+ große Alpenlandschaft
+ dichte Atmosphäre
+ Wingsuit-Missionen
+ gewaltiger Umfang
- unsaubere Steuerung
- fehlender Langzeitmotivation
- Paragliding-Missionen
- unübersichtliche Minimap
-unausgereifter Multiplayer
- kein Split-Screen
Lesezeit: 4 MinutenDer Mont Blanc ist mit seinen 4810 Metern der höchste Berg in den Alpen, ein emporragender und furchteinflößender Koloss – und der absolute Höhepunkt in Steep. Wenn man oben am Gipfel steht, eine 360°-Drehung vollzieht, die Landschaft und Atmosphäre in sich aufsaugt, kühlt sich das eigene Wohnzimmer bis zum Gefrierpunkt ab. Man wünscht sich eine Heizdecke und Handschuhe für diesen eisigen Controller. Ubisoft Annecy schafft es in solchen Momenten den Spieler zu begeistern. Doch unterhält die diesjährige Wintersimulation auch dauerhaft?
Erwartet kein Stoked! Erwartet kein SSX, kein Supreme Snowboarding und vor allem keine Neuauflage von Cool Boarders! Denn Ubisofts neuester Open World-Titel ist von diesen arcadelastigen Spielen so weit entfernt wie von einer Partie Beachvolleyball. Hier wurden die Alpen eindrucksvoll und nahezu originalgetreu nachgebaut und laden zur Entdeckung ein. Nach einem kurzen Tutorial ist die Welt komplett begehbar, die Grenzen bilden lediglich die Täler. Neben dem obligatorischen Snowboard kann man sich auf Skiern, mit Wingsuit oder per Gleitschirm fortbewegen. Selbst zu Fuß kann man sich (wenn auch sehr langsam) auf die Reise begeben.
Man sieht vor lauter Schnee die Story nicht
Und hier versteckt sich bereits die erste Schwäche von Steep: die bewährte Ubisoft-Formel von einer gewaltigen und mit Aufgaben übersäten Welt, welche größtenteils ohne roten Faden auskommen muss, hat bereits bei der Schlaftablette The Division nur mäßig funktioniert. Und auch bei Steep merke ich erst nach mehreren Stunden, dass ich komplett vergessen habe, dass das Spiel auch eine Story-Kampagne besitzt. Diese passt allerdings auf einen Bierdeckel und ist kaum der Rede wert. Doch irgendwas muss ich ja in diesen Stunden gemacht haben, oder?
In der Tat habe ich die Story so früh wie möglich links liegen gelassen, weil mich die verschiedenen Challenges und Erkundungen weitaus mehr interessiert haben. Bei jeder Challenge muss entweder eine gewisse Punktzahl erreicht oder eine Zeit unterboten werden. Je besser man abschneidet, desto mehr Erfahrungspunkte und neue Kleidungsstücke bekommt man. Die Freischaltung von Kleidung und neuen Designs für die Ausrüstung ist rein kosmetisch und hat keine Auswirkung auf die eigenen Fähigkeiten. Die Erfahrungspunkte werden benötigt, um schwierigere Challenges freizuschalten. Deren Meisterung dient einer steigenden Bekanntheit, welche wiederum zu Einladungen zu speziellen Events führt. Diese laufen im Grunde wie die normalen Challenges ab, nur das lediglich eine Cutscene vorher eingespielt wird. Neben Zeitrennen und Trick-Herausforderungen auf Skiern oder dem Snowboard haben die Wingsuit-Missionen für wahre Adrenalinstöße gesorgt. Die Gleitschirmherausforderungen hingegen waren auf Grund der trägen, sowie ungenauen Steuerung eine frustrierende Angelegenheit und wurden von mir so weit wie möglich gemieden.
Schöne Welt, unschöne Steuerung
Optisch gesehen braucht sich Steep in keiner Weise zu verstecken, hier stimmt wirklich alles. Fast jedes Bergpanorama lädt zum Screenshot ein, die Licht- und Wettereffekte sehen wunderschön aus und das Schneeverhalten ist wohl das realistischste, was jemals programmiert wurde. Untermalt wird das Ganze von einem durchweg stimmungsvollen Soundtrack, welcher sich sogar den verschiedenen Situationen anpasst. Im Kontrast dazu stehen die nervigen Sprecher und eigenen Sprüche des Avatars, welche gefühlt aus den Tiefen der schlechtesten Tony Hawk’s Pro Skater-Spiele ausgegraben wurden und regelmäßig beim Sprachwissenschaftler zu gesträubten Nackenhaaren führen.
Doch bei all dem technischen Lob hat Ubisoft Annecy bei der Steuerung leider keine so gute Arbeit geleistet. Grundlegend funktioniert das Fahren und Fliegen ganz anständig, doch die Fahrphysik ist zuweilen unberechenbar: einerseits schaffe ich es nach einem doppelten Salto unbeschadet auf einem Hausdach zu landen und weiterzufahren, andererseits reicht das Stoßen an den kleinsten Hindernissen aus um meinen Charakter zu Fall zu bringen. Zudem funktionieren die Absprünge und Tricks trotz korrekter Eingabe auch nach dem 374. Versuch nicht so wie sie sollten. Es wirkt, als ob die Befehle mit Verzögerung ankommen würden, was bei den filigran auszuführenden Stunts mehr als ärgerlich ist. Vor allem, wenn man den Highscore anstrebt.
Einsamer Multiplayer
Das Fehlen von NPCs lässt die Berglandschaft mitunter sehr einsam wirken. Selbst die „interessanten Orte“, die man entdecken kann sind vollkommen verwaist. Doch begegnet man hier und da anderen Spielern, die zur gleichen Zeit die gleiche Challenge bestreiten oder zufällig im selben Abschnitt der Welt rumfahren. Wenn sich diese in der Nähe befinden, kann man sie durch einfachen Tastendruck in die Gruppe einladen und gemeinsam Fahrten bestreiten oder zu einer selbst gebastelten Challenge herausfordern. Was in der Theorie gut klingt, entpuppt sich nach mehreren Stunden als nicht zündende Idee. In der gesamten Zeit wurde ich nur ein einziges Mal von einer kleinen Gruppe eingeladen, wobei mitten in der Challenge auf Grund der Verbindung zwei Mitspieler herausflogen. Ohne Headset sind die sozialen Interaktionsmöglichkeiten sowieso stark beschränkt und die Tatsache, dass Ubisoft sich wieder für eine unnötige Always-On-Politik entschieden hat, ärgert mich umso mehr, da dem Spiel ein klassischer Split Screen-Modus weitaus besser getan und für mehr Langlebigkeit gesorgt hätte.
Festgefroren – ein Fazit
Ubisoft hat sich mit Steep viel vorgenommen und bei einigen Teilen übernommen. Die anfängliche Begeisterung für die offene Spielwelt wich schnell dem Frust über die ungenaue Steuerung, unübersichtliche Minimap und die langweiligen Paragliding-Challenges. Und nach kurzer Zeit fühlten sich die ganzen Rennen mehr wie Fleißaufgaben als Erlebnisse an. Und da das Level-System weder bessere Fähigkeiten noch neue Tricks brachte, ließ auch da die Motivation schnell nach. Für zwischendurch kann Steep unterhaltsam sein und sorgt mitunter für denkwürdige Momente, doch langfristig schafft es der Titel nicht, den Spieler im Bann zu halten. Und bei allen Bemühungen wird man das Gefühl nicht los, dass dieser Simulation eine Portion Arcade gut getan hätte. Denn auch der schönste Schnee wird bei fehlender Abwechslung mit der Zeit langweilig.








