Lesezeit: 5 MinutenErinnert sich noch jemand daran, dass Sonic mal ne richtige Gaming-Supermacht war? Marios Rivale, seine Nemesis, die einzige Jump’n’Run Figur, die würdig war, in einem Atemzug mit ihm genannt zu werden. Doch zu viele mittelmäßige Spiele haben all das in Vergessenheit geraten lassen. Nun wagt es der Igel aber mit Sonic Lost World Nintendos Klempner auf Big Ns eigenen Konsole, der Wii U, erneut herauszufordern.
Aber zugegeben, ganz so schlimm scheint es in letzter Zeit nun doch nicht mehr um Segas Maskottchen bestellt zu sein. Nach Sonic the Hedgehog 4, Sonic Colours und Sonic Generations schien die Reihe endlich wieder auf einem guten Weg zu sein. Perfekt waren diese Spiele noch nicht, aber weit davon entfernt schlecht zu sein. Immer mal wieder gab es zwar gute Spiele mit dem rasend schnellen Igel, aber eben nur ab und zu. In den letzten Jahren gab es jedoch endlich, ENDLICH, einen richtigen Aufwärtstrend. Blöd nur, dass der durch Sonic Lost World mit Pauken und Trompeten zu Bruch geht. Aber wie konnte das passieren?
Gameplay als Temposchwelle
Eigentlich scheint es ja keine Raketenwissenschaft zu sein ein neues Sonic-Spiel zu entwickeln. Die Level sollten im Prinzip halbe (oder sogar komplette) Rennstrecken sein, dazu eine perfekte Steuerung und absolut flüssiger Spielablauf, fertig! Und obwohl es bereits genug Titel rund um den blauen Blitz gibt, die genau das geliefert haben (und die man als Vorlage hätte nutzen können), erweisen sich diese Dinge in Lost World mal wieder als Stolpersteine für den guten Sonic.
Egal ob ihr euch in einem dreidimensionalen oder seitwärts scrollenden Spielabschnitt befindet, immer rennt und springt ihr mit dem Igel durch die Level und sammelt goldene Ringe, gefangene Tiere und diverse Power-Ups. Gleichzeitig bekämpft ihr Feinde und lasst keine Gelegenheit aus, um eure Geschwindigkeit noch weiter zu erhöhen. So sollte ein Sonic-Spiel auch aussehen. In der Theorie trifft das auch alles wirklich auf Lost World zu. Nur leider ist das Gameplay in der Praxis bis auf wenige Ausnahmen entweder träge oder total chaotisch. Das Hauptproblem ist dabei schlicht und ergreifend das Leveldesign. Oft sind die Abgründe, Hindernisse und Gegner einfach falsch platziert, so dass gar kein Spielfluss aufkommt weil man ständig irgendwo runterfällt, getroffen wird oder hängen bleibt. In den dreidimensionalen Abschnitten tut die Kamera oft ihr Übriges zum unfreiwilligen Ableben dazu. Schade, wenn das kleine Einmaleins des Gamedesigns für so eine große Reihe (mal wieder) zum Problem wird.
Super Sonic Galaxy
Doch damit noch nicht genug, offensichtlich wollte Sega an Nintendos Erfolge anknüpfen, den es mit Super Mario Galaxy feiern konnten. Und deshalb wurden wohl zahlreiche Erkundungslevel mit vielen kleinen Planeten eingebaut. Das sieht zwar durchaus schick aus, spielt sich aber nicht wirklich gut und wirkt einfach nur deplatziert. Sonic gehört auf die Piste um loszuflitzen, nicht in eine begehbare Umgebung in der er herumschleicht. Warum diese Abschnitte eingebaut wurden, kann ich zwar verstehen, schließlich wäre ein Spiel nur aus achterbahnähnlichen Turboabschnitten extrem rasant, aber auch ratzfatz durchgespielt. Nur hier hätte ich die kürzere Spielzeit gerne in Kauf genommen. Einfach nur mehr Inhalt ist nicht unbedingt erstrebenswert. Insbesondere, wenn er so aussieht wie in diesem Fall. Die Steuerung funktioniert bei der niedrigeren Geschwindigkeit nicht so wie sie sollte. Insbesondere die Sprünge werden zum Problem. Und auch das Leveldesign ist Lichtjahre von Marios Weltraumausflug entfernt. Wie schlimm es ist merkt man erst, wenn man beginnt darauf zu hoffen, dass man oft genug stirbt um die integrierte Spielhilfe zu aktivieren. Die lässt euch nämlich nach einigen Bildschirmtoden den problematischen Teil der Stage überspringen.
