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Snatcher & Policenauts – Die Kult-Adventures von Hideo Kojima

von am 14. September 2012
 

Lesezeit: 4 MinutenBeim Namen Hideo Kojima kommt den meisten Videospielfachkundigen wohl als erstes die Metal Gear-Reihe in den Sinn. Ohne Zweifel ist Solid Snake sein Lieblingsbaby, doch die anderen Videospiel-Geburten aus dem Gehirn des Herrn Kojima sind deshalb nicht zu verachten. Neben der leider viel zu kurzen Zone of the Enders-Reihe gab es nämlich noch zwei tolle Titel, die überwiegend in japanischen Laufwerken landeten: Snatcher für Sega CD und Policenauts für die erste PlayStation.

Die frĂĽhe Vision des interaktiven Films

Wenn es darum geht, das erste Videospiel zu nennen, welches sich wie ein interaktiver Film anfĂĽhlte, spalten sich die Geister. FĂĽr die Einen ist es Metal Gear Solid, fĂĽr den anderen Uncharted 2, vielleicht aber auch schon Wing Commander oder gar eines dieser alten Videosequenzen-only-Adventures wie Gabriel Knight 2 oder Phantasmagoria. Eine definitive Antwort hängt wohl vom Auge des Betrachters ab, aber Hideo Kojima war ohne Zweifel einer der Vorreiter dieses Subgenres. Snatcher und Policenauts sind gerade dahingehend spannend, weil beide Titel durch die Optik das GefĂĽhl eines interaktiven Animes wiedergeben. Im spielerischen Sinne sind beide Spiele nichts weiter als Point ‘n Click-Adventures mit einer Handvoll SchieĂźbuden-Einlagen. Doch wie so oft verstand es unser geschätzter Hideo-san, das simple Spielkonzept in ein ansprechendes Gesamtpaket einzubetten.

Der Cyborgjäger und der Ex-Astronaut

Auch wenn die Titel spielerisch fast identisch sind, haben sie storymäßig auĂźer dem Zukunfts-Setting keinerlei Bezug zueinander. In Snatcher ĂĽbernehmt ihr die Rolle von Gillian Seed und jagt wie im Film Blade Runner nach menschenähnlichen Robotern. Ach ja, originellerweise habt ihr mal wieder Amnesie – seufz. Bei Policenauts sieht die Ausgangslage etwas komplizierter aus: Euer Held und Spielfigur Jonathan Ingram wird durch einen Unfall bei einem Astronauteneinsatz automatisch durch seinen Raumanzug in Tiefschlaf versetzt und erst nach 25 Jahren gefunden. Als dann seine einstige Geliebte bei ihm auftaucht und um seine Hilfe bittet, wird sie kurz drauf ermordet. Ein spannender Sci-Fi-Krimi beginnt und es gibt ein Wiedersehen mit alten Freunden, die im Gegensatz zu Jonathan 25 Jahre gealtert sind. Dank gut geschriebener Dialoge und dem gewohnt Kojima-typischen Sinn fĂĽr Humor klickt man sich in beiden Spielen gerne durch die zahlreichen, etwa 90% des Spiels ausmachenden, Text-Berge. Es gibt auch immer wieder lustige Momente, z.B. wenn ihr bei weiblichen Gesprächspartnern etwas zu oft auf den Intim-Bereich klickt: Schneller als euch lieb ist werdet ihr dann nämlich fĂĽr den Rest des Spiels als Perversling bezeichnet. Die Liebe zum Detail ist es, die beide Kojima-Adventures wohltuend vom Rest der Adventure-Landschaft abhebt. Rätseleinlagen bleiben dabei allerdings sehr ĂĽberschaubar und die Handlung läuft ĂĽber weite Strecken der Spieles eher automatisch ab. Hier könnt ihr euch am Besten selbst mal ein Bild ĂĽber beide Titel machen:

Mega-CD Longplay [006] Snatcher (part 1 of 2)

PSX Longplay [023] Policenauts (Part 1 of 3)

Roboterjaged oder Ex-Astronautendrama?

