Lesezeit: 7 MinutenAls großer Fan der ersten drei Splinter Cell-Teile, hatte mich Ubisoft mit den letzten veröffentlichten Teilen etwas enttäuscht. Double Agent war zwar in Ordnung, Conviction allerdings fand ich zu actionlastig und zu weit von der eigentlichen Idee des lautlosen Agenten entfernt. Aber ich gebe nicht so leicht auf und so durfte der neueste Teil namens Blacklist in meinem PS3-Laufwerk routieren. Nach den ersten Enttäuschungen, habe ich meinen Frieden mit dem Spiel geschlossen.
Terroristengefahr
Sam Fisher befindet sich auf der Anderson Airbase und ahnt nichts von der Gefahr, die zum Greifen nahe ist. Eigentlich will er gerade die Basis mit einem Helikopter verlassen, doch plötzlich fliegt alles um ihn herum in die Luft. Terroristen haben Bomben platziert und sind dabei, die Soldaten umzubringen. Fourth Echelon, Sams Arbeitgeber, und der Held selbst sind nun gefragt, denn die Explosion war nur der Start einer nicht enden wollender Serie von Angriffen auf die USA, die es zu verhindern gilt.
Eine Geschichte, wie wir sie bereits oft gehört und gesehen haben, wird nun also auch nochmal in Splinter Cell: Blacklist verarbeitet: Die Guten (USA) gegen die Bösen (arabischen Länder, deren terroristische Vertreter sich in der Gruppierung namens “The Engineers” zusammengetan haben). Das klingt nicht sehr aufregend und auch Sam Fishers Charakter bleibt dabei reichlich blass, denn außer patriotischen Heldenansprachen gibt er nicht viel von sich preis. Doch wie viel Splinter Cell-Gefühl enthält der neue Teil?
Panther, Ghost und Assault
Ungefähr nach fünf Minuten war ich dem ersten Herzinfarkt nahe. Das lag nicht an den zahlreich gescripteten Anfangssequenzen, in denen alles à la Call of Duty in die Luft flog, während ich Sam Fisher durch das Tutorial steuerte, sondern an einer nicht funktionierenden Taste. Wenn man Kreis auf dem Controller drückt und nichts passiert, das Spiel zudem nicht fortgesetzt werden kann, dann ist das schon mal kein guter Start. Aber gut, das war nach einem Neustart behoben. Nicht behoben war allerdings das Gefühl, einem zu actionlastigen Titel aufgesessen zu sein, der doch eigentlich ein Schleichspiel sein soll. Und so ging es in den ersten beiden Missionen bei Tageslicht in den Nahen Osten, wo Schleichen im gleißenden Sonnenlicht schon mal wenig Sinn machen zu scheint. Durch Gebiete, in denen es vor Feinden nur so wimmelte. Nicht besser wurde meine Anfangsskepsis gegenüber dem Titel, als die aus Modern Warfare bekannte “Der Tod kommt von Oben”-Szene noch draufgesetzt wurde. Erst recht nicht besser wurde es, als mir das Spiel plötzlich Gegner vorsetzte, wie sie die Uncharted-Serie (leider) eingeführt hat. Heißt: Die Feinde unterscheiden sich nicht in ihrer Ausstattung von einander, aber da gibt es diesen einen Gegner, der größer ist und besser gepanzert bzw. ein Schild besitzt. Wirklich?
Es war ehrlichgesagt ein schwieriger Anfang für mich. Das war kein Splinter Cell, das war eine Mischung aus bekannten Spielen, die man wohl aus Gründen der “Casualisierung”, der “Öffnung für neue Spieler”, eingebaut hat. Abhördrohnen, ein fliegendes Hauptquartier mit zukunftsweisender Technik, das kannte ich gewissermaßen aus Black Ops II, genauso wie die Terroristengefahr in den USA. Eine Präsidentin regiert das Land? Ach ja, selbe Vorlage. Ich wollte schon gar nicht mehr weiterspielen, war enttäuscht … doch dann kam die rettende dritte Mission, die alles wieder richtig machte. Denn da war es, das Splinter Cell-Gefühl. Die Nachtsichtkamera, in der gleichen grafischen Darstellung wie seit dem allerersten Teil. Die Dunkelheit, das heimliche Anschleichen an Gegner, Gadgets, die man sinnvoll einsetzen muss, um nicht entdeckt zu werden. Und das Gefühl blieb. Der erste Eindruck hat definitiv getäuscht, man muss sich auf das Spiel einlassen und dann wird man auch belohnt. Blacklist hat weiterhin Action, aber es überlässt die endgültige Vorgehensweise dem Spieler. So ist für jeden etwas dabei. Das Spiel belohnt uns für alles was wir tun und es ist egal, ob wir heimlich vorgehen (Ghost), eine Mischung anwenden (schießen ja, aber mit Schalldämpfer – Panther) oder durch sichtbare Gewalt (Assault). Wir können alle drei Varianten mixen, aber der Fokus liegt definitiv auf den Stealth-Momenten.
Zwischen den Missionen finden wir uns auf der Paladin wieder, dem fliegenden Hauptquartier von Fourth Echelon. Hier können wir uns entweder mit unserem Team unterhalten, Waffen aufrüsten oder auf dem Schwarzmarkt kaufen und Missionen annehmen. Das ist erinnert stark an Mass Effect, aber an Verweise haben wir uns ja mittlerweile in gewöhnt. Alles was wir in den Missionen tun, wird am Ende mit Geld belohnt. Sam Fisher legt das nicht auf sein Schweizer Bankkonto, sondern investiert es wieder. Wir können die Paladin verbessern, was uns dann eine Minimap in den Missionen beschert, Gesundheit verbessern oder zusätzliche Luftüberwachung zum besseren Identifizieren von Feinden bringt. Ob das wirklich notwendig ist, ist Geschmackssache. Ich persönlich fand es etwas aufgesetzt, warum sollte Echelon oder gar Sam Fisher es plötzlich nötig haben, Blendgranaten einzukaufen?
