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Sniper Elite 4 – Nazi-Jagd in der Toskana

von am 7. März 2017
Pluspunkte

+ umfangreiche Missionen
+ viele Taktikmöglichkeiten
+ Koop-Modus
+ tolle Landschaften
+ Liebe zum Detail

Minuspunkte

- schwache Story
- audiotechnische Fehler
- Clippingfehler
- KI mit Aussetzern

Editor Rating
 
GAMEPLAY
9.0

 
GRAFIK
8.0

 
SINGLEPLAYER
8.0

 
MULTIPLAYER
7.0

 
SOUND
6.0

Gesamt-Wertung
7.6

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User Rating
 
GAMEPLAY
5.9

 
GRAFIK
7.8

 
SINGLEPLAYER
7.1

 
MULTIPLAYER
8.1

 
SOUND
5.5

User-Wertung
2 ratings
6.9

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Lesezeit: 5 MinutenWenn ich früher an Rebellion Developments gedacht habe, fielen mir miese Ports, verbuggte Spiele, sowie die Alien vs. Predator-Reihe, welche zugegeben ganz in Ordnung war, ein. Wenn ich heute den Namen sehe, denke ich nur noch an die Sniper Elite-Serie, welche bereits seit 2005 existiert, aber erst mit dem Nachfolger im Jahre 2012 wirklich Fahrt aufnahm. Mittlerweile habe ich sogar das Gefühl, dass die Jungs von Rebellion mit dem Nazi-Innereien-zerschießen-Prinzip ihre Komfortzone entdeckt haben. Das soll allerdings keine Kritik sein – denn mit Sniper Elite 4 haben sie ein astreines Scharfschützenspiel abgeliefert.

Hinweis: In meiner Testversion war der “Target Führer”-DLC inklusive. Da diese sehr unterhaltsame Mission nicht zu der normalen Verkaufsversion gehört und mit 9,99 Euro recht happig ausfällt, fließt sie nicht in meine Bewertung ein.

Kopfschuss – 160 EP

Fangen wir zuerst mit der Story an. Unser geliebter Macho-Badass Karl Fairbourne darf, nachdem er im Vorgänger halb Nordafrika zerlegt hat, als nächstes nach Italien, um dort die Nazis an der Entwicklung einer Geheimwaffe zu hindern. Diese könnte nämlich den Kriegsverlauf vollkommen auf den Kopf stellen – zumindest sagen das die NPCs vor jeder Missionsbesprechung. Was wie ein Zweite-Weltkriegs-Groschenroman klingt, dient mehr oder minder als Rahmenstory und Berechtigung für das Ausschalten hunderter Nazis durch wohlplatzierte Projektile. Und ich bleibe weiterhin bei der Bezeichnung Nazi, denn die feindlichen Soldaten sind ihrem Benehmen nur ein “Mein Leben!” davon entfernt beim nächsten Wolfenstein gecastet zu werden. Apropos Wolfenstein: Karl Fairbourne erinnert mit seinem Benehmen, den One-Linern und der grimmigen Off-Stimme häufig an eine weniger polnische Version von B.J. Blazkowicz. Das kann man nun als Kompliment sehen oder auch nicht.

Die große Stärke von Sniper Elite lag schon immer beim Gameplay, und hier erzielt der vierte Teil fast durchweg Bestnoten. Die Schussmechanik wurde nochmals verfeinert, je nach Schwierigkeitsgrad muss Ballistik, sowie Wind für den perfekten Schuss berücksichtigt werden. Es gibt viel mehr interaktive Gegenstände, welche man zur Verwirrung oder Ausschaltung des Gegners nutzen kann und Karl kann mittlerweile sogar richtig klettern. Durch das Markieren von Feinden kann man deren Bewegungen auch auf der Minimap beobachten und dementsprechend handeln. Mit gut platzierten Minen, Stolperfallen etc. kann man außerdem seinen toten Winkel abdecken und die einzelnen Maps sind nochmals um ein Vielfaches größer als bei Sniper Elite 3, sodass dem Spieler komplett frei steht, wie er seine Ziele erreichen will. Jede der acht angenehm umfangreichen Missionen hat neben den Hauptzielen auch viele optionale Ziele, Herausforderungen, Sammelgegenstände und Geheimnisse parat, was den Wiederspielwert ebenfalls deutlich steigert.

Herztreffer – 210 EP

Und ja, kommen wir zu dem heimlichen Highlight: die X-RAY-Kameras! Sniper Elite 4 lässt den Spieler auf sehr detaillierte Art und Weise wissen, dass er sein Ziel getroffen hat. Seien es Augäpfel, Unterkiefer, Nieren oder gar Hoden – dieser Shooter bringt einem mehr über die menschliche Anatomie bei, als mancher glücklose Biologielehrer. Und nun sind diese Szenen sogar auch bei Nahkampfkills oder Explosionen implementiert, wodurch das gesamte Mortal Kombat-Spektrum abgedeckt wird. Und ich wäre ein Lügner, wenn ich sagen würde, dass diese Sequenzen nicht eine beschämend-voyeuristische Befriedigung in mir auslösen.

