Lesezeit: 9 MinutenAls Entwickler Related Desings und Publisher Ubisoft bekanntgaben, dass an einem neuen ANNO-Teil gearbeitet wird, da dachte man eigentlich an ANNO 1800 oder vielleicht an ein ANNO 1305, schließlich ergeben die Quersummen beider Zahlen die berühmte Neun und irgendwie musste der Titel ja in der Vergangenheit spielen, das war schließlich seit jeher so. Nicht Wenige waren daher umso mehr verwundert, als das neue Szenario der Zukunft vorgestellt wurde. Ob es tatsächlich funktioniert oder ob wir kopfschüttelnd vor dem PC sitzen, erfahrt ihr in unserem Test.
Drei Fraktionen und eine Menge Katastrophen
In der Zukunft ist die Welt nicht mehr dieselbe: Klimatische Veränderungen und Katastrophen haben die Erde in den letzten Jahrhunderten geprägt, neue Landmassen sind entstanden und große Teile der Kontinente liegen unter Wasser. Die Bevölkerung hat sich in drei Fraktionen geteilt, die um unsere Unterstützung buhlen. Da ist zum Einen das Industriekonsortium Global Trust, dem es vor allem um das schnelle Geld durch schnelle Produktion geht. Auf der Seite der Umweltschützer steht die Eden Initiative, die auf erneuerbare Energie setzt und den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur. Als dritte Gruppe kommt die S.A.A.T (Scientific Academy for Advanced Technologies) hinzu, ein elitärer Zusammenschluss von Wissenschaftlern, die sich die Unterwasserwelt als Lebensraum ausgesucht haben und den neutralen Part in der Geschichte einnehmen.
Wir besiedeln ab sofort im Namen der Ecos oder Tycoons Inseln, sorgen für die Bedürfnisse unserer Bevölkerung, übernehmen Aufträge unserer Verbündeter und müssen die ein oder andere Katastrophe überstehen.
Bewährtes Spielprinzip
Wer die Vorgänger kennt, der wird bereits am vorangegangenen Satz herauslesen, dass sich am grundlegenden Spielprinzip der Strategieserie nicht viel verändert hat. Auch im Jahre 2070 starten wir die Inselbesiedlung durch den Bau eines Kontors, sorgen mit Hilfe eines Fischers für das erste Nahrungsmittel und bauen rund um das Stadtzentrum ausreichend Häuser für unsere Bevölkerung. Die Einwohner werden zunehmend anspruchsvoller und wir befriedigen ihre Bedürfnisse nach Nahrung, Trinken, Gesellschaft und Informationen mit dem Bau passender Produktionsanlagen. Wir handeln mit unseren Nachbarn und lassen bei all unseren Aufgaben nie die Finanzen aus den Augen.
Was sollten nun die ganzen Überlegungen in Hinsicht auf das Zukunftsszenario, wenn doch alles beim Alten geblieben ist? Nun, ganz so einfach ist es nicht, denn es haben natürlich auch Neuerungen den Weg in die Serie gefunden. Allen voran unser Hauptquartier mitten auf dem Ozean: die Arche. Sie ist zugleich Lager, nützliche Handelsbüro für Eillieferungen von Waren, die wir nicht selbst oder nicht innerhalb der benötigten Zeit anbauen können. Zudem lassen sich Verbesserungen für Schiffe sowie Produktionsstätten auf der Arche verwalten, die wir (einmal erhalten) auf alle unsere Missionen mitnehmen dürfen. Da die Kontinente größtenteils verschwunden sind, stehen uns zur Besiedlung größere Inseln zur Verfügung und neuerdings auch Landmassen, die uns in den Tiefen des Ozeans Rohstoffe wie Öl bieten und die wir dank der Technik von S.A.A.T auch abbauen können.
Neben ausgeglichenen Finanzen müssen wir nun darauf achten, dass die Ökobilanz und der Energiehaushalt nicht aus der Balance geraten, was zusätzlichen Anspruch in den Aufbau unserer Zivilisation bringt. Denn eine negative Ökobilanz verändert das Aussehen unserer Insel vom grünen Lebensraum zu einer Stadt unter Smog und wirkt sich negativ auf die Gesundheit und das Verhalten der Bevölkerung aus. Wollen wir ein schönes Eiland mit gesunder Natur, arbeiten Produktionsstätten langsamer und einzelne Gebäude benötigen auf Seiten der Eden Initiative mehr Platz, sie müssen daher sorgfältig geplant und gesetzt werden. So ist es zum Beispiel nicht möglich, ein Windrad neben das Andere zu setzen, um ausreichend Energie an die Betriebe zu liefern, was bei den Kohlekraftwerken der Tycoons durchaus möglich ist. Beide Spielweisen besitzen somit Vor- und Nachteile, die wir abwägen müssen und zwar sowohl in der Kampagne, dem Endlosspiel, den Einzelmissionen und im Mehrspieler.