Die Missionen strotzen nicht vor Abwechslung, das haben sie noch nie, aber sie machen Spaß. Jedes Gebiet bietet Alternativrouten, die wir wählen können, um Feinde geschickt zu umgehen. Wir reisen um die ganze Welt und machen den Terroristen ihr Leben schwer, sind sogar in Guantanamo, nur um wieder auszubrechen. Leider täuscht das große Gebiet oftmals, denn viele Areale sind nicht zugänglich und haben wir einen Speicherpunkt erreicht, gibt es auch kein Zurück mehr, obwohl wir vor einem offenen Gebiet stehen, das wir erst vor einer Sekunde verlassen haben.
Sam Fisher mag der Überagent sein, aber er ist nicht unsterblich. Das merken wir spätestens dann, wenn uns einer der Gegner gesehen hat, wir zu spät reagieren und die halbe Terroristenarmee plötzlich auf uns schießt und zielsicher trifft. Natürlich könnten wir jetzt der Einfachheit halber mit einem Maschinengewehr loslegen, aber hey, eine Pistole mit Schalldämpfer tut’s auch und bringt am Ende vor allem mehr Stealth-Punkte. Wer will, darf natürlich auch den anderen Weg wählen. Sam ist agil wie ein Assassine aus dem gleichnamigen Spiel, das Klettern und verstecken fällt leicht und funktioniert schnell. Es gibt Blut, Exekutionen und Gewalt, und Entscheidungen zu treffen: Verschonen wir eine Geisel oder soll sie das Zeitliche segnen? Kurz: Blacklist vereint alles, was Fans der ersten Teile mochten und vergisst aber auch nicht, Neuerungen einzubauen.
Koop und Multiplayer
Unser Team auf der Paladin hat nicht nur das ein oder andere Upgrade für uns parat, sondern auch optionale Nebenmissionen. Die meisten davon können alleine angegangen werden, aber auch im Koop-Modus (vier müssen sogar zu zweit gespielt werden). Die Aufträge laufen alle nach dem gleichen Muster ab und auch hier ploppte ein Fragezeichen in meinem Kopf auf: Es gibt den aus Modern Warfare bekannten Survival-Modus, in dem wir Wellen von Gegnern überstehen müssen. Wirklich Ubisoft? Nichtsdestotrotz sorgen die Missionen für mehr Spielzeit und -spaß, wenn man denn diesen Modus mag. Wer mit einem Freund zusammen spielt oder einem zufällig gewählten Onlinepartner sollte allerdings weiterhin überlegt vorgehen, um nicht laufend von seinem Mitspieler wiederbelebt werden zu müssen.
Wer die Splinter Cell-Reihe kennt, der kennt auch den Mehrspieler-Modus “Spione gegen Söldner”. Bis zu acht Spieler treten in zwei Fraktionen gegeneinander an. Spione sind dabei die agilen Spieler, die sich nicht nur unsichtbar bewegen können, sondern auch Zip-Lines oder Höhen ausnutzen können. Ziel ist es, drei Computerstationen zu hacken und diese zu verteidigen. Söldner auf der anderen Seite sind schwer gepanzert, man spielt sie im Gegensatz zu den Spionen aus der Egoperspektive anstelle 3rd-Person-Ansicht und sie müssen das Hacken verhindern. Das alles ist interessant, weil es sich von anderen Multiplayern abhebt, birgt allerdings auch die Gefahr, auf Dauer langweilig zu werden, denn es ist der einzig zur Verfügung stehende Modus. Die Karten sind übersichtlich und abwechslungsreich, was dem Onlinespiel sehr entgegen kommt.
Wer noch mehr abseits des Hauptspiels tun möchte, kann das mit den so genannten Gone Dark Missionen, die sich täglich ändern und eine besondere Belohnung am Ende bereithalten. Dabei muss man krypitschen Hinweisen auf der Auftragskarte folgen und die richtigen Orte auf der Welt finden.
Was hat die Grafik und der Sound zu bieten?
Blacklist ist grafisch in den Außenmissionen nett anzusehen, aber im Ganzen kein Highlight. Die Gesichter der Charaktere bleiben fast animationslos, dafür laufen die Bewegungen flüssig. Die Musik ist dem Thema des Spiels angepasst und ja, auch hier fühlt man sich etwas an Black Ops II erinnert. In der englischen Sprachausgabe muss man sich etwas daran gewöhnen, dass Sam Fisher nun einen neuen Synchronsprecher hat, die deutsche ist gewohnt gut.
Fazit – Sam ist immer noch Sam
Das waren harte Anfangsstunden in Blacklist. Der Titel nimmt sich Ideen aus allen bekannten und erfolgreichen Spielen, obwohl es gar nicht nötig gewesen wäre. Zwar ist das Thema Terroristen gegen USA langsam ausgelutscht, aber die Missionen machen Spaß. Wir können unsere Vorgehensweise selbst bestimmen, was allen Spielern entgegenkommen wird. Sam bleibt leider etwas charakterlos, doch der Titel selbst kann am Ende mit Einzelspieler-, Koop- und Multiplayer-Modus überzeugen. Bleibt nur die eine Frage: Warum haben die Bösewichte in Spielen und Filmen aus den USA bei englischer Sprachausgabe immer einen britischen Akzent?
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