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Der Kommentar – StarCraft II Wings of Liberty-Kampagne – Macho, Macho, much?

von am 31. Dezember 2010
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Lesezeit: 5 MinutenFangen wir damit an, zuerst einmal klar zu stellen: neben Mass Effect 2 ist StarCraft II für mich das beste Spiel des Jahres 2010 und ich werde vermutlich noch die nächsten Jahre damit verbringen, den Achievements nachzujagen und mich im Multiplayer zu üben. Trotzdem gibt es einige Punkte, die mich durchaus gestört haben und die absolut nichts, aber auch gar nichts mit dem Gameplay oder gar der meiner Meinung nach die Privatsphäre verletzenden Battle.net-Registration, die ja schon oft genug kritisiert worden ist, zu tun haben. Hier in meiner Kritik geht es hauptsächlich um die Cut-Szenen und Dialoge der Kampagne.

Versteht mich nicht falsch, die Kampagne hat eine nette Storyline – Als Jim Raynor die Welt vor dem Untergang bewahren und dein Mädchen retten? Epic storyline is epic! Und hatte ich erwähnt, dass ich epische Storylines liebe? – und macht wirklich Spaß, durchzuspielen; und spätestens seit Joss Whedons Firefly wissen wir ja, wie gut sich das Western-Feeling in Kombination mit Sci-Fi anfühlt.

Als Warnung vorweg: für alle, die die Kampagne noch nicht durchgespielt haben, und absolut spoilerfree bleiben wollen, ist dieser Artikel nicht zu empfehlen.

Männliche/weibliche Rollenklischees auf dem Vormarsch

Vielleicht liegt es daran, dass ich weiblich bin und es mich deshalb vermehrt stört, ABER ist schon irgendjemand anderem aufgefallen, wie viele Macho-Sprüche es in den Dialogen der Cut-Szenen gibt und wie viele männliche/weibliche Rollenklischees und Stereotypen im Verlauf der Kampagne bedient werden? Natürlich passt dieser leicht chauvinistische Überzug ganz gut zum gesamten Western-Ambiente, welches ja nicht nur zum Beispiel durch das Look-and-Feel der Bar (aka Schiffmesse) sondern auch durch die terranische Musik vermittelt wird, aber in den bisherigen Reviews und Kommentaren zum Thema, die ich bisher gelesen habe, wurde noch NIE darüber gesprochen; dabei ist das etwas, dass sich vielleicht auch die Game-Entwickler einmal genauer ansehen sollten. Zwar sind die Core-Gamer von StarCraft II und damit auch die Zielgruppe überwiegend männlich (was ja nicht nur hier der Fall ist, weshalb wir auch nie weibliche Shepards in den offiziellen Trailern für Mass Effect sehen werden), aber das heißt noch nicht, dass das ein Freifahrtsschein ist, sich derart auf Rollenklischees festzulegen.

Stereotyper Körperbau

Schauen wir uns zunächst einmal den Körperbau der Hauptfiguren an, die wir während der Kampagne am häufigsten treffen. Zum Beispiel Jim Raynor hat die typische leicht überzogene Figur, die man gern in Comics aus den USA sieht (z.B. Wolverine): überzeichnete Muskulatur (besonders auffällig an den Armen), breite Schultern, massiver Brustkorb. Männliche Stereotype halt. Ich sag ja nicht, dass es schlecht aussieht, aber… naja. Matt Horner – der eher der “verkopfte Typ” ist – wirkt dagegen eher schmächtig, und über den Macho Tychus in seinem Space-Marine Anzug brauch ich wohl gar nicht erst zu sprechen. Selbst Mengsk, der ja als eher hinterhältig und gleichzeitig sogar quasi feige charakterisiert wird, wird als imposante Erscheinung dargestellt.
Schauen wir uns hingegen die weiblichen Charaktere an, so entsprechen auch diese mehr oder weniger Stereotypen. Im Gegensatz zu den männlichen Charakteren, die als imposant und massiv, um nicht zu sagen massig, dargestellt werden, sind die Frauen schmal und zierlich; selbst Sarah Kerrigan, die ja schon bevor sie zur Königin der Klingen wurde ein kick-ass Soldier aus dem Ghost-Programm war. Auch die porträtierten weiblichen Charakterzüge entsprechen weitestgehend Klischees, vor allen Dingen wenn wir uns Dr. Ariel Hanson ansehen.

