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Project Zero 4: The Mask of the Lunar Eclipse

von am 2. November 2012
 

Lesezeit: 5 MinutenDie Wii ist tot, lang lebe die Wii U! Es ist nicht mehr viel los auf Nintendos kleiner Bewegungs-Steuerungs-Kiste. Daher wird es höchste Zeit, einen hierzulande etwas unbekannteren Titel näher zu beleuchten, der vor dem Wechsel auf das nächste Nintendo-Flaggschiff unbedingt noch mitgenommen werden sollte. Die Project Zero-Serie ist mittlerweile eigentlich auch gar kein Geheimtipp mehr, im Gegenteil. Vor ein paar Monaten spendierte Nintendo uns sogar eine Wii-Umsetzung des zweiten Teils. Das ist zwar eine nette Geste, Fakt ist aber: Es gibt schon seit 2008 einen vierten Teil exklusiv auf der Wii, jedoch nur in Japan.

Und was machen Videospielfans, wenn sie ihr Spiel auf lange Sicht nicht bekommen? Sie basteln eine Fanübersetzung. Ich habe mir daher mal die Fanübersetzung von Zero: Tsukihami no Kamen angeschaut und will euch verraten, ob sich der Schritt zum Importhändler lohnt…

Amnesie hoch drei

Huch, da ist sie wieder: die Amnesie! Gedächtnisschwund gehört bei Horrorspielen ja beinahe schon zum guten Ton. Diesmal trifft es drei japanische Mädels, die vor zehn Jahren auf “Rougetsu Island” gekidnapped wurden. Jegliche Erinnerung an die damaligen Ereignisse sind verwischt, klar ist nur: Sie waren einst zu fünft und zwei Mädchen sind schon auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen. Ereilt Ruka, Misaki und Madoka womöglich das gleiche Schicksal? Nun heißt es, schleunigst Licht ins Dunkel zu bringen, denn offenbar birgt eine Heilanstalt auf der Insel noch finstere Geheimnisse. Da mindestens eines der Mädchen vor der Abreise wohl Mama nicht Bescheid gegeben hat, gesellt sich auch noch ein Detektiv zum Ensemble, um die Rotzgöre wieder heimzubringen. Ein deutscher Fantrailer mit Untertiteln vermittelt euch einen guten Ersteindruck, um was es geht:

Gruseln wie früher

Schon nach wenigen Minuten im Spiel ist es wieder da: Das gute, alte Gefühl eines Horrorspiels aus vergangenen Tagen. Hier gibt es keine Checkpoints, schlauchige Level und pausenlose Action. Es gibt nur ein altes Haus, euch und die Geister. Niemand wird mit euch reden, außer dem Wind, der durch die zerbrochenen Fensterscheiben weht. In bester Serientradition besticht auch Teil vier wieder mit subtilen Horrorelementen. Unheimliche Geistererscheinungen, gruseliges Knarzen aus einer alten Kinderwiege in der Ecke, eine knisternde Kerze auf dem Nachtschrank… Auf den ersten Blick ist also alles beim Alten geblieben. Allerdings gibt es durch die Schulterkamera eine perspektivische Neuerung. Vorbei sind die Zeiten fixer Eck-Kameras, endlich seid ihr innerhalb der Serie erstmals viel näher am gruseligen Geschehen. Unverändert gestaltet sich der Blick durch die Kamera Obskura, eure einzige Waffe gegen die Schreckgespenster. Hier wechselt das Spiel gnadenlos in die Egoperspektive und konfrontiert euch direkt mit den schaurigen Geistererscheinungen. Da ihr die Geister am effektivsten bekämpft, wenn ihr einen Schnappschuss im Moment eines plötzlichen Angriffs landet, rutscht euch dabei nicht selten das Herz in die Hose. Aber auch sonst schafft es Entwickler Tecmo wieder spielend, euch Angst einzujagen. Anders als Silent Hill oder Resident Evil bleibt die Serie ihren Wurzeln treu und bietet euch genau das, was ihr schon seit Teil eins bekommen habt: eine düstere, beklemmende Atmosphäre.

Interaktiver J-Horror

Zugegeben sind ein paar Geister-Ideen schon recht abgedroschen – das waren sie schon zu Serienbeginn. Ständig wecken die illustren Gestalten Erinnerungen an japanische Horror-Klassiker wie Ringu, Ju-On oder Dark Water. Speziell die Zwischensequenzen, in denen ein Geist angekündigt wird, könnten teilweise 1:1 aus einem der genannten Filme entnommen sein. Alle Klischees werden bedient: Lange Haare, kichernde Püppchen auf dem Regal, grabschende Geisterhände unter dem Bett… Nach einer Weile könnt ihr jeden Schocker erahnen, was dem Spuk etwas Substanz raubt. Wer also vorher schon nicht mit Project Zero warm geworden ist und sich bei den zahlreichen Asia-Horror-Zitaten gelangweilt hat, wird auch diesmal nicht glücklich. Lässt man sich auf das spezielle Gruselflair ein, wird man sich jedoch selten trauen, im Dunkeln zu spielen…

