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Alpha Protocol – Sega und sein doppeltes Spiel

von am 20. Juli 2010
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Lesezeit: 6 MinutenDie meisten typischen Rollenspiele besitzen entweder ein mittelalterliches Fantasy-Setting mit Orks und Elfen, oder spielt in futuristischen Sci-Fi-Welten. Das wurde Obsidian Entertainment allerdings zu eintönig: Mit Alpha Protocol servieren die Macher von Star Wars: Knights of the Old Republic II und Neverwinter Nights 2 nun endlich einen Titel, der sich von der Masse der Rollenspiele abheben soll und eine verschwörerische Spionagegeschichte erzählen will. Ein ambitioniertes Ziel. Ist Alpha Protocol eine Offenbarung oder eher ein RPG zum Abgewöhnen?

Terrorismus und andere Unannehmlichkeiten

Der heutige Erdball ist ein düsteres Fleckchen: Drogenschmuggel, Waffenhandel und als Sahnehäubchen ein Raketenangriff auf ein Passagierflugzeug. Die Gruppierung namens Al-Samad meldet sich kurz darauf mit Hasstriaden auf die westliche Welt. Ok. “Thema gegessen” möchte man meinen: Ein paar Terroristen halt, die ihren Predigen mit ein wenig Nachdruck Gehör verschaffen wollen. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt…

Das dachte sich wahrscheinlich auch Michael Thorton, als er benommen im Kittel auf einer Krankenstation aufwacht und eine überaus attraktive Chinesin auf seinem PDA von fragwürdigen Methoden faselt. Naja erstmal ausbrechen…

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Rhetorik für Anfänger: So könnte es klappen!

Und schon während den ersten Minuten sieht man, welche Priorität das Dialogsystem hat, das in eine ähnliche Kerbe schlägt wie bei Mass Effect 2. Doch statt die Art der Antwort auszuwählen, entscheidet der Spieler, wie der Superspion sie vermittelt. Reagiert Michael lieber aggressiv oder professionell? Hat er einen flotten Spruch auf Lager oder lässt er lieber die Fäuste sprechen? Je nachdem wie er antwortet, hat das unmittelbar Einfluss auf die Situation und auch auf die Gesprächspartner, denn sie alle bevorzugen unterschiedliche Umgangsformen. Außerdem ist Aufmerksamkeit gefordert, denn für eine Antwort hat man nur einen kurzen Zeitraum, ist man zu langsam, wird eine Antwort per Zufall ausgewählt. Doch es bleibt nicht bei simplem Gesprächen unter vier Augen: Im heutigen Zeitalter mit der globalen Vernetzung wollen auch Emails beantwortet werden. Kommunikation ist halt das Alpha und das Omega.

Die Frage ist: Sollte man sich immer mit allen gutstellen? Ist man geschickt, bekommt man geheime Informationen, einen Vorteil in der nächsten Missonen oder immerhin Erfahrungspunkte. Beim weiblichen Geschlecht kann sich sogar so etwas wie eine erotische Spannung aufbauen. Aber das kann natürlich auch alles mächtig in die Hose gehen, sodass sogar das Leben wichtiger Verbündeter in Gefahr geraten kann. Egal, wie die Entscheidung lautet: Mit Konsequenzen muss auf jeden Fall gerechnet werden.

“Bedenke, alles was ich dir anbiete, ist die Wahrheit”

Neben dem interessanten Dialogsystem wird 00Thorton auch relativ häufig vor Entscheidungen gestellt: Erschießt er den fiesen Waffenhändler an Ort und Stelle, nachdem er ihm das Leben schwer gemacht hat, erpresst er ihn oder kooperiert er sogar mit ihm? Fragen über Fragen! Für was soll sich Michael entscheiden? Rettet er die schöne blonde Sekretärin oder vereitelt er einen Bombenanschlag? Entweder, oder? Was ist richtig? Was ist falsch. In Alpha Protocol gibt es kein Schwarz oder Weiß. Kein Gut und Böse. Entscheidungen wollen getroffen, die Grenzen der Moral ausgelotet werden.