Dabei sieht man in den wenigen guten Stages, wie ein Sonic-Spiel aussehen müsste. Rasend schnell und trotz Fehlversuchen will man einfach weitermachen, weil es fair bleibt und einen die Geschwindigkeit des Helden geradezu mitreißt. Die Framerate bleibt in Lost World glücklicherweise immer stabil und wenn man einmal eine hohe Geschwindigkeit drauf hat, steuert sich das Spiel auch richtig gut. Man merkt einfach, dass alles an Sonic auf Highspeed ausgelegt ist. Leider schafft man es in Lost World nur fast nie richtig in Fahrt zu kommen. Ein Problem, dass der Soundtrack mit dem Gameplay teilt. Die Stücke dümpeln und düdeln nur so vor sich hin, ohne euch voranzutreiben oder zumindest ein Geschwindigkeitsgefühl zu vermitteln.
Positiv sind die zahlreichen Zwischensequenzen, die das Spiel mit einer umfangreichen Story um Dr. Eggman und die “Schrecklichen Sechs” ausstatten. Aber letzten Endes ist die Geschichte dafür zu belanglos (was bei einem bunten Jump’n’Run ja kein so ernstes Problem sein muss) und der Humor einfach zu unlustig. Immerhin erkundet ihr zahlreiche, sehr unterschiedliche Welten, was für Abwechslung sorgt. Komisch nur, dass die Wechsel der Orte kaum in den Zwischensequenzen thematisiert werden.
Fazit
Tja, als Jump’n’Run-Fan, der sich gerne an die Mario-Sonic-Rivalität der 90er zurückerinnert, schmerzt es mich wirklich, was nach den ordentlichen letzten Spielen rund um den blauen Igel aus Sonic Lost World geworden ist. Richtig wütend werde ich aber, wenn mir erst mal klar wird, warum sich der Titel so mittelmäßig bis schlecht spielt. Es mangelt wirklich an den Grundlagen. Warum ist das Leveldesign so verkorkst (oder zumindest langweilig)? Warum gibt es so viele Elemente, die den Spielfluss bremsen? Und warum fehlt fast der ganze Charme? Es ist einfach unverständlich wie die Entwickler aus Segas wichtigstem Franchise so einen Designsündeneintopf gekocht haben. Oder war hier etwa nur die B-Mannschaft von Team Sonic am Werk? Fast wünscht man es sich. Denn dann könnte das A-Team den nächsten Serienableger zusammenzimmern.
Klar der Ärger überdeckt teilweise, dass Sonic Lost World in der Summe kein Totalausfall ist. Es gibt durchaus noch Luft nach unten. Aber, dass man das extra erwähnen muss, sagt eigentlich alles, was man wissen muss. Es gibt einfach keinen Grund, dieses Spiel wirklich zu kaufen. Man kann sein Geld mittlerweile auch auf der Wii U besser anlegen. Und in Kürze kommt ja auch Super Mario 3D World. Da dürfte der Einsatz des Igels dann spätestens irrelevant werden.
Ach ja, und richtig sauer werde ich dann gleich noch ein zweites Mal, wenn mir klar wird, dass Sega ständig irgendwelche halbgaren Sonic-Spiele rauswürgt, die dann auch noch wirtschaftlich erfolgreich sind, aber kein Geld für Bayonetta 2 da war (trotz brauchbarer Verkäufe des Vorgängers), bis Nintendo es dem einstigen Konkurrenten in den Hintern geblasen hat! So verspielt man das Vertrauen der Fans nun wirklich.