Lesezeit: 6 MinutenEs dauerte eine halbe Ewigkeit, bis Mafia II das Licht der Ladentheke erblickte. Zeitweise wurde die Entwicklung ähnlich kritisch beäugt, wie einst beim sprücheklopfenden Duke. Doch 2K Czech fasste sich schlussendlich ein Herz und veröffentlichte das zweite Kapitel der Mafia-Reihe, die Anfang des Jahrtausends viele Fans gewonnen hatte. Doch wird wirklich alles immer gut, was lange währte?
Alles hat seinen Ursprung…
Unser Begleiter durch das Empire Bay der 40er und 50er Jahre heißt Vito Scaletta. Ursprünglich aus Sizilien, flüchtete die Familie als er noch ein kleiner Junge war Richtung Amerika, um ein neues Leben in Wohlstand zu führen und der Armut ein für allemal die Klinke in die Hand zu drücken. Doch die Realität sieht auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten leider nicht immer ganz so rosig aus. Eine kleine Kammer als Wohnung und für den Vater ein mies bezahlter Job im Hafen machten das Überleben nicht viel einfacher. Besonders dann, wenn der Kopf der Familie jeden Cent versäuft…
Vito hat schon früh beschlossen, das er selbst die Zügel in die Hand nehmen muss. Er trifft Joe. Die beiden werden die besten Freunde. Sie erkennen schnell, das nicht immer der legale Weg die Wiege des Glücks bedeutet und so drehen Vito und Joe auch das eine oder andere Mal ein paar krumme Dinger. Jedenfalls bis Vito im Teenager-Alter von der Polizei während eines Einbruchs verhaftet wird. Anstatt ins Gefängnis zu wandern, muss Vito für die amerikanische Armee in den Krieg ziehen und Italien aus den Fesseln Mussolinis befreien. Und ab hier kommt ihr ins Spiel…
Die Ruhe vor dem Sturm und umgekehrt
Der zweite Weltkrieg als Tutorial. Warum nicht? Auch wenn diese Epoche schon tausend mal als Vorlage für ein Videospiel herhalten musste, fühlt sich der Abstecher in Mafia II nicht störend an. Im Gegenteil. Ein toller Einstieg um sich mit den Grundmechaniken vertraut zu machen und Vito ein wenig mehr charakterliche Tiefe zu verleihen. Der Abstecher in den Zweiten Weltkrieg ist aber nur von kurzer Dauer, den Vito bekommt eine Kugel ins Bein und darf für einen Monat nach Hause. Da wartet auch schon Joe, der dank zahlreicher Kontakte Vito dauerhaft von der Armee befreit. Gefälschten Papieren sei dank.
Die Freude ist aber nur von kurzer Dauer als Vito erfährt, das der verstorbene Vater der Familie noch Schulden von zweitausend Dollar hinterlassen hat, die schnellstens bezahlt werden müssen. Vito weiß sofort, dass er dafür den rechten Pfad der Legalität verlassen muss. Das dies seinen Untergang bedeutet, ahnt er damals noch nicht…
Der Aufstieg und Fall des Vito Scaletta in der amerikanischen Mafia wird in 15 Kapiteln erzählt. Kapitel, die ihre eigene Geschichte erzählen und zwischen 1945 und 1951 ihren Lauf nehmen. In dieser Zeit passiert eine ganze Menge und 2K Czech weiß nach wie vor, wie eine gute Story erzählt werden muss. Macht euch auf sensationelle Zwischensequenzen gefasst und Momente die ihr nicht so schnell vergessen werdet.
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben
Dabei gestalten sich die Aufträge aufwändiger, als sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. Am Anfang bittet Mutter Scaletta ihren Sohn, doch anständige Arbeit im Hafen zu suchen. Also fahren wir als Vito zum Hafen, quatschen mit dem Chef, der uns prompt dazu verdonnert, Kisten auf einen Laster zu schleppen. Und dann schleppen wir erstmal Kisten. Eine Menge Kisten. Das dauert lange, ist stupide und bescheiden bezahlt. Also entscheiden wir uns die Düse zu machen und Joe um Arbeit zu fragen. Das bekommt der Vorarbeiter natürlich mit, schleift uns zum Chef, der uns im Angesicht des Einflusses von Joe bessere Arbeit anbietet. Das Friseurgeld der Arbeiter eintreiben. Nun laufen wir durch die Hallen und beschaffen die Kohle, bis einer kräftiger Arbeit Stunk macht und wir ihm eine Abreibung verpassen müssen. Leicht verdientes Geld. Aber der Tag ist noch jung. Wir sind in einer Bar mit Joe verabredet, der uns einem Kollegen der “Familie” vorstellt. Der hat einen Auftrag für uns: Wir müssen Benzinmarken aus einem öffentlichen Gebäude stehlen. Bis wir uns an diesem Tag ins Bett befördern können, passiert noch einiges. Und vieles geht schief.
