Lesezeit: 5 MinutenJahrelang hat sich die Shooter-Gemeinde darüber aufgeregt, dass alle Spiele nur im Setting des Zweiten Weltkriegs angesiedelt sind. Die Entwickler haben auf uns gehört und nun einen Narren an der Zukunft gefressen. Jetzt jammern wir wieder. Nicht mit Ubisoft Montpellier, das in Valiant Hearts: The Great War zurück in die Jahre 1914 bis 1918 gehen und zwar in Form eines Adventures. Wir sind in den Krieg gezogen, haben gelitten, uns gefreut und gleichzeitig Trauer erfahren.
Freundschaft über Grenzen hinweg
Valiant Hearts erzählt, untermalt von wunderschöner Musik, die Geschichten von Emile (Frankreich), Freddy (Amerika), Karl (Deutschland), Ana (Belgien) und dem Hund Walt, die in den wideren Umständen des Ersten Weltkrieges zusammen finden. In den Jahren zwischen 1914 und 1918 erleben wir das Leid des Krieges mit den Familien der Protagonisten, ziehen mit ihnen in unzählige (und scheinbar nutzlose) Schlachten, retten Leben und sehen, wie schnell Leben ausgelöscht werden. Dabei bleibt das Spiel fern von jeglichem Patriotismus und Amerika-Hurra-Geschrei . Valiant Hearts Fokus liegt auf den persönlichen Geschichten, auf Freundschaft über Grenzen hinweg und auf historischen Fakten. Zwar ist es weit von einem Spec Ops: The Line und der Wahnsinnigkeit des Krieges entfernt, versucht sich aber stark an der Wirklichkeit zu orientieren. Weg von Baller-Missionen, hin zu den Charakteren, weg von Geschrei und Nationalistentum, hin zu bewegenden Schicksalen. Ubisoft basiert die Handlung auf Briefen, die von Soldaten während der Zeit des Ersten Weltkriegs nach Hause geschickt wurden. Wer sich für den Krieg historisch interessiert, bekommt zudem durch Fakten und Sammelobjekte weitere Informationen über die Zeit geliefert.
Liebe und Hass liegen nahe beieinander
Es braucht nicht viele Worte, um Gefühle, Schicksale und Geschichten zu vermitteln. Das Adventure kommt komplett ohne gesprochene Dialoge aus. Wir hören Englisch, Französisch und Deutsch, aber in sehr minimalistischer Umsetzung. In Form eines Sidescrolling-Spiels, bewegen wir mit nur wenigen Tasten die Protagonisten (alleine oder zusammen) durch unbarmherziges Kriegsgebiet. So schön die Geschichte ohne großes Trara erzählt wird, merkt man doch schnell, dass man wohl dachte, damit allein ausreichend Material zu liefern. Je länger man in die Welt eintaucht, desto mehr wird ersichtlich, dass die Rätsel, der Kern eines Adventures, nicht die erhoffte Vielfalt bringen. In den rund acht Stunden Spielzeit haben wir schnell alle möglichen Varianten gesehen, haben wiederholend Hebel betätigt, uns in den Untergrund gegraben und Dynamit auf die gleiche Weise verwendet, wie bereits ein Kapitel zuvor. Darüber täuschen weder der schön dargestellte 2D-Grafikstil hinweg und auch nicht die Musik. Wir verarzten mit Hilfe eines einfachen Rhythmusspiels Verwundete und rennen vor allem von links nach rechts und von rechts nach links.
Das soll nicht heißen, dass die Rätsel schlecht sind, es fehlt nur enorm an Abwechslung. Da hilft auch nicht die gelungene Sequenz, in der wir mit Anas Taxi an die Front heizen und à la Rayman Legends das Auto je nach Musikänderung bewegen müssen. Am Ende ist das und ähnliche Abschnitte nur stupides Auswendiglernen. Interessanter wird es, wenn wir den Kriegshund Walt einsetzen müssen, denn nur er kann bestimmte Levelabschnitte betreten oder Aktionen ausführen. Er ist unser ständiger Begleiter und das beste Bespiel, dass Herkunft und Nationalität banal sind und nichts über die Person aussagt.
Wie im realen Krieg, ist auch der Tod in Valiant Hearts ständig präsent. Nicht nur, weil wir Soldaten sterben sehen, sondern weil auch wir immer nur einen Millimeter davon entfernt sind. Das liegt weniger an unseren Fähigkeiten, sondern daran, dass die Schüsse der feindlichen Soldaten schwer einzuschätzen sind und/oder Einblendungen uns die Sicht nehmen. Nicht zu unterschätzen sind zudem unsere Vorgesetzten, einmal nicht den Befehlen gehorcht, schon greifen sie zu tödlichen Maßnahmen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Zu Gute halten muss man dem Spiel, dass es keine der beteiligten Kriegsparteien als alleinige Bösewichter darstellt. Klar, Deutschland war aufgrund der politischen Situation mit Österreich, der Auslöser, aber wer Patriotismus sucht, wird ihn hier nicht finden. Allerdings hat es mich schon gestört, dass wir Deutschen einzig als Nation dargestellt wird, die nichts besseres zu tun hat als zu Fressen, zu Saufen, laute Volksmusik zu hören und dabei zu grölen. Das Problem hierbei ist, dass sich die Handlung von ernsthaft in eine Karikatur verwandelt und dass so nicht in das Spiel passen will. Zumal sicherlich die deutschen Soldaten und die Familien genauso gelitten haben, wie in anderen Nationen. Auch sind nicht alle Sequenzen des Spiels nachvollziehbar. So müssen wir einen gefühlt elendslangen Auto-Ausweich-Abschnitt absolvieren, weil wir eine Uniform geklaut haben und der Besitzer uns deswegen mit einem gepanzerten Fahrzeug verfolgt.
Fazit: Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln
Das Ende des Spiels gehört zu einem der besten und bewegendsten, die ich in diesem Jahr oder überhaupt seit langem gesehen habe. Valiant Hearts kombiniert wunderschöne Musik mit einem gelungenen Grafikstil und versteht es den Krieg mit seinen Schicksalen ohne große Worte und Patriotismus recht real darzustellen. Ubisoft Montpellier hat gut recherchiert und auf Fakten aufgebaut. Allerdings kann das Spiel mit seinen Rätseln nicht so recht überzeugen, was sehr Schade ist. Wer Wert auf eine gut erzählte Handlung mit Tiefe legt und mal ein Spiel abseits von Zukunftskriegs-Szenarien sucht, der ist mit Valiant Hearts auf der richtigen Seite.