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Und das ist gleichzeitig die größte Stärke von Alpha Protocol. Das geschickte Konstrukt des erstklassigen Dialogsystems verknüpft mit einer ganzen Wagenladung Entscheidungen und Konsequenzen. Dadurch wird die Spannung bis zum Schluss aufrecht erhalten. Man möchte sich gleich in die nächsten Dialoge stürzen, sehen was passiert. Beziehungen werden aufgebaut, Opfer hingenommen. Hier zeigt Obsidian eindrucksvoll, was im Bereich Rollenspiel alles so möglich ist. Doch die Medaille hat natürlich zwei Seiten…

“Erschieß ihn doch!” “Wie denn? Mir fehlt ein Fähigkeitspunkt!”

Alpha Protocol nimmt das mit dem Rollenspiel sehr genau. Das ist lobenswert, schließlich finden viele Gamer gefallen daran, den Protagonisten nach Maß zu schneidern. Besonders was Fähigkeiten betrifft. Aber das kann manchmal auch nach hinten los gehen.

Dem Hardcorerollenspieler mag das vielleicht egal sein, aber es kann im Jahr 2010 einfach nicht sein, dass Gegner in unmittelbarster Nähe nicht mit der Pistole getroffen werden, nur weil Protagonist nicht genügend Fähigkeitspunkte besitzt. Und wir reden hier nicht über Kopftreffer auf 100 Meter Entfernung.

Ein Beispiel: Michael Thorton ist im Nahen Osten unterwegs. Geduldig schleicht er durch eine feindliche Militärbasis. Er entdeckt eine verschlossene Tür. Beim knacken eben jener, wird er dummerweise entdeckt. Die Feinde eröffnen das Feuer. Michael schafft es mit Ach und Krach in das Innere des Gebäudes. Plötzlich taucht ein Feind vor seiner Nase auf. Thorton zückt sofort die Pistole und eröffnet das Feuer auf den heranstürmenden Terroristen. Doch sämtliche (!) Schüsse verfehlen das Ziel! Das Ende vom Lied: Der Terrorist bearbeitet den Agenten mit ein paar Schlägen, schubst ihn weg und perforiert ihn zu guter Letzt mit dem Maschinengewehr.

Die Einen mögen jetzt sagen: “Tja, so ist das in einem Rollenspiel der alten Schule nun mal: Wenn die Fähigkeit nicht ausgebaut ist, sollte man nicht zu viel erwarten” Ich sage: “Draufgesch***en! Wenn der Typ einen Meter von mir entfernt steht, dann wird doch wohl auch der größte Waffenlegastheniker in der Lage sein, den Feind mit den blauen Bohnen zu füttern!”

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Entschuldigt die Ausdrucksweise, aber gerade solche Momente schrauben den Frustbarometer in ungeahnte Höhen. Hier hätten die Entwickler ein wenig mehr Feingefühl beweisen können. Wenigstens ändert sich das, wenn man ein paar Fähigkeitspunkte in entsprechende Attribute investiert.

Der dümmste Terrorist hat die dickste Wumme!

Nicht nur Michael Thorton hat mit der einen oder anderen Limitation zu kämpfen (er kann nur an bestimmten Stellen springen und klettern), sondern auch seine Widersacher haben Probleme. Das zeigt sich zum größten Teil in der konsequenten Unaufmerksamkeit. Wenn eine Wache zum Beispiel zwei Meter neben seinem Kollegen wie ein nasser Sack zu Boden fällt und es den Anderen nicht die Bohne interessiert. Gerne übersehen sie auch herumschleichende Leute in ihrer unmittelbaren Umgebung und laden gerade dazu ein, ausgeschaltet zu werden.

Wird Michael entdeckt, geht es allerdings richtig rund. Die Terroristen schalten in den Aggro-Modus und schießen euch aus einem Kilometer noch die Wimpern von den Augenlidern. Unfassbar präzise, zahlenmäßig haushoch überlegen und saumäßig tödlich. Aber nur so lange sie den vermeidlichen Eindringling sehen. Getreu nach dem Motto “Aus dem Auge, aus dem Sinn” kehren sie relativ zügig zum Alltag zurück, sobald Thorton sich unsichtbar macht. Und das kann er wirklich!

Machs dir selbst!

