+ atemberaubende Landschaften
+ Ästhetik des Landes sehr gut eingefangen
+ packende Story und Missionen
- kein Erkunden notwendig
- lahme Nebenmissionen
Ubisoft legt nach The Devision ordentlich nach und stampft nach dem postapokalytpischen New York ein gesamtes, virtuelles Bolivien aus dem Boden. Das Land, das Militär, die Politik und alle Institutionen liegen jedoch unter der absoluten Kontrolle des Drogenkartells Santa Blanca, geführt von El Sueño. Ein Fall für die sog. Ghosts, eine ultimativ ausgebildetet Vier-Mann-Squad, der sich auf Sabotage und Undercover Ops spezialisiert. Im Onlinemultiplayer oder mit der durchaus geschickten KI sammelt ihr nun Informatioen über die einzelnen Drahtzieher des Kartells, lasst Kokainplantagen hochgehen und destabilisiert das Kartell Stück für Stück. Unterstützung bekommt ihr dabei von der Rebellenbewegung. Die Story is packend, das Gameplay solide und die Welt ist ein wahrer Augenschmaus. Allerdings kommt Ghost Recon Wildlands mit einigen Makeln. So sind ganze Landstriche leer, bzw. bedeutunglos für den Spieler, Nebenmissionen sind langweilig, für das umständliche Skillsystem jedoch leider notwendig.
Lesezeit: 6 MinutenUbisoft hat uns schon in viele Welten geworfen. Florenz, die Karibik, Paris, London, New York… Nun sollte etwas Neues her, in Größe und Realismus nahezu unvergleichlich. So hat man sogar Forschungsreisen betrieben, um ein ganzes Land so realistisch wie möglich darzustellen. Um zu sehen, wie sich Ghost Recon Wildlands präsentiert, jetten wir mal eben kurz nach Bolivien.
Ein Königreich für Kokain
In Bolivien hat eine neue Gruppe die Macht ergriffen. Das Santa-Blanca-Drogenkartell hat sich die Politiker, Behörden, Stars und Armee des Landes mit viel schmutzigem Geld in seine Reihen geholt. Das Geschäft floriert. Der große Wunsch von El Sueño, dem Chef des Ganzen, ist endlich Wahrheit geworden: Ein gelobtes Land, wo er ungestört arbeiten und das beste Kokain der Welt produzieren kann. Wer das Kartell annimmt, steht unter seinem Schutz und hat weder Hunger noch Armut zu fürchten. Folter und Vergeltung waren auf jene, die sich der Familie in den Weg stellen.
So werden die Ghosts gerufen, die perfekt ausgebildete Elitetruppe. Zusammen mit der wachsenden Rebellenbewegung ist es ihre Aufgabe, das Kartell Stück für Stück auseinanderzunehmen, hochrangige Personen auszuschalten und das ganze Konstrukt zu destabilisieren.
Mit Hightechgeräten ausgestattet, sabotiert ihr ganze Werkshallen, organisiert Aufstände der Rebellenarmee oder streut Intrigen, um die wichtigen Unterstützer des Kartells aus der Reserve zu locken. Die gegnerische Überzahl ist jedoch so gewaltig, dass ihr nicht einfach so reinmarschieren könnt. So wartet höchstens der direkte Ruf nach Verstärkung auf euch und glaubt mir, gegen einen Hubschrauber kommt man nur schwer an. Aber nicht umsonst trägt man den Titel “Ghost”. Also heißt es: Langsam dem Zielgebiet nähern, Fernglas und Drohne rausgeholt und alles Erspähen und Markieren, was geht. Mit eurem 4-Mann-Squad habt ihr nicht nur 3 Augenpaare mehr, die euch erspähte Gegner markieren, sondern könnt markierte Gegner als Ziel freigeben und diese gleichzeitig mir der KI niederstrecken. Eure Kameraden begeben sich stets in eine taktisch kluge Position, aus der sie freie Sicht auf das Ziel haben und auf euer Kommando warten.