Fatal Frame 4 - Gameplay Montage

Licht und Schatten: die Steuerung

Zunächst einmal muss man sagen, dass ihr dank der Schulterperspektive eine deutlich bessere Kontrolle über die Laufwege eurer Figur habt. Durch wildes Schütteln der Wiimote könnt ihr auch eine 180°-Drehung machen, falls plötzlich ein Geist hinter euch auftaucht. Dummerweise gestaltet sich die Steuerung hinter der Kamera Obskura oftmals recht fummelig, was euch in hektischen Gefechten den letzten Nerv rauben kann. Ebenso fragwürdig ist der Einsatz der Bewegungssteuerung – diese betrifft nämlich nur die Vertikale! Die Ausrichtung eurer Wiimote-Spitze nach oben oder unten hat eine direkte Auswirkung auf den Blickwinkel der Kamera. Dies hat zur Folge, dass ihr die Wiimote immer stur gerade halten müsst, um nicht ständig auf die Decke oder den Boden zu sehen. Umgekehrt müsst ihr das Plastikteil immer recht krumm nach unten oder oben halten, wenn ihr gerade mal den Boden oder die Decke absuchen müsst. Dies kommt leider häufig vor, da innerhalb der Räume oft Goodies in Form von Heilmitteln, Film-“Munition” oder Kamera-Upgrades versteckt sind. Hier wäre eine traditionellere Form der Steuerung deutlich besser gewesen, da die Bewegungssteuerung eh nur die Vertikale betrifft und somit alles andere als natürlich rüberkommt. Schade, denn die “klassische” Steuerung ist durchaus gelungen und wäre ohne Wii-Features besser ausgekommen.

Im Zick-Zack-Kurs durchs Geisterhaus

Eine weitere Tugend vergangener Videospieltage hält wie in jedem vorangegangenen Teil auch hier wieder ihren Einzug: Backtracking. Ihr werdet sehr oft die gleichen Gänge und Räume aufsuchen, um weiterzukommen. Denn nicht nur, dass gewisse Räume sich erst öffnen, wenn ihr einen zuvor besuchten Ort nochmal besichtigt habt (das ganze dürft ihr gefühlt dreimal machen), nach jedem Kapitel wechselt ihr zwar die Spielfigur, jedoch nicht den Ort. Und eine Ecke, die ihr als Spieler schon lange erkundet habt, ist für euren derzeitigen Charakter noch völlig neu. Dies hat zur Folge, dass gerade gegen Spielmitte alles unheimlich zäh und langwierig scheint. Da eure Spielfiguren ein recht schlappes Lauftempo an den Tag legen, schmälert es nicht gerade den Eindruck, dass hier viel Spielzeit künstlich verlängert wurde. Nach etwa zehn Stunden seht ihr den Abspann, aber eigentlich habt ihr nach vier Stunden schon gut 70 % des Spiels gesehen. Wer jedoch mit dieser oldschool Herangehensweise kein Problem hat, wird sich demnach auch nicht besonders daran stören.

Das hat die Wii noch nicht gesehen

Grafisch ist Project Zero 4 gemessen an der verwendeten Hardware ein echter Hingucker. Wehende Vorhänge, schicke Charaktermodelle, dicke Staubflocken im Lichtkegel der Taschenlampe. Der aktuellste Ableger ist bislang wohl der schönste Teil der Serie und vielleicht sogar eines der optisch beeindruckendsten Wii-Spiele, auch wenn das Spiel stellenweise ganz schön ruckelt. Verwaschene Texturen kommen stellenweise zwar auch vor, überwiegend werdet ihr aber von detailreichen Gruselkulissen erschlagen und bekommt als Sahnehäubchen hübsche Lichteffekte obendrauf. Musik werdet ihr übrigens bis zum Abspann kaum zu hören bekommen. Die Stimmung wird wie immer bei Project Zero über die verschiedenen Schauersounds der Räumlichkeiten perfekt eingefangen. Da der Übersetzungspatch nur Untertitel hinzufügt, kommt ihr diesmal auch endlich in den Genuss der japanischen Originalsprecher. Und glaubt mir, die japanischen Geisterstimmen sind deutlich schauriger.

Fazit: Auch auf der Wii ein Horrorfest

Es ist kein Spiel ohne Mängel: Probleme mit der Bewegungssteuerung, ein etwas zu niedrig gehaltener Schwierigkeitsgrad und enttäuschend einfacher Endgegner. Im großen Ganzen werdet ihr jedoch nicht enttäuscht. Project Zero 4: The Mask of the Lunar Eclipse macht genau dort weiter, wo die Vorgänger aufgehört haben. Es macht nicht viel anders, aber es funktioniert. Wer sich an der asiatischen Horror-Welle oder vorangegangenen Teilen noch nicht satt gesehen hat, bekommt ein solides Stück Survival-Horror-Software. Aber auch solchen, denen die Verwestlichung und stärkere Betonung auf Action vergleichbarer Horror-Serien auf den Keks geht, sei ein Probezock ans Herz gelegt. Teilweise fühlt sich Project Zero 4 wie ein zehn Jahre altes Spiel an. Vielleicht will es auch gar nicht mehr sein. Ihr könnt das Spiel ohne Weiteres auf eurer Wii zocken und müsst nichtmal einen bösen Homebrew-Umbau in die Wege leiten. Der Übersetzungs-Patch kann auf eine SD-Karte gepackt und völlig legal auf eurer Wii mit der japanischen Spiele-Disk ausgeführt werden. Bitteschön:

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