Was aus Michael Thorton wird, bleibt dem Spieler überlassen. Bevor das Abenteuer startet, hat man die Möglichkeit auszuwählen, was für ein Typ dieser Michael ist. Dabei kann man nicht nur zwischen dem Soldaten, dem Agenten oder dem Technikfreak wählen, sondern auch als Rekrut starten. Dann hat Thorton am Anfang keinerlei Fähigkeiten und kann sich völlig frei entfalten, was aber ein stückweit die Missionen schwieriger macht. Wurde das Spiel einmal erfolgreich abgeschlossen, wird eine weitere “Klasse” freigeschaltet: der Veteran.

Am Äußeren von Michael darf man ebenfalls ein wenig basteln. Andere Augenfarbe hier, stylische Frisur da, abgerundet mit einem ordentlichen drei Tage Bart. Das wars! Dafür kann man sich bei der Ausrüstung ausgiebiger austoben. Unzählige Waffen die noch ein mal Slots für Schalldämfper, Laservisiere, Magazinerweiterungen und weiß der Kuckuck nicht noch alles bieten. Das Gleiche gilt für Rüstungen: diverse Gadgets sorgen dafür, dass der Agent mehr aushält, sich flinker bewegt oder lautlos durch die Gegend schleichen kann.

Die inneren Werte zählen!

Für die grafische Kulisse gewinnt Alpha Protocol keinen Blumentopf. Zwar sind die Charaktere relativ schick anzusehen und auch die Mimik weiß zu gefallen, das war es dann aber auch schon. Die Umgebung macht eher einen grobschlächtigen Eindruck, die Texturen sind oft unscharf und werden oft erst spät geladen, läuft Thorton einen Hang hoch, scheint er oft in der Luft zu schweben. Und zu allem Überfluss läuft das Geschehen nicht immer rund.

Akustisch sieht das Ganze ein wenig anders aus, was zum größten Teil an den famosen englischen Synchronsprechern liegt, die ihren Job wirklich gut machen und Gefühle sowie Emotionen sensationell auf den Schirm bringen. Wenn es dramatisch wird, begleitet die Musik gekonnt das Geschehen. So kommt Stimmung auf!

Fazit:

Alpha Protocol ist wahrlich ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite das superbe Dialogsystem und die Vielzahl an Konsequenzen und Entscheidungen die zu treffen sind. Auf der anderen Seite bietet das Spiel aber auch grobe Gameplay-Schnitzer, hohes Frustpotenzial und eine nicht mehr zeitgemäße Grafik. Dennoch kann man mit dem Titel eine Menge Spaß haben, man muss nur ab und zu ein Auge zu drücken. Und bei den Feuergefechten dürfen es gerne auch mal beide Augen sein. Wer das kann, wird gut unterhalten.

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Kommentare
 
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  • 21. Juli 2010 at 08:46

    Also ich musste es nach den ersten 5 Minuten wieder deinstallieren.
    Spielt sich einfach so verdammt unrund und sieht so unglaublich bescheuert aus wenn er in der Hocke läuft bzw hoppelt. Schade!


  • Keckman
    27. Juli 2010 at 22:17

    Ich bin gerade am Anfang des Spiels auch echt Steil gegangen. Habe aber auch den Fehler gemacht, direkt das Spiel auf Schwer zu stellen und dann Rekrut als “Klasse” auszuwählen. Das ging gar nicht! Leute haben mich entdeckt obwohl ich mich hinter Mauern versteckt habe. Und haben mich generell IMMER gehört.

    Nachdem ich dann das erste Pad an die Wand gepfeffert habe, startete ich ein neues Spiel. Dieses Mal auf Normal. Dann gings. Klar, es war immer noch derbe nervig, das man Feinde mit der Pistole nicht treffen konnte, obwohl sie keine zwei Meter von mir entfernt standen.

    Was mich aber wirklich bei der Stange gehalten hat, waren die phänomenalen Dialoge. Ich konnte es kaum erwarten, neue Leute zu treffen, gucken wie sich die Beziehungen zu ihnen entwickelt und was passiert. Und sobald man aus dem Nahen Osten raus ist, wird das Spiel auch Abwechslungsreicher. Aber bis dahin erstmal zu spielen erfordert viel viel viel Geduld.

    Das ist schade, da das Spiel schon einiges zu bieten hat, aber es macht sich aber leider auch unnötig das Leben schwer. Ich will gar nicht daran denken, was alles aus Alpha Protocol hätte werden können, denn das Setting ist genial!

    Grüße
    Chris


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