Es ist gar nicht so leicht zu sagen, welcher der beiden Titel jetzt besser ist. Ich denke, es hängt auch mit dem persönlichen Geschmack zusammen. Snatcher hat zwar bei Weitem nicht so eine raffinierte Storygrundlage wie Policenauts, kann mit dem knackigen Cyberpunk-Setting jedoch einiges wieder gut machen. Insgesamt gefiel mir Snatcher daher auch besser. Es brachte einfach gleich alles auf den Punkt und war ein geiles Cyberpunk-Abenteuer. Zwar bedient sich Snatcher ohne Scheu bei Vorbildern wie Blade Runner oder Terminator, bastelt aber genug eigene coole Ideen dazu und kann gerade mit der kultigen 80er Anime-Atmo überzeugen. Policenauts ist zwar nicht wesentlich schlechter wenn nicht gar genauso empfehlenswert, hat aber stellenweise auch unnötige Längen und hätte ruhig teilweise eine härtere, direktere Gangart wie der inoffizielle Vorgänger einlegen können. Trotzdem: Eigentlich sollte man beide Titel spielen, falsch machen kann man damit eigentlich nichts.

Die VorzĂĽge der CD-Technik

Schon damals wusste Kojima, ein Speichermedium voll auszuschöpfen: Umfangreiche Sprachausgabe und schicke Anime-Zwischensequenzen können in beiden Titeln absolut ĂĽberzeugen. Abenteuerlich sind die verschiedenen Systeme, die beide Titel bedient haben: MSX-2, PC-88, NEC PC-9821, PC Engine CD-Rom 2, 3DO, Sega Mega-CD, PlayStation, Sega Saturn… Da wird einem schnell schwindlig! Die beste Version von Snatcher ist die Sega Mega-CD-Fassung, welche glĂĽcklicherweise auch als einzige auf englisch lokalisiert wurde. In der Playstation hingegen sollte vorzugsweise Policenauts landen, denn Snatcher wurde hier beispielsweise ĂĽbelst zensiert. Dank der gezeichneten Anime-Optik sind beide Titel hervorragend gealtert und sehen auch heute nicht hässlich aus. Die Soundtracks und guten Sprecher sorgen stets fĂĽr eine tolle Akkustik!

Zwei fast unbezahlbare Perlen

Ihr wisst jetzt, dass ihr beide Titel spielen mĂĽsst und welche Version ihr braucht. Allerdings werdet ihr schnell merken: Es ist verdammt schwer, an die Spiele heran zu kommen. Meistens kommt ihr um einen Import nicht herum und mĂĽsst im Falle von Snatcher auch einen horrenden Preis in Kauf nehmen, da die englische Auflage sehr niedrig gewesen ist und locker 200-300 Euro fĂĽr so ein SammlerstĂĽck geblecht werden mĂĽssen. Mittlerweile lässt sich ein Sega-CD-System praktisch emulieren, so dass zumindest der umständliche Hardware-Wust von Sega umgangen werden kann. An Policenauts solltet ihr etwas gĂĽnstiger rankommen, allerdings stellt sich euch hier ein anderes Hindernis in den Weg: Die Sprachbarriere. Das Spiel ist offiziell nie auĂźerhalb Japans erschienen, daher mĂĽsst ihr wohl oder ĂĽbel die Spiele-CDs extrahieren, patchen und dann endlich in einer umgebauten Playstation die neugebrannten Scheiben in der begehrten englischen Sprache zocken. Der englische Patch wurde herbeigesehnt und erschien schlieĂźlich im Jahre 2009 – bis heute gilt diese Ăśbersetzung, als die gelungenste FanĂĽbersetzung eines ursprĂĽnglich japanischen Videospiels. Hier bekommt ihr den Patch und alles an Infos, was ihr zum Aufspielen wissen mĂĽsst:

http://policenauts.net/

Fazit – zwei unvergessliche Abenteuer

Man kann an beiden Titeln kritisieren, dass die Interaktivität sehr zu wünschen übrig lässt. Doch durch die umso stärker fokussierte Story werdet ihr beide Spiele so schnell nicht mehr vergessen. Die Geschichten machen Spaß, sind spannend erzählt und technisch immer noch schön zu genießen. Metal Gear-Fans werden auch so manchen Insider wiedererkennen, da Hideo seine Werke auch gerne selber mal zitiert. Sei es ein Mini-Metal Gear, der euch in Snatcher stets treu begleitet oder Meryl Silverburgh, die in Policenauts mal eben Teil eures Teams ist. Kurioserweise kreuzen sich die Spiel-Universen an manchen Stellen, was die Adventures für Kojima-Fans umso unterhaltsamer macht. Beide Titel zählen nicht umsonst immer noch zu den bislang besten japanischen Adventures auf dem Videospielmarkt und sollten daher in keinem Regal eines bekennenden Anime- oder Metal Gear-Fans fehlen!

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