Das ist so ziemlich das Arbeitspensum von Ghost Recon Wildlands. Gehe zum Missionsgebiet, kundschafte alles aus und assassiniere dich leise zum Zielobjekt. So wie man es von den Spielen kennt, die Tom Clancy im Namen haben. Aber was bietet Ubisofts virtuelles Bolivien wirklich? Ein Blick auf ein großes Land, auch abseits des Kartells:
Organisierter als das FBI
Das Kartell stützt sich auf die vier Pfeiler Produktion, Beeinflussung, Schmuggel und Sicherheit, welche jeweils noch mal ihre eigenen kleinen Hierarchien besitzen. El Sueño hat das gesamte Land in Regionen unterteilt, die jeweils einem kleinen Boss, einem Buchón, unterstehen und sich mit der Arbeit an einem bestimmten Pfeiler befassen. Alle Buchóns einer Sparte unterstehen einem Zwischenboss, der seine Regionen im Auge behält. Alle vier Sparten haben ebenfalls einen Chef, der auch gleichzeitig El Sueños engster Vertrauter ist.
Mit jeder Mission und jedem ausgeschalteten Boss bringt ihr mehr Licht hinter die Vernetzung und die Machenschaften des Kartells. Die einzelnen Regionen sind allerdings nicht nur mit Storymissionen bestückt. So könnt ihr mit Dialogen der Einheimischen oder durch Bedrohung kleinerer Santa-Blanca-Offiziere noch viele weitere Missionen und Goodies freischalten. Und das bringt uns zu:
Sidequests, Collectables, Levels, Ressourcen
Ghost Recon Wildlands hat ein Levelsystem, welches… anders ist. Durch das Abschließen von Missionen steigt ihr Level auf, die euch Aufstiegspunkte bringen. Höhere Level schalten Verbesserungen der KI, eurer Drohne oder dem Umgang mit Waffen frei. Allerdings bedarf das Aktivieren dieser Fähigkeiten auch Ressourcen. In ganz Bolivien sind Computer, Verbandskisten, Nahrungstruhen und Treibstofffässer verteilt, die eine kleine Menge zwischen 50 und 200 Einheiten beinhalten. Die ersten Level und Fähigkeiten sind aufgrund der niedrigen Kosten einfach zu erhalten, da man nahezu jede Ressource mitnimmt, weil sie recht nah am Geschehen platziert sind. Allerdings ändert sich genau das später. Das Aufspüren von Ressourcen stiehlt sehr viel Zeit und selbst wenn man in unmittelbarer Nähe ist, möchte man sich lieber auf das Spiel konzentrieren, anstatt einen Peilsender in eine Box mit Verbandszeug zu werfen.
Die richtig großen Batzen an Ressourcen bekommt man durch zwei verschiedenen Typen von Nebenmissionen.
1. In ganz Bolivien sind Konvois unterwegs, bestehend aus zwei Begleitfahrzeugen und einem Laster. Bringt den Konvoi zum Stehen und markiert den Laster mit einem Sender.
2. Stehlt an bestimmten Orten Hubschrauber oder Flugzeuge und fliegt diese zu einem sicheren Rebellenstützpunkt.
Beide Missionstypen laufen quasi nach dem folgenden Schema ab: Schaltet die Gegner aus und drückt am Zielobjekt die Vierecktaste. Das Luftfahrzeug müsst ihr zusätzlich allerdings noch fliegen.
Auch wenn es meistens nicht lange dauert, diese Missionen zu beenden, möchte man sich lieber weiterhin mit dem Kartell beschäftigen. Für die High-Level-Fähigkeiten bedarf es vor allem einiger solcher Missionen, um die entsprechenden Ressourcen zu beschaffen.
Des Weiteren habt ihr die Möglichkeit die Rebellen zu unterstützen, bzw. sich deren Hilfe zu sichern. In den sogenannten Rebellenoperationen müsst ihr Anhänger des Kartells einschüchtern, einen Peilsender einschalten und ihn für eine gewisse Zeit verteidigen, ein Kommunikationsbüro stürmen oder einen Kistenabwurf lokalisieren, der irgendwo in der Region gelandet ist.
Durch das Erfüllen dieser Missionen schaltet ihr die Rebellenunterstützung frei, die sich in reiner Manneskraft im Kampf oder durch Aufklärung äußert. Ihr könnt aber auch einen Mörserangriff anfordern oder euch mal eben ein Fahrzeug oder Hubschrauber per Luftabwurf liefern lassen. Weitere Missionen verbessern die Unterstützungen oder senken ihren Cool-down.
