Link – Der Wandel vom simplen Bindeglied zum Charakter
Lesezeit: 6 MinutenWir sind Gamer. Wir alle. Jeder, der diese Seite besucht, hat mindestens einmal ein Spiel in der Hand gehabt und wahrscheinlich seinen Spaß daran gehabt. Wir sind aber nicht nur Gamer. Wir sind auch Abenteurer, Athleten, Architekten, Bauern, Drummer, Entdecker, Eroberer, Klempner, Künstler, Sänger, Soldaten, Polizisten und vieles, vieles mehr. Kurzum, wir sind mehr als nur die Person, die wir nach außen hin zu sein scheinen.
Ein gutes Spiel kann uns packen, uns in sich hineinsaugen, uns fühlen lassen, was die Figur fühlt, die wir steuern. Genau deswegen ist es wichtig, dass die Figur und das Umfeld in der sie sich bewegt, gut ausgearbeitet sind. Das lässt sich unter anderem auf zwei Arten erreichen. Entweder man entwirft eine Figur als komplett unbeschriebenes Blatt und “silent protagonist”, sodass der Spieler seine eigene Persönlichkeit auf die Figur projizieren kann und sich so ein Gefühl von einem “verlängerten Selbst” einstellt oder man geht genau den anderen Weg. Man gibt der Figur eine Persönlichkeit, einen Charakter, etwas, das uns mitfühlen lässt, weil sie Sympathie bei uns weckt, da sie in nachvollziehbarer und auch emotionaler Weise mit ihrer Umwelt interagiert.
Bei beiden Ansätzen bestehen natürlich immer große Gefahren, dass man komplett daneben greift. Ein unbeschriebenes Blatt kann ebenso unsympathisch und langweilig sein, wie ein Protagonist, dessen Persönlichkeit nur aus – teilweise schlecht umgesetzten – Klischees besteht. Der Held aus der recht bekannten Reihe The Legend of Zelda, offiziell als “Link” tituliert (inoffiziell gerne als “Flachpfeife” oder sogar als …Zelda!!!), gehört definitiv zur Kategorie der stillen Protagonisten. Und Nintendo selbst hatte eben genau diesen Grund angegeben, weswegen sie sich entschieden haben, Link quasi den Mund zu verbieten.
Nun ist es jedoch schwierig, die eigene Persönlichkeit zu projizieren, wenn die Hauptaufgabe des Spiels darin besteht, der strahlende Jüngling zu sein, der die Welt rettet, ohne dass der Spieler wirklich eine Wahl hat oder zumindest einige Sachen hinterfragen kann. Von einigen Textblöcken und Antwortmöglichkeiten in Ocarina of Time – die jedoch den Spielverlauf nicht weiter beeinflusst haben – einmal abgesehen, hatte man keine wirkliche Wahl, als einfach das zu tun, was von einem verlangt wurde. Das war aber wiederum gar kein Problem, denn der Fokus des Spiels lag ja auf Entdeckung. Und man hat das Spiel gekauft, weil man “das Böse vom Antlitz der Welt verbannen” wollte. Links Name als Metapher für die Verbindung zwischen Spieler und Spielwelt war also mehr als passend und er fungierte nun mal einfach als Mittel zum Zweck.
Diese Herangehensweise jedoch änderte sich spätestens mit dem Erscheinen von Ocarina of Time. Durch den Sprung in eine weite und offene 3D Welt, konnte man endlich Emotionen, erzählerische Finessen und Reaktionen von Figuren darstellen, wie nie zuvor. Zwar war Link immer noch der “Depp vom Dienst”, aber man hat ihm öfter mal angesehen, dass er zu mehr Blicken und Reaktionen in der Lage war, als: “Ich kann jede Katze zu Tode starren”. Mit Majoras Mask (dessen Remake nun kurz bevorsteht), ging Nintendo sogar noch einen Schritt weiter. Denn durch die bedrückendere Atmosphäre und Links aussichtsloser Situation hat Nintendo eine noch viel größere Immersion geschaffen, als in allen Teilen zuvor – auch wenn der Erfolg des Spiels nicht ganz an andere Titel heranreicht. Aber das hat andere Gründe.
Link war in diesem Fall nicht einfach nur “der Auserwählte”. Keiner hatte ihm gesagt: “Hey, Junge im grünen Kleidchen! Da ist ne Welt, die bald untergeht, mach mal was.” Nein, hier ging es Link um etwas anderes. Navi war weg und er wollte sie wiederfinden. Dann erscheint das Skullkid und stiehlt ihm auch noch sein treues Pferd, seine gute “Freundin”, Epona. So generisch dieser Plot auch war und so sehr er auch nur dazu führt, dass Link wieder Mal eine Welt retten muss, so sehr lässt sich nicht leugnen, dass er diesmal wenigstens einen persönlichen Anreiz hatte, sich in dieses Abenteuer zu stürzen. Alle Handlungen, denen er nachgeht, sind dadurch mehr oder minder nachvollziehbar und geben sowohl ihm als auch dem Spiel ein viel persönlicheres und dadurch packenderes Flair.
