. Liegt ihr richtig, bekommt ihr nicht nur Punkte, die euch im Rang aufsteigen lassen und neue Fahrzeuge sowie Outfits freischalten, sondern auch Intuitionspunkte. Die helfen euch indem ihr entweder an einem Ort alle Hinweise einblendet, eine Antwortmöglichkeit beim Gespräch ausblendetet oder die Community bei ihren Entscheidungen einblendet.
Die Routine der Schurkerei
Und so sammelt man Hinweise, schaltet dadurch neue Orte frei, die besucht werden können, sprecht mit wichtigen Personen und löst den Fall, in dem ihr einen Verdächtigen überführt. Danach gibt es eine Abschlussbesprechung mit dem Chef der Abteilung, die je nach eurer Leistung auch mal in Hohn und Spott ausfallen kann. Im Endeffekt wird aber jeder Fall von Phelps gelöst. Danach geht es zum nächsten Fall. Und das ganze Spielchen wiederholt sich wieder und wieder. Eben typische Schnüffler-Arbeit.
Ab und zu gibt es Verfolgungsjagden zu Fuß oder im Auto oder Schießereien, die das relativ straffe Konzept der Kriminalistik auflockern soll, aber leider zeigt L.A. Noire hier ungewohnte Schwächen, die man von einem Titel, der unter der Flagge von Rockstar Games in hochwertigen Produktionsgewässern schwimmt, nicht kennt. Zum Einen steuern sich die Schusswechsel relativ sensibel und sind nicht sonderlich spannend inszeniert, zum Anderen manövrieren sich die Fahrzeuge sehr leichtfüßig. Vielleicht liegt das auch an mir, denn ich fand großen Gefallen am Verhalten der Autos in GTA IV, aber so eine tonnenschwere Karre aus den Vierzigern konnte man damals bestimmt nicht ohne großartiges Bremsverhalten um die Kreuzungen lenken. Die Katz- und Maus Spielchen durch den Straßendschungel von Los Angeles wirken somit ein wenig anspruchslos.
Vermisst: Roter Faden
Anfangs ist man wie Phelps voll der Motivation. Ein neuer Fall, eine neue Chance sich zu beweisen. Worum geht es wohl dieses Mal? Was erwartet mich jetzt? Doch diese Begeisterung findet bald ein Ende. Jedenfalls so lange, bis L.A. Noire story-technisch aufdreht und euch Fälle eines Serienmörders serviert, die an die ungelösten “Black Dahlia-Fälle” aus den späten Vierzigern erinnern, die tatsächlich die Stadt der Engel erschütterten. Plötzlich werdet ihr von dem Kriminaltitel wieder in den Bann gezogen. Aber warum nicht schon früher?
Auch die Rückblenden in die Armeevergangenheit bleiben viel zu lange unkommentiert. Was haben diese Ausschnitte aus Phelps Vergangenheit zu bedeuten? Viel zu lange tappt ihr dort im Dunkeln. Dafür ist es um so angenehmer, dass L.A. Noire auch die Korruptheit der Polizei aufzeigt. Früher war eben doch nicht alles besser!
Wie aus dem Gesicht geschnitten
Auf Erzählebene braucht L.A. Noire seine Zeit, bis es Fahrt aufnimmt, dafür protzt das Spiel auf einer anderen Seite von der ersten Sekunde an: Die Mimik. Vergesst alles bisher Dagewesene auf diesem Gebiet. Das was Team Bondi mit der MotionScan-Technologie auf die Beine gestellt hat, ist schlichtweg grandios.
Schauspieler leihen nicht nur ihre Stimme und die Bewegungen, sondern auch das Gesicht. Herausgekommen ist dabei die überzeugendste Gestik und Mimik in der Geschichte der Videospiele. Aber das ist auch bitter nötig, schließlich müsst ihr auch Lügen in den Gesichtern der Zeugen oder Verdächtigen lesen. Und das ist tatsächlich möglich. Ein kleiner unsicherer Blick nach oben, Stirnrunzeln, oder ein nervöses Blinzeln: All das kann aus dem Gesicht abgelesen werden. Zusammen mit den fantastischen Dialogen entsteht aus den beiden Komponenten ein tolles Spielerlebnis. Die restliche Grafik ist zwar schick, kann aber nicht die gleiche Wirkung erzielen wie beispielsweis Red Dead Redemption.
Fazit:
Was genau ist L.A Noire unterm Strich? Kein Spiel, dass die Erwartungen nach der sieben jährigen Entwicklungszeit erfüllt. Es ist kein Überspiel, wie es im Vorfeld oft verklickert wurde. Dafür plätschert die Geschichte lange vor sich hin, ist die Action zu leicht und zu beliebig inszeniert. Richtig kann L.A. Noire nur dann überzeugen, wenn ihr auf Spurensuche geht und mit Leuten redet. Und das macht den Großteil des Spiels aus. Die Dialoge sind ein Genuss und die Mimik auf dem Gebiet unschlagbar. Allein deswegen solltet ihr L.A. Noire eine Chance geben. Ihr werdet Zeuge einer neuen Ära. Lebendige Gesichter, die Geschichten erzählen. Und davon könnt ihr nicht genug bekommen.
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Ich muss auch dringend mal anfangen!
Ist ein gemächliches Spiel. Kann man gut daddeln.
ich hoffe das die entwickler aus ihren fehlern lernen und ebend irgendwann das besagte überspiel rausbringen…aber animationstechnisch ist es ein meilenstein…das muss in jedem guten spiel einzug halten!