Die Kampagne a.k.a das Tutorial
Unsere Arche taucht auf und schon sind wir inmitten der ersten Mission der Kampagne. Global Trust benötigt unsere Hilfe, denn ein Staudamm droht zu brechen und wichtige Produktionen inklusive der Arbeiter unter den Wassermassen zu begraben. Natürlich nehmen wir das Hilfegesuch an und lernen damit nicht nur die erste der drei Fraktionen und ihre Motive näher kennen, sondern auch die Künstliche Intelligenz E.V.E, die uns von der Arche aus als Beraterin zur Seite steht. In insgesamt drei Kapiteln (zusammen elf Missionen) lernen wir in der Kampagne die Spielelemente von ANNO 2070 kennen, vom Bau des Kontors über die unterschiedlichsten Gebäudetypen, bis hin zur Kriegsführung.
Damit ist auch schon klar, dass es sich bei der Kampagne vor allem um ein stundenlages Tutorial handelt. Wir erhalten eine Aufgabe, die wir Schritt für Schritt nach den Vorgaben von E.V.E oder unseren Verbündeten lösen. Leider geht dies beinahe so fließend ineinander über, dass wir manches Mal ganz vergessen, dass wir eigentlich etwas lernen sollen und nicht nur Befehle ausführen. Und dennoch macht es Sinn, denn unsere Betriebe haben sich der Zukunft angepasst und die Kampagne hilft sehr, um die Unterschiede in den Bedürfnissen der Bevölkerung kennen zu lernen: Ecos trinken Tee, Tycoons lieber Spirituosen, während sich die Eden Initiative bei einem Konzert entspannt, sind die geldliebenden Global Trust Arbeiter im Casino. Damit also alles zur Zufriedenheit der Damen und Herren ist, besiedeln wir Inseln die unterschiedliche Ressourcen bieten und beginnen Handelsrouten aufzubauen. Wie in ANNO 1404 ist die Erstellung dieser Routen einfach und bequem gelöst: Wir klicken auf den Liefer- und Empfangshafen, wählen die Waren und das Schiff aus und fertig ist die einwandfrei funktionierende Route, die wir getrost sich selbst überlassen können. Keines der Schiffe hat irgendwelche Wegfindungsschwierigkeiten, noch macht das Ein- und Ausladen an den Kontoren Probleme.
Unterbrochen werden unser Siedlungsdrang und die Hauptmission meist nur von den optionalen Nebenaufgaben der drei Fraktionen, die aus Warenlieferungen, der Vernichtung oder dem Kapern von Schiffen bestehen. Für die Ecos verbessern wir die Ökobilanz, für die Tycoons suchen wir nach vermissten Personen in unserer Stadt. Das ist ganz nett, weil die Erfüllung natürlich auch belohnt wird, doch auf lange Sicht wiederholen sich die Aufgaben zu sehr. Wenn man dann noch ANNO 1404 gespielt hat, ist man nie wirklich überrascht, denn alles ist aus dem Vorgänger bereits bekannt.
Ist eine Misison abgeschlossen, belohnen uns die Vertreter der Fraktionen mit Beförderungen, durch die wir Zugriff auf zahlreiche Verbesserungen, wie schnellere Produktion oder bessere Windkraft erhalten. Je nach deren Zufriedenheit belohnen uns alle drei oder auch vielleicht auch nur eine, denn den Tycoons gefällt übermäßige umweltschonende Produktion genausowenig, wie den Ecos der Bau von Kohlekraftwerken.
Die einzelnen Geschichten, die uns die Kampagne bietet, konfrontieren uns vor allem mit Katastrophen, die so in der Zukunft auftauchen könnten. Allerdings ist die Handlung nicht gerade überaus spannend erzählt, die Zwischensequenzen beeindrucken nicht wirklich. Aber wenn wir ehrlich sind, darum dürfte es den wenigsten Spielern gehen. Wer will schon eine filmreif erzählte Geschichte, die nur von einem abhält: dem Bauen, Bauen, Bauen…und damit wären wir auch schon beim Endlosspiel.
