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Fragments of Him – Der Trauersimulator

von am 25. Mai 2016
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Lesezeit: 4 MinutenAls mich der Key zu Sassybots Drama erreichte, war ich skeptisch. Ich kenne Indietitel wie Fragments of Him und wusste, dass mich hier kein Egoshooter und kein Rollenspiel erwartete. Ich wusste auch, dass Fragments of Him versuchen würde, Gefühle in mir auszulösen, denn unser Chefredakteur Daniel hatte mir den Plot in einer Mail bereits grob mitgeteilt, weshalb ich auch von vornherein wusste, dass es in der Story unter anderem um ein homosexuelles Pärchen geht. Ich fand die Prämisse gleichermaßen traurig wie schön, hatte allerdings die Befürchtung, dass Fragments of Him mich als heterosexuellen Mann nicht so sehr mitreißen könnte, da es mir schwerfallen würde, die Emotionen der Charaktere nachzuempfinden. Gleichzeitig wusste ich, dass ich es eben deshalb spielen musste, einmal als Herausforderung an das Spiel und auch an mich selbst. Wie mein schlussendliches Urteil ausfällt, was Fragments of Him richtig und was es falsch macht, das erfahrt ihr in diesem Test.

Die Handlung

Wir spielen zunächst Will, einen jungen Mann, der mitten im Leben steht. Wir erleben ihn, wie er neben seinem Partner Harry aufwacht, seine Klamotten aus dem Schrank holt, duschen geht, sich fertig macht, frühstückt und dann das Haus verlässt. Währenddessen lauschen wir Wills Gedanken in einem andächtigen Monolog über sein Leben. Er liebt Harry, er will neue Dinge in seinem Leben ausprobieren, mehr Wagnisse eingehen, ein bisschen mehr Abenteuer in seinen Alltag bringen. Will hat Pläne. Und dann stirbt Will.
Nein, das ist kein Spoiler. Das ist die Prämisse des Spiels. Denn Will war nicht allein und sein Tod wirkt sich auf andere Menschen aus. Seine Ex-Freundin Sarah, seine Großmutter Mary und natürlich sein Lebenspartner Harry. Sie alle haben mit dem plötzlichen Tod von Will zu kämpfen und der Spieler ist die ganze Zeit dabei. Er verfolgt die Erinnerungen an jenen Mann, der die Leben von so vielen Menschen beeinflusst hat und die Trauer, die mit der Lücke einhergeht, die er hinterlässt. Erzählt wird die Geschichte dabei in verschiedenen Szenen, in denen der Monolog der jeweiligen Charaktere Stück für Stück vervollständigt wird.

Grafisch beeindruckend unbeeindruckend

Fragments of Him ist ein Indie-Titel und dementsprechend hatte ich nicht mit einem visuellen Schmankerl gerechnet und wurde dennoch überrascht. Ein narratives Drama, in dem es um Emotionen von Menschen geht, setzte meiner Meinung nach jede Menge Mimik voraus, allerdings verzichtet das Spiel darauf voll und ganz. Stattdessen werden die Charaktere komplett emotionslos, farblos, ja fast wie Schaufensterpuppen dargestellt. Und nicht nur die Charaktere sondern die gesamte Umgebung wirkt farblos, steril und ein klein wenig gespenstisch. Und damit erreicht Fragments of Him genau die Atmosphäre, die es erreichen will. Zum einen sind die Protagonisten gesichtslos. Sie haben zwar Namen, allerdings könnten diese Personen im Prinzip jeder sein, was die Immersion in die gesamte Szenerie immens steigert. Und zum anderen handelt es sich bei den Szenen um Erinnerungen und diese sind nun einmal schwammig, grob gezeichnet und in diesem speziellen Fall eben auch sehr trist. Optisch überzeugt Fragments of Him auf voller Linie. Mit seinem simplen, minimalistischen Design hat es bei mir einen Nerv getroffen und mit der Zeit sah ich in diesen Schaufensterpuppen mehr Emotionen als in Nathan Drake mitsamt Gefolgschaft.

Toller Sound und britische Akzente

Die beste Optik kann eine Erzählung nicht tragen, ohne die passenden Geräusche. Und hier punktet Fragments of Him auf ganzer Linie. Die Synchronsprecher wirken authentisch, passen zu ihren jeweiligen Charaktermodellen und erzählen dabei ganz organisch von ihren Erlebnissen und Erinnerungen. Sassybot hat es wirklich geschafft, diesen leblosen Figuren Leben einzuhauchen. Gepaart mit den Hintergrundsounds und dem Soundtrack zieht die Geräuschkulisse den Spieler problemlos in die jeweilige Szenerie hinein und sorgt dabei für die nötige Atmosphäre.

Gameplay? Welches Gameplay?

Es gibt kein Gameplay. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich letztendlich deshalb so schwergetan, eine passende Review zu Fragments of Him zu verfassen, denn es ist meiner Meinung nach kein Videospiel im klassischen Sinn ist. Es ist eine Art Schauspiel, kompakt erzählt aus der Sicht von mehreren Protagonisten und man verfolgt diese Geschichte zwar in seinem eigenen Tempo und mit den eigenen Mausklicks, aber im Prinzip fehlt dem „Game“ diese eine essentielle Komponente. Das gesamte Spiel besteht darin, dass man das Objekt oder die Person in der Szene auswählt, die gelb leuchtet und die Story vorantreibt. Als Beobachter führt man den jeweiligen Charakter also von Handlung zu Handlung, macht sonst allerdings nichts, außer hinzusehen und das kann auf Dauer langweilig werden, wenn man nicht weiß, worauf man sich einlässt. Während Spiele wie Until Dawn und Heavy Rain ihrer Narrative zumindest noch Quicktime-Events lässt, rattert Fragments of Him seine Erzählung lediglich herunter und auch wenn das Tempo stimmig ist, kommt man nicht drum herum, sich zu fragen, ob es da nicht auch ein animierter Kurzfilm oder eine Novelle getan hätte.

Fazit

Gefehlt hat mir persönlich trotzdem erst einmal gar nichts. Die Auseinandersetzung mit dem Tod einer geliebten Person, die dabei so triste Optik, so als würde man ein Puppenspiel miterleben, in dem das reale Leben gleichermaßen grausam und schön dargestellt wird, all das macht es leicht, über die Tatsache hinwegzusehen, dass man selbst nur geringe Auswirkungen auf das Geschehen hat. Vielleicht ist es auch eben diese machtlose Zuschauerrolle, die man einnimmt, die den Indietitel so unglaublich eindrucksvoll macht. Allerdings ist Fragments of Him nicht das erste Spiel, das fehlendes Gameplay mit einer liebevollen Narrative zu ersetzen versucht. Gone Home hat es bereits zuvor und meiner Meinung nach noch besser gemacht. Während Fragments of Him einen zu sehr an die Hand nimmt, einen linear durch die Szenen führt und einem dann förmlich befiehlt traurig zu sein, war Gone Home subtiler, detailreicher und gegen Ende noch ein Stückchen beeindruckender. Aber wem mache ich hier etwas vor? Dieser Titel, Videospiel hin oder her, hat mich bewegt. Und jeder, der schon einmal geliebt hat, kann sich selbst in dieser Geschichte wiederfinden, denn der Schmerz über den Verlust einer geliebten Person ist etwas Universelles und losgelöst von Geschlecht, sexueller Orientierung und religiösen Ansichten. Fragments of Him ist nicht kontrovers. Fragments of Him ist relevant und jeder sollte es einmal gespielt haben.

Fragments of Him Fazit

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