Schöne Welt, und sonst so?
Ubisoft setzt auch bei Ghost Recon Wildlands viel auf den ästhetischen Faktor des Looks. Das erschaffene Bolivien ist ein absoluter Augenschmaus. Dörfer und Städte, die aus zerstörten oder minimal intakten Gebäuden bestehen, Tankstellen im Nirgendwo, Wälder, Steppe und Gewässer. Man merkt die Ambition der Welterschaffung sehr schnell und die Welt ist definitiv, wie das verseuchte New York aus The Division, das absolute Highlight des Spiels. Die Hubschrauberflüge zu Zielorten sind einfach atemberaubend und erinnern sehr an TV-Dokumentationen.
Allerdings begeht Ubisoft auch einen großen Fehler, der bei einer solch großen Welt nahezu unvermeidbar ist. Das erschaffene Bolivien wirkt abseits der Missionen einfach leer. Die Reise zu unerforschten Gebieten der Karte lohnt sich fast nie, da es meistens einfach ein Haus is, in dem ein paar Sicarios oder Rebellen hausen. Etwas Lohnenswertes gibt es dort nicht.
Und so schön sich die Spielwelt auch anschauen lässt, so wird sie doch schnell fad. Kaum ist die Action einer Storymission zu Ende, schnappt man sich entweder das nächste Reisemittel, um zum nächsten Punkt zu fahren oder verkürzt sich die Reise sogar per Schnellreiseoption, zu einer nahen Rebellenbasis.
Hinzukommt das einer eigenen Erkundung der einzelnen Gebiete völlig entgegen gewirkt wird. Immerhin schaltet ihr durch das Umhören in den Orten und Vernehmen von Sicarios neue Missionen, Rebelleneinsätze oder Waffenkisten frei und markiert diese direkt auf der Karte. Sobald dann alles einsehbar ist, beginnt das seelenlose Abgrasen der Orte, bis es wieder zur taktischen Action in den richtigen Missionen kommt.
Ghost Recon Wildlands: Flop oder Top?
Es ist schwer. Es ist einfach schwer, wenn ein Spiel, was so unfassbar gut aussieht, sich so gut steuern lässt und auch eine packende Story hat, dennoch hier und da mit Mängeln gespickt ist.
Das Levelsystem nimmt einen durch das Ressourcensammeln nahezu komplett aus der Action. Es ist anstrengend Bolivien zu bereisen und an jedes Ölfass einen Sender ranzutackern. Wenn ich Ghost Recon spiele, will ich nachdenken müssen, wen ich wie aus dem Verkehr ziehe und mich online mit meinen Mates verständigen, wie wir vorgehen. Aber ich will keine zusätzliche Hürde beim Leveln haben, die mich stundenlang in den Bergen eines Landes rumrennen lässt. Die Rebellenunterstützung ist zwar ganz nett, bis auf den Fahrzeugabwurf, aber fast schon überflüssig. Wenn man taktisch geschickt agiert, braucht man keine Unterstützung oder Mörserschläge. Das ganze Land ist ein absoluter Hingucker, fesselt ab einem gewissen Punkt allerdings auch nicht mehr.
Die Story allein hält das ganze Konstrukt aus grandioser Grafik, riesigem Land und erforderlicher, taktischer Finesse zusammen. Ghost Recon Wildlands hält dich innerhalb der Storymissionen absolut auf Trab. Das Infiltrieren bei strahlender Sonne, tiefer Nacht oder gießendem Regen, wo ein falscher Schuss sofort den Alarm auslösen könnte, ist absolut packend.
Ubisoft hat hier versucht, die grafische Formel aus The Division mit der Strategievision der alten Tom-Clancy-Spiele zu vereinen. Es funktioniert auch, keine Frage. Das Ergebnis ist ein optisches Meisterwerk mit einem Drogenkartell, dessen Geschichte auch menschliche Abgründe aufweist. Absolut top. Es sind aber die kleinen Dinge, wie das fehlende Erkunden, ein Levelsystem, welches weitab des eigentlichen Spiels passiert und Landteile, die gar keinem richtigen Zweck dienen, die dem Spielspaß abtun.