Weibliche Charakterzüge: pazifistischer Idealist trifft hoffnungsvollen Weltverbesserer

Obwohl ich ja eigentlich davon angetan war, dass mit Dr. Hanson eine Frau auf der Hyperion eintraf, hat mich ihr Charakter von allen, mit denen wir es in der Kampagne zu tun haben, am meisten geärgert. Zum einen bedient sie ein bisschen die Klischees für Wissenschaftlerinnen: hochgesteckte Haare, Brille, Kittel. Zum anderen weist sie aber eben auch noch in der Regel als typisch weiblich beschriebene Charakterzüge auf, sodass sie – insgesamt betrachtet – als äußerst „schwacher“, schutzbedürftiger Charakter daherkommt, selbst wenn sie innere Größe und jede Menge Grips hat, und sich dann auch noch prompt zum „starken Mann“ hingezogen fühlt. Sagen wir nichts dazu, dass uns hier der typische Fall von damsel-in-distress-verliebt-sich-in-knight-in-shining-armour-der-aber-gar-kein-Interesse-hat-Plot schnulziger Rosamunde Pilcher Filmchen verkauft wird, ungeachtet dessen, dass Jim Raynor sich sicherlich nicht als knight in shining armour bezeichnet hätte.

Selbst Sarah Kerrigan als Königin der Klingen wird mit Schwächen dargestellt, seien es taktische oder Selbstüberschätzung – schließlich verliert sie ja auch immer gegen uns, wenn es zum Beispiel darum geht, die Artefakte in die Finger zu kriegen – und muss von Jim Raynor gerettet werden.

Männliche Charakterzüge: resignierender Freiheitskämpfer trifft bad boy mit Ehrgefühl

Sieht man sich die männlichen Charaktere einmal an, so treffen wir weniger Schwächen – wenn wir generelle Selbstüberschätzung, Diktatur und Arroganz (vor allem porträtiert durch Mengsk) einmal ignorieren – und werden dafür mit markigen Macho-Sprüchen voller Chauvinismus (vor allem Tychus), überlegter Zurückhaltung (Matt Horner) und „genötigtem“ oder „zwangsweisem“ Draufgängertum (Raynor) konfrontiert; nicht zu vergessen den resoluten Schrauber im Arsenal und den etwas abgedrehten Wissenschaftler im Labor. Alles in allem mehr oder minder das, was man erwartet hätte; nicht zu vergessen den „edlen“ Hintergedanken, der sowohl Horners als auch Raynors Handeln bestimmt. Außerdem gehört Raynor natürlich zum Rollenstereotyp des Anti-Helden: eigentlich ein bad boy, aber dennoch tut er das inhärent Richtige, zwar mit teilweise fragwürdigen Motiven (Rache), aber auch, um Sarah Kerrigan zu retten, selbst wenn das bedeutet, mit dem eigentlichen Feind zusammen zu arbeiten (Ende der Kampagne) was die Mitstreiter verärgert; erwähnenswert wäre wohl auch, dass er im Zweifelsfall über die Leiche von Freunden geht, um seine Liebe zu beschützen. Deutlich herausgearbeitetes moralisches Dilemma also mit einer durchaus vorhersehbaren Lösung, die aber trotz allem ein gutes Gefühl beim Spieler hinterlässt, wenn man am Ende Jim Raynor Sarah Kerrigan hinaus in den Sonnenuntergang (oder war es ein -aufgang?) tragen sieht – man beachte auch hier bitte, wie klein und zierlich und vor allen Dingen verletzlich sie im Vergleich zu ihm in dem massiven Kampfanzug dargestellt wird; da schwillt einem geradezu die Brust.