Link war zwar immer noch ein stiller Protagonist, aber er hatte persönliche Motive. Etwas das uns berührt hat. Was uns näher zu ihm als Person gebracht hat. Gerade wenn man vorher noch Ocarina of Time gespielt hat, ist auf diese Weise mittlerweile eine so starke Bindung zur Figur entstanden, dass die Entwicklung, die diese durchgemacht hat, einfach nicht zu übersehen ist.
Auf die Spitze getrieben hat es Nintendo jedoch mit dem für GameCube und Wii U erschienendem Wind Waker. Zwar teilt sich hier die Spielergemeinde in mehr oder weniger zwei Fraktionen; die einen übersehen gerne den Grafikstil und feiern einfach ein gelungenes Spiel, die anderen lassen sich eher von der ungewohnten Darstellungsweise stören und sehen auch das Spiel als Gesamterlebnis nicht als wirklich spaßig an. Und ja klar… Dann gibt es als Unterkategorie noch die Gruppe, die das Spiel wegen der Grafik einfach links liegen lassen. Aber darum geht es heute ja nicht.
Nein es geht darum, wie Wind Waker es geschafft hat, aus Link nicht den Ja-sagenden Jockel für alles zu machen, sondern ihm tatsächlich so etwas wie eine Persönlichkeit zu geben. Eine Motivation und eine nachvollziehbare Entwicklung. Und das eben gerade mithilfe des neuen Grafikstils. Der Link in Wind Waker schmeißt sich seine Tunika nicht um, weil er “der auserwählte Held” ist. Nicht, weil ein alter Mann in einer Höhle ihm ein Schwert in die Hand drückt und sagt: “Da sind die Feinde, zieh los und töte sie.” Nein, dieser Link verpennt seinen Geburtstag und wird von seiner Großmutter zum Cosplayen gezwungen. Tolles Geschenk. Fast besser, als das angegammelte Fernrohr, das seine kleine Schwester ihm leiht – anscheinend, sind diese Bewohner so arm, dass sie sich keine richtigen Geschenke leisten können.
Ihr alle kennt die Geschichte, die nun folgt. Links Schwester wird von einem Masken-tragenden Riesentruthahn entführt und unser Held wird von einigen Piraten freundlicherweise mitgenommen, um sie zu retten. Auch hier wieder: Es ist keine bahnbrechende neue Geschichte, aber die Umsetzung und der Weg, weshalb Link eben so handelt, wie er es dort tut, ist komplett nachvollziehbar. Und man sieht ihm jede Konsequenz, jeder Entscheidung – dank Cel-Shading – im Gesicht an. Sogar Prinzessin Zelda hatte das Glück anfangs mehr zu sein als nur die Jungfrau in Nöten – jedenfalls so lange sie die coole Piratenkapitänin Tetra war, danach wurde sie erst mal ausgebleicht. Sowohl von der Hautfarbe her, als auch charakterlich.
Und das war für mich einer der Gründe, weswegen ich Wind Waker so gefeiert habe. Alles war irgendwie stimmig. Die Figuren waren zwar Klischees, aber glaubhaft. Die Beziehungen untereinander waren zwar vorgegeben, aber nachvollziehbar. Helle, witzige Momente standen im wunderbaren Kontrast zu den dunkleren und “erwachseneren” Stellen im Spiel. Link war zwar immer noch eine Verbindung zwischen uns und der Spielwelt, aber durch die Art seiner Ausarbeitung, seiner Darstellungsweise, konnten wir eine tiefere Empathie zu ihm und seiner Umwelt entwickeln. Und genau das brauchen wir heutzutage. Eine Spielfigur muss nicht unglaublich komplex sein. Sie muss keinen Master in Philosophie haben oder eine Ahnenreihe von Kriegern, die ihr vorgeben, weswegen sie etwas machen muss. Es reicht vollkommen, dass die Figur… lebt. Dass sie in sich selbst und in ihren Handlungen natürlich wirkt. Denn dann können wir uns wirklich in sie hineinversetzen. Dann können wir sie mit unserer eigenen Art, unseren Emotionen, Hoffnungen und Ängsten füllen. Weil sie diese genauso fühlen würde.