Endlosspiel, oder wie man nach 100 Stunden Platz für noch ein Gebäude sucht
Im Endlosspiel (wie auch in den Einzelmissionen und Multiplayer) wählt ihr zu Beginn aus, ob ihr auf Seiten der Ecos oder Tycoons siedeln möchtet. Zwar unterscheiden sich deren Herangehensweisen an den Aufbau der Produktionen, doch spätestens ab der dritten von fünf Bevölkerungsstufen stehen euch alle Gebäudetypen der konkurrierenden Partei zur Verfügung. Ist der Aufenthaltsort der S.A.A.T bekannt und diese zufrieden mit unserer Arbeit, kommen auch noch deren Gebäude hinzu. Das ermöglicht einen sehr abwechslungsreichen Aufbau, der allerdings auch unsere Konzentration erfordert, denn siedeln wir die Bewohner der unterschiedlichen Fraktionen gemeinsam auf einer Inseln an, müssen wir auch deren Bedürfnisse unter einen Hut bekommen ohne, dass eine der Gruppen beleidigt aus unserer Stadt fortzieht. Auch wenn am Anfang alles etwas verwirrend erscheint, die Möglichkeiten lassen sich gut kombinieren. Weniger gut kombiniert sind allerdings die Icons der Gebäude, denn die unterscheiden sich kaum. Haben wir alle Fraktionstypen freigeschaltet, besitzt unser Baumenü drei Karteireiter, die sich nur schwer von einander unterscheiden lassen. So kommt es vor, dass man Eco-Arbeiter ansiedelt, anstelle von Tycoons und das erst bemerkt, wenn diese entrüstet die Stadt verlassen, weil wir überhaupt nicht bemerkt haben, dass vier Häuser total andere Grundbedürfnisse besitzen. Da wäre eine schönere und unterscheidbare Gestaltung besser gewesen.
Wie auch in der Kampagne, können wir Nebenaufgaben lösen und damit selbst auf Seiten der Ecos an Verbesserungen der Tycoons gelangen und umgekehrt. Zur Kommunikation steht uns Diplomatie zur Verfügung, wir können bei Nachbarn Rabatte aushandeln, Lobbyarbeit betreiben oder wenn uns die Partner am Ende zu sehr auf die Nerven gehen, ihnen einfach den Krieg erklären. Was die Gegenseite genauso macht, wenn sie der Meinung ist, wir beachten deren ideellen Ziele zu wenig oder wenn wir ihnen die Besiedlung neuer Inseln ständig schlichtweg verweigern (was bei neutralen Nachbarn möglich ist). Befinden wir uns in einem kriegerischen Konflikt, dann wird dieser nicht mehr mit Bodentruppen zu Lande ausgetragen, sondern ausschließlich zu Wasser oder in der Luft. Wo ANNO 2070 im Anspruch des Aufbaus zugenommen hat, ist dieser im Krieg verloren gegangen. Wir bauen einfach ausreichend Schiffe und Flugzeuge (was natürlich schon vor der Auseinandersetzung eingeplant werden muss) und schicken diese dann in den Kampf. Die gegnerische KI verhält sich dabei gar nicht schlecht, der Computer weiß, ob er im Vor- oder Nachteil uns gegenüber ist und wann es sich lohnt anzugreifen.
Haben wir die Auseinandersetzung beendet, wenden wir uns wieder dem Aufbau zu, bis wir keinen Platz mehr auf der Welt haben, unsere Monumente stehen (Parlament für die Ecos und die Konzernzentrale für die Tycoons), die Meere voller Handelsrouten sind oder wir uns einfach für einen weiteren Modus interessieren, den wir uns im Folgenden mal näher anssehen.
Einzelmissionen
Der Begriff Einzelmission ist eigentlich etwas verwirrend, denn zwar handelt es sich um eine einzelne Aufgabe, die wir angehen, doch müssen wir das gar nicht alleine machen. Wenn uns danach ist, holen wir uns ein paar Freunde hinzu und spielen online. Die Missionen besitzen unterschiedliche Schwierigkeitsgrade, verlangen unter anderem, dass wir eine Stadt errichten, in der 2500 Executives leben oder, dass wir ein Monument fertig stellen. Der Ablauf und das Erreichen des Ziels erfolgt dabei immer auf die Weise, wie wir sie bereits aus dem Endlospiel kennen: Siedeln, bauen, produzieren. Jede Mission verlangt von uns den erneuten Aufbau unserer Zivilisation und bietet uns Belohnungen, die wir in der nächsten einfach weiter einsetzen.
Multiplayer
ANNO 2070 bringt endlich von Anfang an den Mehrspielermodus ohne dass auf ein Add-On gewartet werden muss. Endlosmodus und zwei der insgesamt sieben Szenarien stehen im Modus Vier gegen Vier zur Verfügung. Wer lieber den Koop-Modus bevorzugt oder mit bis zu drei Freunden spielen möchte, der kann dies in allen Szenarien. Voraussetzung ist immer, dass jeder der Spieler einen eigenen Ubisoft-Account besitzt.