Weibliche Rollen ingame: klassische „Frauenberufe“, männliche Rollen ingame: klassische „Männerberufe“

Auch sonst sehen wir immer wieder „klassische“ Rollenverteilung; vielleicht ist es sonst niemandem aufgefallen, aber niemand von der Brückenbesatzung der Hyperion ist eine Frau – von Ariel Hanson mal abgesehen begegnet uns eigentlich keine weitere Frau auf dem Schiff, nur in einer Cut-Szene zum Ende hin sieht man mal ein, zwei Frauen unter den Besatzungsmitgliedern. Der Adjutant wird auch als weiblich dargestellt, aber es ist ‘ne KI, das zählt nicht, und Kate Lockwell auch nicht, die ist Journalistin und gehört ja nicht zur Kernbesatzung. Bei den Protoss begegnen wir immerhin einmal einer Hochexekutorin, aber wenn ich mich recht erinnere war es das dann auch schon.

Selbst die Ingame-Einheiten sind überwiegend männlich (und das nicht nur bei den Terranern), von einigen Ausnahmen einmal abgesehen: Zerg Königinnen, Sanitätern, Medivacs und Banshees. Um ehrlich zu sein, fällt mir bei den Protoss gerade gar keine „weibliche“ Einheit ein.

Was sagt uns das? Entsprechend zu uralten Klischees der Rollenverteilung sind Frauen eher in Pflegeberufen oder als hinterhältige Killer mit Tarnung unterwegs und die Jungs sind die harten Kerle mit den großen Wummen. Nichts für ungut… aber jetzt, wo es „ikonisierte“ weibliche Figuren wie Lara Croft aus Tomb Raider oder Alice aus den Resident Evil-Filmen gibt, wo diese Zombies mit einer abgesägten Schrotflinte am laufenden Band die Rübe wegschießt (nicht zu vergessen die anderen schießfreudigen Damen die das Franchise zu bieten hat), hätte ich mir etwas mehr Gleichberechtigung gewünscht, selbst wenn wir uns im wilden Sci-Fi-Westen befinden. In Earth 2160 zum Beispiel gibt es sogar mit der LC eine rein weibliche spielbare Fraktion, und das funktioniert auch wunderbar.

Denkt mal drüber nach!

Kommentare
 
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  • 31. Dezember 2010 at 12:25

    Ich weiß, dass der Kommentar jetzt unwahrscheinlich unqualifiziert ist, aber gebt spaßeshalber mal “tychus” in die Google-Bildersuche ein. Dort seht ihr, dass Tychus auch der Name für eine einfache, weiche Wollmütze ist. Seitdem sehe ich Tychus mit Zigarre im Mundwinkel und Wollmütze auf dem Kopf.

    Vielleicht ein kleiner Trost für dich Sam!

    Ansonsten kann ich nur sagen, dass ich mir als Mann ertappt vorkomme. Natürlich finde ich es toll, wenn ich in Videospielen in die Rollenklischees schlüpfen kann, die mir in der realen Welt verwehrt bleiben. Das ist für mich auch gerade der Witz eines Videospiels: dass ich in fremde Rollen schlüpfen darf. Aber natürlich haben solche Klischees auch immer eine Kehrseite.

    Frauen sind nun mal nicht wie Männer und viele Frauen in der Videospiel-Industrie haben erkannt, dass Geschichten, die für Frauen und für Männer funktionieren können, grundsätzlich anders geschrieben werden müssen.

    Ein wirklich spannendes Thema von dem wir in naher Zukunft sicher noch mehr hören werden.


  • Sam St. James
    31. Dezember 2010 at 12:40

    Naja… so grundsätzlich anders müssten die Geschichten vielleicht gar nicht geschrieben werden. Schließlich bin ich zum Beispiel begeisterter Mass Effect Spieler als femShep – gleiche Story (von den Romance-options mal abgesehen), nur weiblicher Charakter und schon funktioniert’s eigentlich ganz gut, wenn man halt die allzu derb markigen Sprüche generell weglässt.

    Davon mal abgesehen finde ich persönlich es echt gruselig was da zum Teil unter der Rubrik “Mädchenspiele” von der Industrie verkauft wird, vor allen Dingen wenn man mal in Richtung Nintendo DS schaut. Als ob wir alle Design liebende Tussies wären, denen nichts mehr Spaß macht als Barbiepuppenartige Figürchen einzukleiden -.-. Es gibt auch genügend Damen die ausgesprochen gern die Welt retten, oder voller Elan Horden von Zombies niedermähen etc. – was leider offenbar gern vergessen wird.


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