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Her Story – Kriminologisches Story-Puzzle!

von am 30. Juli 2015
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Lesezeit: 4 MinutenEin Beamter im Dienste des Gesetzes zu sein ist dem Klischee nach ein undankbarer Job. Er bedeutet meist eine schlechte Bezahlung, reihenweise Überstunden und Arbeitsbedingungen, die man seinen Feinden nicht wünscht. Also koche ich mir besser mal einen frischen Kaffee und besorge mir ein paar Donuts beim Bäcker nebenan. Es steht mir eine lange Nacht bevor, eine lange Nacht vor dem Bildschirm mit Her Story.

Wenn das kalte Wasser gleichzeitig trüb ist!

Ich sitze an einem flackernden, mit Kratzern und Schmutz versehenden Röhrenmonitor, in dessen Mitte das Anwendungsfenster eines Suchdialogs prangt. Das Suchfeld ist bereits mit dem Wort „MURDER“ gefüllt. Was also tun? Neugierig – wie ich als Gamer nun mal bin – klicke ich mit meinem Mauszeiger auf den „Search“-Button. Unterhalb der Suchleiste erscheinen einzelne Videodateien, wobei die Ungesehenen mit einem Symbol markiert sind. Ich klicke die Videos nacheinander an und während die Symbole nach dem Abspielen verschwinden, werde ich Zeuge eines Verhörs einer Frau, die jegliche Schuld von sich weist. Dabei geht keines dieser Videos länger als 30 Sekunden. Zu diesem Zeitpunkt kann ich nur erahnen, worum es geht. Alles was ich im Laufe dieses Reviews bezüglich der Geschichte von Her Story vom Aktenstapel lasse, kann und wird im Laufe des Gameplays gegen euch verwendet werden. Deswegen solltet ihr euch ja vor den Bildschirm setzen und es selbst herausfinden, mittels Recherche und ausgeprägter Beobachtungsgabe. Mit jedem Suchbegriff bekommt ihr eine neue Ergebnisliste an Videos, die mit dem gesuchten Wort zusammenhängen und euch weitere Informationen liefern. Der Spielstart erfolgt intuitiv ohne jegliche Hilfe. Eine auf dem Desktop befindliche „Readme“-Datei erklärt lediglich die Nutzung der Suchabfrage und so erfahre ich, dass ebenfalls mehrere Begriffe und Zitate gesucht werden können. Das passt, denn die Suchergebnisliste liefert mir maximal fünf Einträge, auch wenn mehr Videoschnipsel gefunden werden. Es bietet sich also an präziser zu werden.

Her Story Teaser Trailer

Das Spiel in meinem Kopf!

Eine Frau, sieben Verhöre, sieben Outfits, sieben Zeitstempel. Sie hat viel zu erzählen, eine ereignisreiche Vergangenheit mit Höhen und Tiefen, teils interessant, teils langweilig, teils schlüpfrig, teils verdächtig und ich bin mittendrin. Ich höre mir alles an, wirklich alles, lieber zu viel als zu wenig und mache mir dabei eifrig Notizen. Man kann zwar die Videodateien mit einer kleinen Anmerkung versehen, nach kurzer Zeit ziehe ich jedoch die analoge Methode mit Blatt und Kugelschreiber vor. Brauche ich mehr Informationen, dann mache ich den Markus Lanz und „Hake einmal nach.“, gebe neue Suchbegriffe ein, hole mir noch mehr Informationen, verfeinere meine Suchabfragen und beobachte, wie sich das Bild langsam verdichtet. Her Story ist ein Spiel, welches von meiner Neugier lebt. Während ich in der erste Stunde noch die Funktion eines Beobachters einnehme und mich für ihre Geschichte interessiere, finden die restlichen Stunden nicht im Spiel, sondern in meinem Kopf statt. Ich stricke mir Theorien über Tatbestände und Motive zusammen, suche bereits gesehene Videos, um mich zu vergewissern und vergleiche Aussagen mit unterschiedlichen Zeitstempeln, sehe Verbindungen, die oberflächlich nicht ersichtlich sind und muss es akzeptieren, wenn ich damit letztendlich in einer Sackgasse lande. Mist! Aber ich habe noch genug Anhaltspunkte für weitere Theorien und suche weiter. Ich werde hinter das Geheimnis dieser Frau kommen und Licht ins Dunkle bringen! Noch habe ich nicht alle verfügbaren Videos gesehen, was mir eine Übersicht der Datenbankbestände in einem separaten Fenster bestätigt. Es bleibt Spannend!

Das Optimum einer 90er Altlast!

Nicht nur die fiktiven Videoaufnahmen stammen aus dem Jahr 1994, das gesamte Konzept rund um Her Story ist eine Hommage an eine Zeit, in der man die cineastische Komponente in Videospielen nicht mit Echtzeitgrafik, sondern mit selbstgedrehtem FMV (Full Motion Video) umsetzte. Das funktionierte mehr schlecht als recht, da meist an Kulissen, Kostümen und schauspielerischem Talent gespart wurde. Her Story zeigt sich hierbei zwar minimalistisch, aber authentisch und in Bezug auf die technische Darstellung mit gewölbten Röhrenmonitoren und Schlieren im Bild sehr charmant. Die Schauspielerin Viva Seifert liefert hierbei eine überzeugende Darstellung zwischen emotionalem Backtracking und Pokerface. Dennoch ist anzumerken, dass die Ausgangssituation mehr als hanebüchen ist. Obwohl Videospiele immer eine Abstraktion der Realität zugunsten eines Regelwerks sind, wird dieser Umstand von Her Story etwas überreizt. Nicht nur durch die Sichtung einer ursprünglich zusammenhängenden Videoaufnahme in Einzelteile, ohne die es gar nicht erst zu einer Problemstellung gekommen wäre. Auch die Beschränkung der Suchergebnislisten auf fünf Videos fühlt sich einfach mehr nach Schikane, als nach einer sinnvollen Mechanik an.

Fazit

Eine grundsätzlich Spielempfehlen oder eine Zielgruppe zu ermitteln ist bei diesem Spiel nicht einfach, auch weil die Genrebezeichnung erst erfunden werden müsste. Man kann es höchstens mit den Verhören aus L.A. Noire vergleichen, nur dass nicht jede Aussage einzeln, sondern alle Aussagen im Kontext bewertet werden. War sie es? War sie’s nicht? In jedem Fall ist Her Story für zwei Abende ein sehr spannendes Unterfangen und eine sehr außergewöhnliche Idee, welche die Spielmechaniken auf das Nötigste beschränkt und somit der Denkmurmel den kreativen Freiraum überlässt. Immer wenn ich mich aufgrund ausbleibender Ergebnisse ärgerte und das Spiel links liegenlassen wollte, dachte ich trotzdem immer wieder über die Geschichte und ihre Aussagen nach, um letztendlich doch wieder die Datenbank abzugrasen. Wer Fan von kriminologischen Detektivgeschichten und dem Kombinieren von Aussagen ist, der sollte definitiv die 5 Euro für das Spiel locker machen.

her-story-fazit

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