Der Multiplayer ended damit allerdings nicht, denn man kann auch indirekt mit Spielern aktiv sein, durch die ständig wechselnden Tages- und Weltgeschehen, durch Senats- und Weltratswahlen. Bei den Tagesaufgaben suchen wir für eine der drei Fraktionen (für welche wir den Auftrag annehmen, ist uns überlassen) zum Beispiel verlorengegangenes Treibgut. Die Tagesaufgabe können wir in allen der zur verfügungstehenden Modi lösen. Das Weltgeschehen besteht aus mehreren Missionen, wie zum Beispiel der Neo Skullz Krise, in der die Welt von skrupellosen Piraten bedroht wird. Diese Aufgaben bringen noch mehr Abwechslung in das Spiel und wirklich gut ist die Idee, dass wir nicht nur für unsere Arbeit belohnt werden, sondern auch für die der anderen Spieler, die die Mission erfolgreich online bestanden haben. Je mehr Spieler die Aufgaben erfüllen, desto höher fällt die Belohnung aus.
Genauso verhält es sich mit den beiden Wahlen: Jeder Spieler darf für einen Vertreter der drei Fraktionen abstimmen. Diese versprechen unterschiedliche Verbesserungen, sollten sie die Wahl gewinnen. Diese gelten dann für den Zeitraum von einer Woche (dann darf neu abgestimmt werden) und wir bestimmen selbst, wann der passende Moment gekommen ist, die Verbesserungen in unserer Arche zu aktivieren.
Wenn Related Designs und Ubisoft diese Onlinemöglichkeiten noch lange im Spiel beibehalten und sich ständig neue (kostenlose) Ideen einfallen lassen, dann ist das eine hervorragende Sache, die man nur begrüßen kann.
Grafik und Sound
Die Grafik ist sehr sehr gut. Das Wasser glitzert und überall wuselt unsere Bevölkerungen durch die Stadt. Das Zukunftsszenario ist zwar bei weitem nicht das farbenfrohste in der ANNO-Geschichte und an die recht einheitlich aussehenden Gebäude muss man sich wirklich gewöhnen, zumal auch Wohnhäuser und Produktionen sich ähneln, es passt dennoch zum Jahre 2070. Trotz Grafikpracht ist der Titel auch auf älteren Rechnern spielbar, denn durch die Vielzahl an möglichen Einstellungsänderungen lässt es sich überall mit Ecos und Tycoons siedeln. Auch die Unterwasserwelt kann überzeugen und gerne nimmt man mit dem U-Boot einen Umweg in Kauf, um den Haifischen oder Rochen einen Besuch abzustatten. Leider sind die Kampfsituationen im Gegensatz dazu recht uninspiriert, egal wie sehr das Wasser auch glitzern mag, die Kanonenschüsse und brennenden Schiffe überzeugen fast gar nicht.
Die Sprecher sind professionell und machen ihre Arbeit gut. Allerdings: So arrogant die Global Trust Mitarbeiter auch sein mögen, der Sprecher lässt sie dermaßen unsympathisch rüberkommen, dass man sich sogar zweimal überlegt, ob man sich auch nur ansatzweise für diese Gruppierung interessieren sollte. Die Musik passt zum Szenario und ist je nach Fraktionswahl eher düster oder (Eco umwelt-)freundlich.
Fazit
Was soll man groß sagen, ANNO 2070 ist (Zukunft hin oder her) einfach ANNO. Aufbaustrategie pur gepaar mit mehr Komplexität. Die Spielzeit von über 100 Stunden mit abwechslungsreichen Modi und den zusätzlichen Onlineaufgaben rechtfertigen den Kauf absolut. Etwas schwierig ist es mit den recht einheitlich aussehenden Gebäuden, die sich von Fraktion zu Fraktion und auch innerhalb einer Gruppe schwer unterscheiden lassen, da wäre sicherlich mehr Designkomfort dringewesen. Das ist allerdings schon wieder meckern auf hohem Niveau, denn gehen wir zurück auf unsere Anfangsfrage: Ja, der Sprung in die Zukunft hat gut funktioniert und wer Strategie mag, der wird um diesen Titel nicht herumkommen.
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Ich hätte ja mal wieder richtig Bock drauf, aber leider kommt’s ja nicht für Mac.
echt nen guter testbericht !!! da bekommt man ja direkt lust , ins jahr 2070 umzusiedlen 🙂
vllt werd ich auch heute abend nochmal ne runde 1404 spielen 🙂