Eine Großstadt in festen Händen
Empire Bay ist eine prächtige Stadt, die gleich an mehrere große US-Metropolen erinnert. Weite Brücken, dicht aneinander gedrängte Hochhäuser, schäbige Seitengassen und niedliche Viertel zieren das Bild einer Stadt, die seit jeher den Schmelztiegel unterschiedlichster Immigranten darstellt. Ebenso bunt aber auch verwahrlost präsentiert sich diese Stadt, die sich zwar frei erkunden lässt, aber nicht viel zum Erkunden bietet. Hier und da laden ein paar Bekleidungsgeschäfte zum Stöbern ein, diverse Werkstätten motzen das eigene Auto auf. Und darüber hinaus? Pustekuchen. Weder Nebenjobs, noch sonstige Ablenkungen erlauben einen Ausbruch aus dem Alltag. Die Sammelwut wird nur in Form von Playboy-Magazinen und Fahndungsfotos gestillt. Empire Bay ist ein Werkzeug der Entwickler, um die Dramaturgie der Regie auf dem erstklassigen Niveau zu halten. Da verzeiht man auch schon mal, dass die wenigen Geschäfte zu jeder Tageszeit geöffnet sind. Auch gibt es keinen Tageszyklus oder zufällige Wetterveränderungen. Es wird dann Abend, wenn 2K Czech es für richtig hält. Es fängt dann an zu regnen, wenn es dem Spannungsbogen dienlich ist. Aber keine Panik: Der erstklassigen Regie der Entwickler ist es zu verdanken, das man so was auch nicht vermisst, aber ein wenig wehmütig hinterherschaut. Ein wenig Ablenkung abseits der Geschichte wäre wünschenswert gewesen. Red Dead Redemption hat aktuell gezeigt, wie es gehen kann.
Auf den Straßen ist die Hölle los!
Wie aus dem ersten Teil gewohnt, seid ihr häufig auch im Auto unterwegs. Wer es anspruchsvoller mag, darf die Fahrphysik auf realistisch stellen. Die Kisten steuern sich dann deutlich schwerfälliger, brauchen viel Feingefühl, erlauben im Gegenzug aber auch coole Drifts. Doch Vorsicht: Die Polizei ist pingelig, wenn es um Verstöße gegen die erlaubten Geschwindigkeitsbegrenzung geht und nimmt dann gerne die Verfolgung auf und merkt sich euer Kennzeichen. Entweder wechselt ihr dann das Auto und lässt das Nummernschild in der Werkstatt gegen Bares ändern. Das Gleiche gilt für Verbrechen zu Fuß. Lasst ihr euch von der Polizei erwischen, müsst ihr euch aus dem Staub machen. Allerdings erkennen euch Polizisten wieder, sofern ihr nicht die Kleidung wechselt.
Kommt es doch mal zum Schusswechsel (was des Öfteren passieren wird), kann sich Vito wie es heutzutage zum guten Ton gehört, hinter Objekten, Mauern und Autos in Deckung begeben. Per Knopfdruck lässt sich die Deckung wechseln, nur das Blindfeuern ist nicht möglich. Das ist ärgerlich, versuchen euch die clever agierenden Feinde doch häufig in die Mangel zu nehmen und – wenn möglich – einzukreisen oder sogar zu flankieren.
Prächtige Kulisse mit Schönheitsfehlern
Empire Bay sieht toll aus, die Einwohner sehen toll aus, die Charaktere der Geschichte sehen toll aus. Mafia II gibt in sich geschlossen ein stimmungsvolles Bild ab. Aber gerade auf der PlayStation 3 lassen sich diverse optische Makel nicht verleugnen. Von Anti-Aliasing fehlt bisweilen jede Spur, heftige Kantenbildungen an Objekten und Figuren sind die Folge. Außerdem ploppen Details an Wänden erst in der Nähe auf. Das fällt zum ersten Mal bei der Benzinmarken-Mission richtig auf. Unter Zeitdruck steuern wir eine Tankstelle auf, um die Marken noch rechtzeitig zu verticken. Doch erst wenn wir praktisch vor der Tankstelle geparkt haben, verschwinden die undetaillierten grauen Fensterscheiben und das Innenleben gibt sich zu erkennen. Das ist enttäuschend und ein Stimmungskiller, wie er im Buche steht. Außerdem fehlen diverse Details wie Eisspiegelungen auf verschneiten Straßen. Das dann das ganze Geschehen nicht immer hundertprozentig flüssig über die Bühne läuft, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Der Soundtrack ist dafür wieder aller erste Sahne. Prächtige und epische Orchesterstücke sorgen für bedrückende Stimmung, sogar die deutschen Sprecher leisten einen sensationellen Job. Nur komisch, dass die drei Sender in Empire Bay davon verschont blieben und weiterhin in ihrer englischen Ursprungssprache aktuelle Geschehnisse kommentieren, dafür aber mit Klassikern aus den 40er und 50er Jahren aufwarten können, die sich sogar der jeweiligen Jahreszeit anpassen.
Fazit:
Mafia II ist ein prächtiges Spiel geworden. Die Geschichte um den Aufstieg und Fall des Vito Scalettas in 15 Kapiteln zieht in ihren Bann wie selten ein Spiel dieser Gattung es geschafft hat. Dabei nimmt sich das Spiel Zeit und erlaubt auch ruhige Momente, um die Atmosphäre hoch zu halten. Leider wird dieser geschichtliche Glanz durch einige optische Unzulänglichkeiten getrübt. Im Vergleich zur 360 und dem PC zieht Mafia II auf Sonys Konsole deutlich den Kürzeren. Trotzdem lohnt sich ein Ausflug nach Empire Bay allemal. Selten war die Mafia so hautnah zu spüren, wie in 2K Czech Mafia II. Der Name ist Programm.
Ich fand das Ende echt…..
Erster Gedanke war: “F**K YOU 2K Games”
Aber egal dann wird das wohl das 2te Spiel nach Alan Wake wofür man sich DLCs kaufen muss.
Achja sehr gut geschriebener Test.