Aus optischer Sicht gibt es nicht viel zu bemängeln: die italienischen Landschaften sehen echt schickt aus (der Wald in Mission 3!), es gibt trotz der hohen Sichtweite keine Pop-Ups und die Licht- sowie Explosionseffekte können sich sehen lassen. Lediglich bei den Spielermodellen und Gesichtsanimationen merkt man dem Titel die in die Jahre gekommene Engine an. Audiotechnisch sieht es da etwas anders aus. Die Waffensounds sind ordentlich und man weiß auch meist, aus welcher Richtung welcher Schuss gekommen ist. Zudem löst schon das Geräusch eines anrollenden Panzers eine angenehme Panik aus. Allerdings ist der Audiomix stellenweise verbuggt, Charaktere klingen in der freien Landschaft, als ob sie gerade in einem Tunnel flüstern würden. Auch sind die (deutschen) Synchronsprecher irgendwo zwischen ‚annehmbar‘ und ‚erstes Semester Filmhochschule‘. Selbst Karl Fairbourne versucht zu häufig, möglichst cool zu klingen.

Lungentreffer – 180 EP

Beim Umfang kann man sich bei Sniper Elite 4 in keiner Weise beklagen. Sobald man mit der Hauptkampagne durch ist, kann man diese entweder im Koop-Modus mit einem Freund wieder durchspielen oder zu den anderen Multiplayer-Varianten wechseln. Neben dem kompetitiven Mehrspieler mit seinen klassischen Modi kann man im Überlebensmodus mit bis zu drei anderen Wochenendsnipern auf ausgewählten Maps immer größer werdende Gegnerwellen aufhalten. Wer sich auch dadurch nicht ausgelastet fühlt, kann sich an die beiden asymmetrischen (und bockschweren) Überwachungsmissionen wagen, wo man zu zweit zusammenarbeiten muss, um diese überhaupt bewältigen zu können.

Für Langzeitmotivation sorgt, neben dem Versprechen der Entwickler neue Maps kostenlos nachzureichen, auch das aus anderen Vertretern des Genres bekannte Level- und Upgradesystem, bei welchem man die EP sogar im Einzelspielermodus sammelt. Der neu eingeführte Fähigkeitenbaum ist aber bereits bei Rang 25 vollkommen abgearbeitet und fällt etwas dünn aus. Auch haben die meisten Fähigkeiten keinen spürbaren Einfluss auf das Gameplay. Hier wäre mehr drinnen gewesen. Was aber unheimlich motiviert, sind die waffenspezifischen Fähigkeiten. Da erwischt man sich schon mal dabei, dass man nur auf die feindliche Leber (statt den Hoden) zielt, um endlich das Scope-Upgrade zu erhalten. Auch unterscheiden sich die verschiedenen Gewehre spürbar voneinander. Auf die Sekundärwaffe – meist eine MP – würde ich allerdings so selten wie möglich zugreifen. Die sind serientypisch so genau wie eine Steinschleuder in den Händen eines Parkinsonpatienten.

Hodentreffer – 230 EP

Zu guter Letzt noch ein paar Zeilen zur Technik und KI: Die Gegner sind nach dem missglückten Afrikafeldzug signifikant klüger geworden – nun umkreisen sie Karl Fairbourne, holen ihn mit Granaten aus der Deckung und können Schüsse viel besser lokalisieren… wenn die KI nicht zwischendurch Totalausfälle hat. Ansonsten findet man sich in Situationen wieder, wo drei blutrünstige Nazis einen Blumentopf beschießen, während man in aller Ruhe eine Tretmine hinter ihnen platziert und auf das Ergebnis wartet. Doch bilden dieses Momente eher die Ausnahme und insgesamt fordern die Gegner den Spieler so sehr, das durchdachtes Vorgehen obligatorisch ist.

Die PC-Version von Sniper Elite 4 ist sehr gut gelungen, es gibt viele Einstellungsmöglichkeiten bei den Grafikoptionen und Steuerung, was bei heutigen Ports leider nicht mehr die Regel ist. Framedrops gab es nur selten und das auch nur, wenn alles auf Ultra eingestellt war. Einzelne Clippingfehler sowie absurde Kollisionsabfragen (wie wenn ich liegend auf einen weit entfernten Feind ziele und meine Kugel im Beton genau vor mir landet) kommen so selten vor, dass sie das Gesamterlebnis nicht erheblich stören. Auch hier haben sich Rebellion im Vergleich zum Vorgänger verbessert.

Sniper Elite 4 ist keine Revolution. Es ist mehr eine sinnvolle Evolution von etablierten Spielmechaniken mit dem Hinzufügen einiger motivierender Elemente und dem Ausbessern der technischen Unzulänglichkeiten der Vorgänger. Und da der vorherige Satz viel zu hochgestochen klingt, sag ich es so: es hat noch nie so viel Spaß gemacht Adolf Hitler seinen Monohoden wegzuschießen. Und daher kann ich Sniper Elite 4 trotz kleiner technischer Schnitzer jedem Liebhaber von Third-Person-Shootern empfehlen.

 

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